Zielpunkt: Erbschaftsstreit in Wien-Aspern

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bei den Filialen des insolventen Zielpunkt haben Billa und Spar als Käufer zugeschlagen. Doch jetzt gibt es Streit, eine Besitzstörungsklage und Prozesse ohne Ende.

Er ist ein Mann, der keine Auseinandersetzung scheut. Es ist ja auch ein denkbar hartes Geschäft, in dem Gerhard Drexel tätig ist. Seit 26 Jahren ist er Chef des Lebensmittelhändlers Spar. Die Konkurrenz ist hart, die rechtlichen Bedingungen ebenso – da muss man schon kämpfen, um bestehen zu können. Und Drexel kämpft. Seine Devise – sich nichts gefallen zu lassen – ist über die Jahre zur Spar-Devise geworden.
Seit einigen Monaten tritt Drexel beispielsweise lautstark gegen TTIP auf, das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA. Ganz im Gegensatz zu seinem größten Konkurrenten, Rewe-Boss Frank Hensel, der die Sache deutlich entspannter sieht. Aber unterschiedliche Meinungen gehören zum Wettbewerb, keine Frage. Und sich zu arrangieren ist Drexels Sache nicht.
Das führt bisweilen auch dazu, dass der Spar-Chef Streitigkeiten vor Gericht ausgetragen lässt. In den vergangenen Jahren waren die Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen voll mit Berichten über den Konflikt, den Spar und die Grazer Shoppingcity Seiersberg vor Gericht austrugen. Zuerst hatte das Einkaufszentrum mit allerlei Klagen von Vereinen zu kämpfen – etwa wegen Raumordnungsbestimmungen. Hinter den Klagen wurde in Wahrheit Spar vermutet, Seiersberg klagte daraufhin, quasi als Retourkutsche, Spar – weil der Konzern seine Bilanzen nicht veröffentlichte.

Oder die Sache mit der Bundeswettbewerbsbehörde. Die hatte vor Jahren Preisabsprachen der Handelsketten mit Lieferanten gewittert. Rewe (unter anderem Billa und Merkur) einigte sich mit den Wettbewerbshütern im Mai 2013 außergerichtlich auf eine Bußgeldzahlung in Höhe von 20,8 Millionen Euro. Gerhard Drexel wehrte sich und ließ die Sache vom Kartellgericht entscheiden. Das brummte Spar zunächst eine Strafe von drei Millionen Euro auf. Doch Drexel war das immer noch zu viel. Er bestand darauf, bis zum Höchstgericht zu gehen. Die Sache endete mit einer Rekord-Strafe von 30 Millionen Euro.
Sich nichts gefallen zu lassen hat also bisweilen einen hohen Preis. Aber Gerhard Drexel ist keiner, der deswegen vor der Justiz in die Knie ginge. Oder weicher würde. Ganz im Gegenteil. Denn jetzt ist schon wieder was passiert.
Vor wenigen Tagen hat Spar einen Prozess gegen Zielpunkt-Masseverwalter Georg Freimüller verloren. Und ist in erster Instanz – nicht rechtskräftig – wegen Besitzstörung verurteilt worden.

Der „Presse“ liegen der entsprechende Endbeschluss von Richterin Alexandra Kast sowie sämtliche Verhandlungsprotokolle vor. Sie lesen sich recht abenteuerlich.
Der Reihe nach: Der Diskonter Zielpunkt ist bekanntlich Ende November 2015 in die Pleite geschlittert. Wenige Tage später wurde Freimüller als Masseverwalter eingesetzt. Der machte sich flugs – gemeinsam mit Berater Deloitte – daran, die Filialen zu verkaufen. Die Interessenten mussten allerdings vorher eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, sofern sie Einsicht in den Datenraum nehmen wollten. Wesentlich dabei: Sie durften für jene Filialen, für die sie keinen Zuschlag erhielten, nicht eigenhändig Verhandlungen mit Vermietern des Standortes führen.
Freimüller konnte zufrieden sein: Das Interesse an den Zielpunkt-Filialen war groß. Schlussendlich – nachdem Kartellgericht und Wettbewerbsbehörde ihr Okay gegeben hatten – wurden 27 Filialen Spar zugesagt. Rewe kam auf 25, von denen 21 zu Billa-Filialen werden sollten.
Eine davon: die Zielpunkt-Filiale in Wien-Aspern. Adresse: Biberhaufenweg 18A. Für die war Billa Bestbieter. Mit Kaufvertrag vom 15. Februar verkaufte Freimüller also den Filialbetrieb an Billa.

