Arbeitsmarkt: Warum die Jungen keiner will

(c) AP (Daniel Ochoa de Olza)
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Jugendliche sind doppelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen wie Ältere. Weil sie schlecht ausgebildet sind, schneller gekündigt werden und weil Erfahrung mehr zählt.

Wien. Martin Werding hat das Problem täglich vor Augen. Der Arbeitsmarktexperte ist Professor an der Ruhr-Universität in Bochum. Das ist jene Stadt, die gerade um 3200Jobs bei Opel zittert. „In den Siebzigern waren 30.000Leute bei Opel beschäftigt“, erzählt Werding, der hier den Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen hat. Bochum ist ein Extrembeispiel. Und Deutschland gilt genauso wie Österreich in Sachen Arbeitslosigkeit als Vorzeigeland. Vor allem, was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft.

Andernorts ist es schlimmer: So warnt eine aktuelle UNO-Studie schon vor einer „verlorenen Generation“. Im März waren in der EU 5,5Millionen Jugendliche ohne Job, weltweit sind es 75Millionen. Die 50Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Spanien schockieren, obwohl sie seit Monaten bekannt sind. Der gigantische Bauboom nach der Jahrtausendwende führte dazu, dass viele Junge nicht die Ausbildung, sondern das schnelle Geld suchten. Als Hilfsarbeiter verdienten sie gut. Bis die Immobilienblase platzte. Die Auswirkungen sind frappant. In Spanien drängen 28,4Prozent der Jugendlichen nach der Pflichtschule auf den Arbeitsmarkt – im EU-Schnitt 14,1Prozent. „In Österreich sind es 8,3Prozent“, sagt Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice. Sein Credo: Das beste Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit ist eine gute Ausbildung.

Österreich ist keine Ausnahme

Laut Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist die Jugendarbeitslosigkeit fast immer mindestens doppelt so hoch wie die allgemeine. Das sei nicht nur in Europa so, sondern auch in Japan und den USA. Wie auch in Österreich. In manchen Ländern ist sie auch höher. Wie etwa im sozialen Musterland Schweden: Dort waren im März 22,8Prozent der unter 25-Jährigen ohne Job. In Österreich waren es 8,6Prozent.

Da dieser Wert ebenfalls doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosigkeit ist, sei Österreich dennoch kein Vorzeigeland, meint Brenke: „Es gibt keine Ausnahmen“, sagt er. Und vor allem: Es gibt keine Patentrezepte, um die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen. „Strukturelle Fehlentwicklungen sind kurzfristig nicht zu lösen“, sagt auch Werding. Wie wär's mit Arbeitszeitverkürzung? Das Modewort der 1970er wird wieder salonfähig. „Das hielte ich für gefährlich“, sagt Werding. Arbeitszeitverkürzung schaffe keine Jobs, sondern vernichte sie, weil Unternehmen abwandern.

Warum verlieren Junge leichter den Job als Ältere? „Die Firmen trennen sich zuerst von denen, die kein unersetzbares Humankapital sind“, sagt Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Erfahrung schlägt Jugend. „Nicht unbedingt“, sagt AMS-Chef Kopf. Viel wichtiger sei die psychologische Komponente. „Zuerst werden jene gekündigt, die die geringste Bindung an das Unternehmen haben: Ausländer, Zeitarbeiter, Junge.“ Und was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, mache Österreich einiges besser als andere Länder, betont er. Etwa die Lehrlingsausbildung. Die findet in den Betrieben statt und nicht in Schulen. „Damit sind die Jungen schon im Unternehmen, müssen nicht erst anklopfen“, sagt Kopf.

Auch sei der Kündigungsschutz in Österreich weit nicht so strikt wie in Spanien oder Italien. Dies sorgt dafür, dass Firmen eher bereit sind, neue Mitarbeiter fix anzustellen. Um in Italien Arbeitnehmer zu kündigen, prozessiert man jahrelang vor dem Arbeitsgericht. Bis zu 99Monate, berichtete jüngst die „Neue Zürcher Zeitung“.

Gescheit und trotzdem arbeitslos

Manche Phänomene sind auch für Wissenschaftler und Experten unerklärlich. Etwa, warum die Finnen Nummer eins bei der Pisa-Studie sind, aber fast 20Prozent Jugendarbeitslosigkeit haben. Auch das schwedische Beispiel kann niemand so recht erklären.

Ein Grund liegt in der Statistik: Die Jugendarbeitslosigkeit umfasst Menschen, die in der Regel schlecht qualifiziert sind. Denn mit 24Jahren ist kaum jemand mit dem Studium fertig – schon gar nicht im „Vorzeigeland“ Österreich. „Dass diese Gruppe eine hohe Arbeitslosigkeit hat, ist daher ganz normal“, meint Holger Schäfer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2012)

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