Noch haben wir die Stagnation nicht hinter uns

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Nach einem nachhaltigen Aufschwung sehen die Konjunkturprognosen leider noch nicht aus. Dazu müsste jetzt die Wirtschaftspolitik die verbesserte Unternehmerstimmung nützen und den entscheidenden Wachstumskick liefern.

Die frohe Botschaft liefern uns dieser Tage die Konjunkturprognostiker: Das Bruttoinlandsprodukt wird heuer und 2017 deutlich stärker steigen als in den vergangenen Jahren. Allerdings weniger stark, als dieselben Prognostiker noch im Frühherbst vorausgesagt haben. Aber das lassen wir einmal unter den Tisch fallen, man will ja nicht die Party ruinieren. Die Frage lautet: Ist das jetzt der lang ersehnte Aufschwung, der uns aus dem Krisenjammertal führt? Und die Antwort lautet: Leider nein, ist er nicht. Es ist freilich ein Impuls, den man nutzen sollte, um die Wirtschaft wirklich nachhaltig in Schwung zu bringen. Dazu sind aber nicht nur in Österreich wirtschaftspolitische Maßnahmen notwendig, die weit über die üblichen, auf Pump finanzierten Konjunkturprogramme für die Bauwirtschaft hinausgehen.

Davon gehen aber auch die Wirtschaftsforscher offenbar nicht aus. Denn die Mittelfristprognosen sehen ja so aus, dass das Wachstum ungefähr auf dem jetzt erreichten Niveau verharren wird. Das ist aber eindeutig zu wenig.

Für heuer müssen wir zusätzlich ein wenig relativieren: Rund eineinhalb Prozent Wachstum sehen im Vergleich mit den vergangenen Jahren recht passabel aus. Allerdings ist seit dem Vorjahr auch die Bevölkerung durch die zwischenzeitig völlig unkontrollierte Einwanderung um mindestens 1,2 Prozent gewachsen. Auf die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung heruntergebrochen wird aus dem erfreulichen BIP-Wachstum so gesehen schnell eine gehobene Form von Stagnation. Und das trotz der kurzfristig konsumbelebenden Wirkung der Steuerreform.

Man kann die Diagnose „Stagnation“ auch sehr schön mit den Sozialstatistiken untermauern: Steigende Arbeitslosen- und Mindestsicherungsbezieherzahlen sind nun einmal nicht das klassische Merkmal eines Aufschwungs.

Schleichende Entindustrialisierung auch nicht: Wer die Wirtschaftsnachrichten der vergangenen Monate verfolgt hat, der sieht, dass große österreichische Unternehmen gar nicht so wenig investieren. Aber sie tun das, von der Voestalpine bis zu Lenzing, überwiegend anderswo. Das wird seine Gründe haben. Unter anderem solche der Standortqualität. Das sollte uns extrem beunruhigen, denn der Produktionssektor ist immer noch das Rückgrat der heimischen Wirtschaft.

Immerhin: Die Stimmung in der Wirtschaft ist (im Gegensatz zu jener der Bevölkerung) schon lang nicht mehr so gut wie jetzt. Eine gute Basis, um dem Noch-nicht-Aufschwung den entscheidenden Impuls zugeben. Das setzt aber einiges voraus:
• Ein Standortpaket aus echten Verfahrensvereinfachungen, Bürokratieerleichterungen und Steueranreizen, das es Industrieunternehmen wieder erlaubt, Erweiterungsinvestitionen in Österreich in Betracht zu ziehen und damit Arbeitsplätze ins Land zurückzuholen.
• Eine Gewerbeordnungsreform, die den Zugang zum Unternehmertum erleichtert und die exkludierende Zunftstruktur des KMU-Bereichs zerschlägt. Da hat es bisher leider nur völlig unzureichende kosmetische Reformen gegeben.
• Eine Entrümpelung der Sozial-, Arbeits- und Steuergesetzgebung, die es Jungunternehmern ermöglicht, den größeren Teil ihrer Zeit ihrer Geschäftsidee zu widmen, statt sich mit der Krankenkassa und der Finanz herumzuschlagen.
• Eine Immigrationspolitik, die die völlig aufgehobene Trennung zwischen Asyl und Zuwanderung wiederherstellt und für Zuwanderer (das war übrigens der größere Teil der vorjährigen Fluchtwelle) strikte Qualifikationskriterien nach kanadischem oder australischem Muster festlegt.
• Eine Bildungspolitik, die dafür sorgt, dass Schulabgänger ein realistisches Wirtschaftsbild bekommen, und die nicht schon Volksschülern einbrennt, dass überall am Wegesrand böse Konzerne lauern, während die gute Wirtschaft darin besteht, dass der Bauer im Märzen die Rösslein einspannt.
• Eine Sozialpolitik, die dafür sorgt, dass sich Arbeit auch für weniger Qualifizierte lohnt.

Das alles kostet natürlich Geld – unter anderem wegen notwendiger flankierender steuerlicher Maßnahmen. Der Spielraum dafür muss natürlich mit den üblichen, stets aufgeschobenen Reformen (Verwaltung, Föderalismus, Pensionen, Gesundheit etc.) geschaffen werden, weshalb es wohl auch nicht mehr als ein Wunsch ans Christkind ist.

Aber es bleibt dabei: Wenn der Mikroaufschwung, den wir gerade erleben, zur Konjunkturwende werden soll, dann muss die derzeit besser werdende Stimmung in der Wirtschaft für einen echten Reformimpuls genutzt werden. Wenn sich die Herren Kern und Mitterlehner im Jänner für ein neues Regierungsprogramm zusammensetzen, sollten sie deshalb versuchen, einmal ein wirklich großes Rad zu drehen. Mit der üblichen Kleinkosmetik, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, kommen wir ja ganz offensichtlich nicht weiter.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2016)

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