Facebook: Vorsicht, Chef liest mit

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Die Wirtschaftskammer will Tachinierer künftig via Facebook entlarven. Firmen dürfen ihre Angestellten im Internet aber nicht nach Herzenslust bespitzeln, sagen Rechtsexperten. Systematische Kontrolle ist verboten.

Alkohol ist grausam“, ließ eine Linzer Kellnerin ihre Facebook-Freunde nach einer durchzechten Nacht wissen und lieferte die Beweisfotos gleich mit. Die Wirtschaftskammer Oberösterreich ist es auch. Denn an dem Tag, als die verhängnisvolle Party stattfand, war die Kellnerin eigentlich im Krankenstand. „Vorsätzlicher Betrug am Arbeitgeber“, befand Österreichs größte Interessenvertretung und brachte den Fall in die Medien. Regelmäßig wolle man künftig derartige „Tachinierer“ via Facebook entlarven, kündigte der oberösterreichische WKÖ-Präsident Rudolf Trauner an.

Das wirft die Frage auf: Wie privat ist Facebook? Und was darf ein Arbeitgeber mit den Informationen über seine Angestellten anfangen, die er dort findet? Stolpersteine gibt es für die über 800 Millionen Mitglieder des weltgrößten digitalen Netzwerks genug. Wer sich dort unbeobachtet fühlt und seinem Unmut über Chef, Job und Firma freien Lauf lässt, riskiert schon einmal eine fristlose Entlassung. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist größer denn je. Denn Firmen lieben Facebook als Informationsquelle.


Firmen fordern Facebook-Passwort. Jedes dritte US-Unternehmen im Finanzbereich durchleuchtet seine Bewerber routinemäßig nach Spuren im Internet, so eine Umfrage des US-Personaldienstleisters Robert Half. Einige Firmen und Behörden in den Vereinigten Staaten gehen mittlerweile einen Schritt weiter: Sie fordern nicht nur den Facebook-Namen, sondern auch das Passwort der angehenden Mitarbeiter, um auch dort schnüffeln zu können, wo sonst nur Freunde und Bekannte Zutritt haben.

Darf ein Arbeitgeber auch in Österreich so tief in das digitale Leben seiner Mitarbeiter eindringen und Kompromittierendes auch gegen seinen Mitarbeiter verwenden? „Grundsätzlich steht es jedem offen, Informationen aus Facebook zu verwerten“, sagt Thomas Angermair, Arbeitsrechtler bei Dorda, Brugger, Jordis. Ebenso gut hätte die Information schließlich über einen Kollegen bis zum Chef dringen können. Bei konkreten Verdachtsfällen ist es sogar erlaubt, einen Detektiv zu beauftragen oder eben nachzusehen, was die Person so auf Facebook postet. „Wenn aus den Facebook-Einträgen ein Grund für eine fristlose Entlassung ersichtlich wird, dann ist das eben so“, sagt Jakob Widner, Datenschutz- und Arbeitsrechtsexperte bei Graf & Pitkowitz.

Aber: Nicht für jeden Angestellten ist akribisch dokumentiertes Komasaufen ein gleich großes Problem. Wer Privatbanker ist und sich auf seinem Facebook-Profil regelmäßig im Vollrausch zur Schau stellt, muss durchaus mit einer Kündigung rechnen. Mit seinem Job ist das Verhalten nicht vereinbar. Eine Kellnerin hätte da sicher bessere Argumente. Auch im Krankenstand sind Partys übrigens nicht prinzipiell verboten. Lediglich dann, wenn sie der Genesung abträglich sind.


Bei Freunden darf man lästern. Kritisch wird es dann, wenn es um Rufschädigung im Internet geht. Im Grunde gilt auch hier: Steht Verhängnisvolles im Internet geschrieben, reicht es oft für eine Kündigung. Manches ist aber selbst auf Facebook privat, urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich. Im konkreten Fall hatte ein deutsches Unternehmen eine Schwangere gekündigt, weil sich diese auf Facebook über einen Kunden ausgelassen hatte. Dort, wo nur Freunde und Bekannte Einblick haben, sei das aber erlaubt, so das Urteil. Öffentliche Meldungen können Mitarbeitern jedoch schnell zum Verhängnis werden.


Mein Freund, der Chef. In Österreich sehen Experten die Rechtslage nicht so klar. Wer seinen Chef beleidigt, kommt schon in Schwierigkeiten, wenn eine qualifizierte Öffentlichkeit davon erfährt. 150 Onlinefreunde sind in jedem Fall zu viel. Prinzipiell ist es immer dann ein Problem, wenn man damit rechnen muss, dass der Betroffene davon Wind bekommt. Also etwa bei jenen fast 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer, die sich laut Umfrage vorstellen können, mit ihrem Vorgesetzten auf Facebook befreundet zu sein. Bleibt die Rufschädigung im privaten Bereich der Seite, ist eine fristlose Entlassung aber auch dann schwer durchzusetzen, wenn sie der Betroffene lesen kann, sagt Angermair. „Dummheit allein reicht in der Regel nur für eine Kündigung.“ Eine klare Abfuhr erteilen Juristen der Idee, Facebook systematisch nach Drückebergern zu durchforsten.


Menschenwürde verletzt. Ähnlich wie bei der Überwachung am Arbeitsplatz benötigt der Arbeitgeber dafür zumindest die Zustimmung des Betriebsrates. Und zwar schon dann, wenn die Chefsekretärin alle zwei Wochen über die Profile der Mitarbeiter schaut. Diese Art der „Dauerüberwachung“ verletze vermutlich sogar die Menschenwürde, sagt Widner. Dann würde auch das O. K. vom Betriebsrat nichts helfen. Die systematische Kontrolle bliebe verboten.

Zumindest für Arbeitgeber. Anderen sind da weniger Fesseln angelegt. Die Wirtschaftskammer kann nach Lust und Laune in den privaten Profilen ihrer Facebook-Freunde stöbern. Solange sie noch welche hat.

Drückeberger?

12,9 Tage waren unselbstständig Beschäftigte in Österreich 2010 durchschnittlich im Krankenstand. Mehr als nötig, sagt die Wirtschaftskammer Oberösterreich und will „Tachinierern“ via Facebook auf die Schliche kommen. Rechtsexperten halten eine systematische Kontrolle allerdings für bedenklich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)

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