„Vergiss nicht, dass du Deutsche bist“

Reportage. Tradition wird von den Mitgliedern der deutschnationalen Mädelschaft Freya groß geschrieben. Die Mitglieder wollen dennoch mehr sein als Heimchen am Herd. Und schaffen das. Sagen sie.

Die Mädelschaft Freya ist deutsch-national. Und das zeigt sie auch. Zwei gekreuzte schwarz-rot-goldene Fahnen sind an die Holzwand genagelt in ihrem kleinen, stickigen Vereinslokal in der Fuhrmannsgasse im achten Wiener Gemeindebezirk. Es ist eng. Rund ein Dutzend Frauen und Mädchen sind an diesem Abend bei der Kneipe von Wiens erster „national-freiheitlicher Studentinnenverbindung“ dabei. Im Hintergrund hört man das Rascheln von Chips- und Schnittenpackungen, als Veronika, stellvertretende Sprecherin der Freya, den Abend eröffnet. Er steht unter dem Motto „Deutsche Sprache“. Zufällig, wie Ulrike betont, man behandle in den Kneipen die verschiedensten Themen.

Heute hält sie ein Impulsreferat über die „Verlotterung der deutschen Sprache“. Wie zur Rechtfertigung zitiert sie dabei wiederholt den „Spiegel“. Dann treten bei Sprachspielen zwei Mitglieder gegeneinander an. Zuerst die Mädels, dann die Hohen Frauen.

Strenge Hierarchie

Wie eine Burschenschaft ist auch die Freya streng hierarchisch strukturiert. Conkneipantin – Fäh – Mädel – Hohe Frau. Um von der Fäh (der Jungstudentin) zum Mädel aufzusteigen, muss man die „Mädelprüfung“ ablegen. Dabei wird man geprüft, was man in den Schulungen gelernt hat: Allgemeinbildung, Philosophie und Psychologie, Organisation und Rhetorik. Erst dann hat man Stimmrecht im Verein – und auch die Pflicht, sich aktiv zu engagieren. Etwa Projekte zur Unterstützung der „Altösterreicher in den ehemaligen Monarchiegebieten“ zu organisieren, wie das langjährige Mitglied Ulrike im Gespräch mit „UniLive“ schildert.

„Die Mädelschaft ist eine „Lebensgemeinschaft“, erklärt Alwine. Eine Conkneipantin – so heißen Mitglieder, die noch nicht studieren – greift das im Pantomime-Spiel auf: Freya bis zum Tod. Dann schnappt sie sich einen der Buntstifte aus dem leeren Dixie-Zuckerlglas in der Tischmitte und schlägt das Stammbuch auf. „Diskussionsabend Südtirol“ steht da, vor „Semesterabschluss“. Das pummelige Mädchen malt die daneben gezeichnete Flagge an. Schwarz-rot-gold.

Wie eine Schärpe haben sie und jede andere Frau ein schmales Band um den Oberkörper geschlungen – in den Farben der Bundesrepublik. Es sind gleichzeitig die Verbindungsfarben der Freya, die damit auf das Couleur der Ur-Burschenschaft zurückgreift, die während der Befreiungskriege gegen Napoleon gegründet wurde. „Und natürlich auch als Zeichen unserer kulturellen Zugehörigkeit“, sagt Ulrike.

Politische Korrektheit „nicht gut“

„Für Ehre, Freiheit, Vaterland!“ – Auch den Leitspruch der deutschnationalen Burschenschaften hat die Freya übernommen. Was das bedeutet? „Ehre heißt, niemanden übers Ohr zu hauen, sich nichts zu Schulden kommen zu lassen und konsequent zu sein“, erklärt Alwine. Freiheit, „das höchste Gut“, sei nie etwas Selbstverständliches und müsse daher verteidigt werden. „Politische Korrektheit und das Wort im Mund umdrehen – das sind Tendenzen, die wir nicht gut finden.“ Man solle wirklich alles sagen dürfen, ohne dafür vielleicht eingesperrt zu werden.

Beim Begriff Heimat betont man in der Freya die Zugehörigkeit zur deutschen Kulturgemeinschaft; diese sei, so Alwine, kulturhistorisch bedingt.

Wien sei über Jahrhunderte die Hauptstadt des Deutschen Reiches gewesen und habe daher dessen Kultur geprägt. Diese Kultur sei daher auch Teil der Kultur wie Freya sie verstehe, so ein Freya-Mitglied im „UniLive“-Gespräch. „Maria Theresia hat zu ihrer Tochter gesagt: ,Vergiss nicht, dass du eine Deutsche bist.‘ Und Kaiser Franz Joseph hat gesagt: ,Ich bin ein deutscher Fürst.‘“

Die gemeinsamen ideologischen Werte sind in der Freya ein wichtiger Grund für den Zusammenhalt. Parteipolitisch ist die Freya aber unabhängig, betont Ulrike. „Das ist ganz allein die Meinung der einzelnen Mitglieder.“

Dennoch: Die Dichte an FPÖ-Funktionärinnen ist auffallend hoch an diesem Abend. Allein vier Bezirksrätinnen sind unter den Anwesenden, die gekommen sind um zu diskutieren – und zu singen. „Singen ist einfach etwas Schönes, das wird heute glaub ich leider zu wenig gemacht. Aber wir singen alle miteinander noch sehr gerne“, betont Ulrike. „Kein schöner Land“ wird angestimmt und dann „Gaudeamus igitur“.

Selbstbewusste Frauen

„Diejenigen, die den Weg zu uns finden, sind sehr selbstbewusste Frauen“, erzählt Alwine. Heimchen am Herd braucht die Freya keine. Vielmehr sollen Mädchen lernen, sich durchzusetzen, „gefestigte Persönlichkeiten“ werden. Um Starthilfe für die Karriere geht es ihnen weniger. Dafür sind die Studienrichtungen der jungen Frauen zu unterschiedlich und ist die Gruppe insgesamt zu klein.

29 Mitglieder von 16 bis 66 Jahren zählt die Freya aktuell. Helena Pleinert, eine der Gründerinnen, ist nicht mehr dabei. Ist die Mädelschaft also doch keine Lebensgemeinschaft? „Das ist so eine alte Geschichte, die wollen wir jetzt nicht ausgraben“, sagt Ulrike, und damit ist das Thema für sie durch.

Hitzige Diskussionen gibt es an diesem Abend keine. Bei brisanten Themen fangen sie lieber an zu singen. „Die Gedanken sind frei“, beginnt Veronika und alle stimmen mit ein „Wer kann sie erraten?“

Inline Flex[Faktbox] SO WIRD MAN MÄDEL("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2007)

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