Der deutsche Energiekonzern RWE stellt sein Engagement am Gaspipeline-Projekt infrage. Noch sei allerdings keine Entscheidung über einen tatsächlichen Ausstieg gefallen, hieß es am Wochenende.
Düsseldorf/Ag. Der Energiekonzern RWE stellt seine Beteiligung an dem länderübergreifenden Gaspipeline-Projekt Nabucco auf den Prüfstand. „Angesichts veränderter Bedingungen durch die Planung neuer Pipeline-Projekte prüfen wir, ob unsere kommerziellen und strategischen Anforderungen an Nabucco weiter gewahrt werden“, erklärte der Konzern am Samstag und bestätigte damit einen Bericht des „Spiegel“. Eine Entscheidung, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, gebe es jedoch nicht. „Wir sind weiter überzeugt, dass Nabucco in der ursprünglichen Form die beste Lösung für alle Stakeholder ist“, erklärte das Unternehmen weiter.
Die Pläne für die Pipeline hatten erst vor wenigen Wochen einen weiteren Rückschlag erlitten, als der ungarische Öl- und Gaskonzern MOL unter Verweis auf die hohen Kosten mit dem Ausstieg aus dem Milliardenprojekt drohte. Dem „Spiegel“ zufolge wachsen auch bei RWE in Essen die Zweifel an der Realisierbarkeit des Projekts. Führende Manager hätten in den vergangenen Wochen bereits Politiker in Brüssel und Berlin darauf vorbereitet, dass ein Rückzug aus dem Konsortium unmittelbar bevorstehen könnte.
Zur Begründung hieß es auch hier, die ursprünglich geplanten Kosten hätten sich von rund acht auf etwa 15 Milliarden Euro inzwischen fast verdoppelt. Außerdem seien nach wie vor keine tragfähigen Gasverträge mit Aserbaidschan oder Turkmenistan in Sicht.
Explosion der Kosten befürchtet
Die Betreibergesellschaft hatte Ende April noch betont, die Kostenschätzung von acht Milliarden Euro habe weiterhin Gültigkeit. Die EU will sich mit dem Gas aus der Region um das Kaspische Meer unabhängiger von russischen Lieferungen machen. Neben RWE, OMV und MOL gehören noch die türkische Botas, BEH aus Bulgarien und die rumänische Tranzgas zu dem Konsortium.
Erst vor zwei Wochen betonte OMV-Chef Gerhard Roiss, dass er das Projekt Nabucco keineswegs gefährdet sehe. Er rechne damit, dass die Pipeline 2017 oder spätestens 2018 Gas nach Europa transportieren werde. „Wenn wir unsere eigenen großen Vorkommen im Schwarzen Meer sehen, dann wird das 2018, 2020 der Fall sein“, sagte Roiss.
Bereits im Juli will Aserbaidschan entscheiden, mit welchem Partner man Gas exportieren wird. Neben Nabucco verhandelt der staatliche Gas- und Ölkonzern Socar auch mit dem türkisch-aserbaidschanischen Transanatolischen Pipeline-Projekt (Tanap).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)