Kampf um den Rechnungshof

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Es wird die erste große Weichenstellung der Regierung Kern: Ein neuer Rechnungshof-Präsident steht an. Es dürfte eine Frau werden. Mit Unterstützung von ÖVP und FPÖ.

Jetzt kommt Bewegung rein. Christian Kern ist da, und in einer ganzen Reihe von roten Ministerien sind die Übersiedlungskartons bereits bestellt. Vermutlich können sie kurze Zeit später auch an ein paar schwarze Kollegen weitergereicht werden.
Mit Sicherheit werden die Koffer anderswo schon bald gepackt werden – im Rechnungshof nämlich. Das hat aber mit der Regierungsumbildung nichts zu tun, vielmehr läuft im Rechnungshof Ende Juni die zwölfjährige Amtszeit von Präsident Josef Moser ab. In wenigen Wochen muss für ihn ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin ernannt werden. Es wird die erste große Personalie der Regierung Kern sein.

Das wird spannend. Zum einen, weil der Posten generell ein höchst attraktiver ist. Umso mehr, als die neue Regierung nun doch hoffentlich Reformen angehen wird. Der Rechnungshof als oberster Kontrollor der Republik würde dann – so erzählen Insider – so etwas wie die Rolle des Sparring Partner einnehmen.

Spannend ist die Sache aber auch aus einem anderen Grund: Es ist noch völlig offen, ob die Parteien eigene Kandidaten nominieren werden oder ob es zu „Koalitionen“ kommt. Die einst hochgehaltene Usance, wonach der Posten automatisch der Opposition (genauer gesagt: der FPÖ) zugedacht war, ist jedenfalls nicht mehr. Damit wurde schon bei der Bestellung von Mosers Vorgänger Franz Fiedler gebrochen – er war Kandidat der ÖVP, allerdings mit Unterstützung der FPÖ.

Und diesmal? Es sieht ganz danach aus, als könnte sich die Geschichte wiederholen. Nämlich die von Franz Fiedler seinerzeit. Und dann könnte die nächste Rechnungshof-Präsidentin Helga Berger heißen.
Nicht unbrisant: Die 43-jährige Berger arbeitete einst im Büro von Jörg Haider, später war sie Kabinettschefin von FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Josef Moser holte sie schließlich als Sektionschefin in den Rechnungshof.

Erst vor knapp fünf Monaten machte Berger einen interessanten Karrieresprung: ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling engagierte sie als mächtige Chefin der Budgetsektion in seinem Ministerium. Helga Berger ist also offenbar sowohl bei der FPÖ als auch bei der ÖVP sehr gut angeschrieben. Das schreit geradezu nach mehr.

Am 8. Juni werden wir es wissen. An diesem Tag findet erstmals ein öffentliches Hearing der Kandidaten statt – das haben die Grünen durchgesetzt. Am 9. Juni tagt der Hauptausschuss des Nationalrats, und dort müssen die Parteien Farbe bekennen. Im Hauptausschuss soll es zu einer Einigung auf einen Wahlvorschlag kommen, gewählt wird die neue Spitze des Rechnungshofs in der Folge vom Nationalrat.
Wer sind die Kandidaten? Jeder Parlamentsklub darf zwei nominieren – fraglich ist, ob alle Klubs davon Gebrauch machen werden. Der letzte Stand ist jedenfalls: Die SPÖ wird eher nicht mit Gerhard Steger ins Rennen gehen, allenfalls als zweitem Kandidaten.

Steger war zwar vor wenigen Jahren zu diesem Behufe extra von der Budgetsektion des Finanzministeriums in den Rechnungshof gewechselt. Und außerdem gab es ein diskretes Agreement zwischen Werner Faymann und Michael Spindelegger, dass Steger den Posten bekommen soll. Aber wie das Leben so spielt: Faymann und Spindelegger sind Geschichte, und das schöne Abkommen ist es damit auch. Für die ÖVP ist Steger mittlerweile ein rotes Tuch – die SPÖ weiß also, dass es für ihn keine Mehrheit geben kann.

Die Genossen werden also aller Voraussicht nach den Generalsekretär im Infrastrukturministerium, Herbert Kasser, nominieren. Die Grünen haben vor, ihre Rechnungshof-Sprecherin, Gabriela Moser, aufzustellen. Die Neos haben gestern, Freitag, den Juristen Wolfram Proksch als ihren Kandidaten präsentiert.

Es würde aber an ein Wunder grenzen, wenn einer dieser Kandidaten eine Mehrheit im 28-köpfigen Hauptausschuss bekäme. Sie sind zwar alle durchaus für den Posten qualifiziert. Doch Moser ist allein wegen ihres seinerzeitigen Vorsitzes beim Korruptions-U-Ausschuss bei ÖVP und SPÖ eher nicht so beliebt. Kasser wiederum wird das Format, das es für das Amt des Präsidenten braucht, schlicht nicht zugetraut. Und Proksch ist einfach zu wenig bekannt – und politisch jedenfalls nicht verankert.

Die FPÖ wird Gerüchten zufolge mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen gehen. Vieles deutet auf den ehemaligen Chef des Patentamtes, Friedrich Rödler, hin. Doch auch er ist realistischerweise nicht mehrheitsfähig.

Und die ÖVP? Sie hatte es ja bei Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss versucht, bekam aber postwendend eine unmissverständliche Absage. Also Plan B, wieder einmal. Helga Berger. In der Volkspartei ist das jedenfalls ein offenes Geheimnis, nur Finanzminister Schelling scheint nicht eingebunden worden zu sein. „Berger ist und bleibt Sektionschefin“, verlautete gestern aus seinem Ministerium.

Interessanterweise wird in der FPÖ bereits das Gerücht gestreut, dass Helga Berger neue Rechnungshof-Präsidentin wird. Was den Schluss zulässt: Im Hauptausschuss haben die Freiheitlichen offenbar vor, auf die „ÖVP-Kandidatin“ (die in Wahrheit eine schillernde FPÖ-Geschichte hat) umzuschwenken. Angeblich wäre das Team Stronach einer Kandidatin Berger auch nicht abgeneigt. Eine Mehrheit im Hauptausschuss wäre somit sicher.

Im Rechnungshof macht dieses Szenario bereits die Runde. Und dort sind die wenigsten darüber erbaut: Helga Berger ist selbstverständlich allen noch ein Begriff – und es sind nicht die besten Erinnerungen, die mit ihr verknüpft werden. Soziale Intelligenz soll jedenfalls nicht unbedingt zu ihren Stärken gehören. Die Stimmung im Rechnungshof ist dieser Tage also nicht die beste.

Was der diskret geplante Schulterschluss von ÖVP und FPÖ für die Stimmung in der Regierung bedeuten wird, ist natürlich eine andere Geschichte.

Auf einen Blick

Der Rechnungshof überprüft auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, ob die zur Verfügung gestellten Mittel sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig eingesetzt werden. Unter die Lupe genommen wird die Gebarung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Sozialversicherungsträger und der Kammern. Auch Unternehmen, an denen die öffentliche Hand eine Mehrheit hält, werden vom Rechnungshof geprüft. Sein Präsident wird vom Nationalrat für zwölf Jahre gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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