Verbund: Eine Milliarde und kühne Versprechungen

Verbund Wasserkraftwerk
Verbund Wasserkraftwerk(c) Eduard Aldrian (Eduard Aldrian)
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Vor zwei Jahren boxte die ÖVP nach langem Streit eine Kapitalerhöhung für den Verbund-Konzern durch. Ihr Argument: Es gehe um Investitionen in die Wasserkraft. Jetzt stellt sich heraus: Das war ein bissl geflunkert.

Ein Braunkohlekraftwerk in der Türkei. Es wird in Tufanbeyli, in der Provinz Adana, errichtet. Seit etwas mehr als einem Jahr wird daran gebaut, Mitte 2015 soll es fertig sein. Dann sollen rund 2,6 Terawattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden.

Ein Braunkohlekraftwerk in der Türkei. Und Österreichs Stromkonzern Verbund hat enormen Erklärungsbedarf. Das Kraftwerk wird nämlich von der türkischen EnerjiSA errichtet. Und an dem Unternehmen halten die Österreicher seit dem Jahr 2007 die Hälfte.

Gut fürs Geschäft, weniger gut für die politische Stimmung hierzulande. Prompt hat die grüne Energiesprecherin Christiane Brunner eine parlamentarische Anfrage eingebracht. Tenor: Wie geht das Investment mit Versprechungen des Verbund-Konzerns vom Jahre 2010 zusammen?

Rückblick also in das Jahr 2010. Auch damals ging es rund. Dabei hatte alles relativ harmlos begonnen: Am 30. Juni 2010 luden der damalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber zu einer Pressekonferenz ein. Anlass waren die Zukunftspläne des größten Stromkonzerns des Landes. Eine Kapitalerhöhung wurde angekündigt – und zwar im Ausmaß von einer Milliarde Euro. Es gehe um wichtige energiepolitische Maßnahmen, hieß es dort, auch um die Werterhöhung des Unternehmens. Mit dem Geld werde der Verbund nämlich den Ausbau der Wasserkraft vorantreiben. Wasserkraft sei die einzige wirtschaftlich darstellbare Form von erneuerbaren Energien. „Verbund bekommt Geld für Wasserkraft“, titelten die Medien also folgerichtig.

Doch der hehre Plan sollte schwer zu realisieren sein. Was daran liegt, dass der Verbund zu 51 Prozent der Republik Österreich gehört. Will diese ihren Anteil am Unternehmen wahren, muss sie also bei einer Kapitalerhöhung mitziehen. In diesem Fall bedeutete das Kosten für die Republik in Höhe von 510 Millionen Euro. Und dazu braucht es den Segen der gesamten Regierung.

Prompt legte sich namens der SPÖ Verkehrsministerin Doris Bures quer. Sie sei gegen „punktuelle Kapitalerhöhungen“ bei einzelnen Staatsunternehmen, teilte sie mit. Eine schöne Formulierung dafür, dass sie so etwas wie politische Gerechtigkeit walten lassen wollte. Nach dem Motto: Wenn der Verbund-Konzern, der zum „schwarzen“ Wirtschaftsministerium ressortiert, Geld bekommt, dann bitte schön auch die ÖBB, die zu ihrem „roten“ Ministerium gehören.

Und schon war ein herrlicher Streit losgetreten. Gedauert hat er schließlich Monate. Zweimal musste das Thema Verbund-Kapitalerhöhung von der Tagesordnung des Ministerrates genommen werden – wegen Aussichtslosigkeit des Unterfangens. Und so zementierten sich beide Seiten ein: Die SPÖ forderte stereotyp Geld für die ÖBB, die ÖVP argumentierte ebenso mantramäßig, dass es um die Zukunft der Wasserkraft gehe.