Und damit erfolgte der Startschuss für Reibereien der gröberen Sorte. Offenbar hat der Standort Aspern für den Lebensmittelhandel eine besondere Anziehungskraft. Jedenfalls will Spar gleich nach der Zielpunkt-Pleite Verhandlungen gestartet und den begehrten Standort per 17. Februar übernommen haben. Und das geht so: Alleineigentümer der Liegenschaft ist die Stadt Wien. Diese hat schon vor Jahren das Grundstück an die Reicher Projektentwicklung GmbH vermietet. Diese wiederum hat auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet, das sie an Zielpunkt vermietete (Superädifikat).
Spar hat sich also mit der Firma Reicher geeinigt und das Gebäude erworben. Billa hingegen hat im Zuge des Verwertungsverfahrens den Filialbetrieb vom Masseverwalter per Kaufvertrag übernommen.
Eine höchst vertrackte Situation. Da aber Masseverwalter Georg Freimüller für die Verwertung der Filialbetriebe zuständig ist, sollten die Dinge den von ihm vorgesehenen Verlauf nehmen – und in der Übergabe an Billa münden: Nach Abschluss des Kaufvertrags wurden in der Filiale also Elektriker in Billas Auftrag tätig. Es waren Vorbereitungen für den 29. Februar 2016 – jenen Tag, an dem die Übergabe der Filiale an Billa erfolgen sollte.
Sie kam nicht zustande. Am 28. Februar, zwischen 22 Uhr und Mitternacht, hatte Spar dort die Schlösser austauschen lassen. Mithilfe von Sicherheitspersonal wurden Billa-Mitarbeiter am nächsten Tag daran gehindert, das Gebäude zu betreten. In der Ladezufahrt durften sie ein Fahrzeug mit großem Spar-Logo bestaunen.

Seitdem wird prozessiert. Masseverwalter Freimüller und Billa als Käufer des Standortes haben Klage eingebracht, sie werden von Rechtsanwalt Wolfgang Vanis vertreten. Die Kanzlei Fellner Wratzfeld & Partner ist für Spar tätig. Drei Verhandlungstermine mit einer Dauer von insgesamt 7,5 Stunden waren dafür bisher am Bezirksgericht Donaustadt notwendig.
Ob's weitergeht, ob Spar also gegen den Endbeschluss Rekurs einlegen wird, ist noch nicht entschieden. Dafür wird anderweitig prozessiert. „Der Masseverwalter versucht, gerichtlich über eine Immobilie zu verfügen, die in unserem Eigentum steht“, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Am 14. März hat Spar deswegen Klage eingereicht. Dass Spar in der Causa Besitzstörung eine erste Niederlage hinnehmen musste, wird im Handelskonzern nicht so tragisch gesehen. „Das ist nur ein Nebenschauplatz“, sagt die Sprecherin.
Eine Meinung, an der konsequent festgehalten wird. Im Endbeschluss der Richterin vom 13. April wird Spar aufgefordert, die begehrte Filiale „samt sämtlichen Schlüsseln für alle Türen und Tore dieses Betriebsgebäudes binnen drei Tagen der erstklagenden Partei (dem Masseverwalter, Anm.) zu übergeben.“
Laut Anwalt Wolfgang Vanis ist dies bis Freitag nicht passiert.

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