Nabucco ist tot, es lebe Nabucco West

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Die unter Führung der OMV geplante Gaspipeline dürfte in ihrer ursprünglichen Version endgültig Geschichte sein. Die Gründe dafür sind das EU-Recht und zu hohe Kosten.

Wien. „Die Ursprungsversion der Nabucco-Pipeline ist für uns vom Tisch.“ Mit diesen Worten sorgte BP-Manager Iain Conn am Freitag für Aufregung. Denn obwohl das Nabucco-Konsortium als auch die das Projekt unterstützende EU-Kommission darauf verweisen, dass es noch keine offizielle Absage gibt, haben die Worte des BP-Managers Gewicht. BP ist immerhin Konsortialpartner bei der Entwicklung des aserischen Gasfeldes „Shah Deniz 2“, das als entscheidender Gaslieferant für Nabucco und deren Konkurrenzprojekte gilt. Wie sieht nun die aktuelle Lage im kaspischen Gas-Poker aus? „Die Presse“ hat die Antworten:

1 Ist das Pipeline-Projekt Nabucco jetzt wirklich tot?

Ja. Zumindest, wenn damit das Ursprungsprojekt gemeint ist, das von der türkisch-georgischen Grenze bis zum Gasknoten Baumgarten in Niederösterreich führen sollte. Denn bei der Strecke durch die Türkei wird mit ziemlicher Sicherheit die Pipeline Tanap zum Zug kommen, die von der Türkei und Aserbaidschan gebaut werden soll. Da an dieser Pipeline der aserische Gaskonzern Socar beteiligt ist, gibt es auch schon konkrete Zusagen für Gaslieferungen – etwas, was allen anderen Projekten noch fehlt. Nabucco dürfte nur noch in der gekürzten Form „Nabucco West“ ab der türkisch-bulgarischen Grenze Chancen haben.

2 Warum bauen Aserbaidschan und die Türkei nun selbst eine Pipeline?

Der Grund dafür ist das EU-Recht. Dieses schreibt nämlich vor, dass Infrastruktur nicht nur den Errichtern zur Verfügung stehen darf, sondern zum Teil auch für alternative Anbieter geöffnet werden muss. Die Konsortialpartner von Nabucco können daher nicht die volle Kapazität für eigene Gaslieferungen verwenden. Da die Türkei und Aserbaidschan nicht Teil der EU sind, wollen sie sich dieser Regelung nicht unterwerfen und bauen auf ihrem eigenen Territorium die Pipeline daher selbst.

3 Welche Konkurrenz gibt es für die verkürzte Nabucco West?

Für die Leitung des Gases von der türkisch-bulgarischen Grenze nach Westeuropa gibt es drei Konkurrenten. Die Pipeline TAP will das Gas über Griechenland nach Süditalien bringen, Nabucco West und Seep über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Baumgarten. Letztere ist jedoch keine wirkliche Pipeline, sondern der Ausbau und die Verbindung bereits bestehender Netze. Dies soll vor allem Kosten sparen – konkrete Summen werden jedoch von keinem Projekt genannt. Hinter Seep steht BP selbst, da die Briten mehrmals die zu hohen Kosten von Nabucco kritisiert haben. Allerdings ist Seep noch im Anfangsstadium, bei Nabucco gibt es bereits fertige Planungen und bindende Verträge der betroffenen Länder. Im Juni soll eine Entscheidung zwischen Nabucco West und Seep getroffen werden, im kommenden Jahr folgt dann das Stechen zwischen dem Sieger und der TAP.

4 Stimmt die Grundidee hinter Nabucco noch?

Ja. In der Region des Kaspischen Meeres liegen riesige Gasvorkommen, die derzeit noch kaum gefördert werden. Der Transportweg nach Europa ist kürzer als jener aus Sibirien, von wo Mitteleuropa heutzutage den Großteil seines Gases geliefert bekommt. Neue Lieferländer würden die Abhängigkeit von Russland deutlich verringern. Zudem wird der Gasbedarf Europas in den kommenden Jahrzehnten steigen, da etwa Länder wie Deutschland aus der Atomkraft aussteigen wollen und Erneuerbare diese Lücke nicht so schnell füllen können.

5 Welche Rolle spielen Russland und der Iran bei der Sache?

Russland fürchtet um seine Stellung als wichtigster Gaslieferant Europas und versucht daher, jegliche Alternativprojekte zu torpedieren. Dies erfolgt vor allem durch Druck auf Länder wie Aserbaidschan oder Turkmenistan, die derzeit ihr Gas nur über Russland exportieren können. Daher sind diese Länder auch mit Zusagen für bislang nur geplante Alternativen zum Transport über Russland vorsichtig. Zudem gibt es einen völkerrechtlichen Streit darüber, ob die Kaspische See ein Meer oder ein See ist. Bei Letzterem hätten Russland und der Iran bei Pipelines ein Mitspracherecht. Der Iran gilt zwar selbst als potenzieller Gaslieferant für Europa. Dazu müsste es zuvor aber einen Regimewechsel geben.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)

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