Dem Wasserkraftargument kann sich auf Dauer natürlich keiner verschließen, und so wurde am 31. August die große Einigung gefeiert: Der Ministerrat gab grünes Licht für die Kapitalerhöhung, die schlussendlich im November erfolgte. Und Finanzminister Pröll frohlockte: „Mit diesem Schritt fördern wir den Ausbau von sauberen Energieformen und setzen ein klares Bekenntnis zur Wasserkraft.“

Tatsächlich? Oder wurde mit dem Wasserkraftargument seinerzeit ein wenig geflunkert, um die Gegner der Kapitalerhöhung gefügig zu machen? Was passierte mit dem Geld, das dem Verbund zugeführt wurde, wirklich?

Für die grüne Energiesprecherin Brunner ist klar: Ein Gutteil des Geldes wurde mitnichten in Wasserkraft (gegen die die Grünen freilich auch gern zu Felde ziehen), sondern in thermische Kraftwerke investiert. Nicht nur in das türkische Braunkohlekraftwerk, sondern auch in Italien und in Frankreich, wo der Verbund Beteiligungen hält. Dort wurden mehrere Gaskraftwerke in Betrieb genommen. Nicht zu vergessen das steirische Gaskraftwerk Mellach, das heuer ans Netz gegangen ist. Der Bau kostete 550 Millionen Euro.

Das klingt nach neuerlichem Ärger. Verbund-Chef Anzengruber, dem die Aufregung des Jahres 2010 wohl noch in den Knochen sitzt, relativiert daher: „Wir sind erst im Jahre 2007 in das türkische Unternehmen EnerjiSA eingestiegen. Und da war das Braunkohleprojekt bereits fixer Teil des Portfolios.“ Die Türkei habe massives Interesse an der Nutzung einheimischer Kohle – der Verbund halte Verträge selbstverständlich ein. Im Übrigen würden die Österreicher bei der Umsetzung des Projekts sehr darauf achten, „dass die modernste und umweltschonendste Technologie zum Einsatz kommt“.

Anzengruber legt auch höchsten Wert darauf, dass sein Unternehmen nicht direkt in das Kraftwerk Tufanbeyli investiert hat. „Ein kleiner Teil der Kapitalerhöhung“ sei lediglich in das Eigenkapital der Türkei-Beteiligung geflossen. Das gelte auch für andere thermische Kraftwerke im Ausland.

Weit konkreter, was Zahlen betrifft, ist der Verbund bei der generellen Aufschlüsselung der Mittelverwendung aus der seinerzeitigen Kapitalerhöhung: Von 2010 bis ins laufende Jahr seien in Österreich Projektinvestitionen im Ausmaß von rund 1,7 Milliarden Euro getätigt worden, heißt es. Davon seien 830 Millionen in den Ausbau erneuerbarer Energie (Wasser, Wind) geflossen. Rund 400 Millionen seien in dem Zeitraum für das (thermische) Gaskraftwerk Mellach benötigt worden. 430 Millionen wurden in den Ausbau des Stromnetzes investiert.

Wobei der Vollständigkeit halber angeführt werden muss: Im Osten von Klagenfurt war noch ein Gasdampfkraftwerk um 330 Millionen geplant. Doch das wurde im April vom Umweltsenat wegen Unzumutbarkeit für die Anrainer abgelehnt. Womit das Projekt, das eher nicht in die Kategorie Wasserkraft fällt, vorerst vom Tisch ist.

Unschwer zu erkennen also: Das seinerzeitige Argument Wasserkraft ist ein dehnbares. Und es zeigt sich (wieder einmal), dass tollkühne politische Versprechungen mit der harten wirtschaftlichen Realität eher schwer unter einen Hut zu bringen sind.

Verbund-Chef Anzengruber ist jetzt jedenfalls sehr bemüht, versöhnliche Töne anzuschlagen: In den Kernmärkten Österreich und Deutschland werde nur noch in erneuerbare Energie sowie in den Ausbau des Netzes investiert. Und das mit der Türkei ist halt nicht mehr zu ändern. „In Europa“, betont Anzengruber, „wird der Verbund kein neues Kohlekraftwerk mehr bauen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2012)

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