Volkswagen dürfte bald stark beschleunigen

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GERMANY-EARNINGS-AUTO-COMPANY-VOLKSWAGENAPA/AFP/RONNY HARTMANN
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Warum man sich jetzt auf eine eher zähe Marktentwicklung einstellen sollte und Volkswagen bald stark beschleunigen dürfte.

Man soll alte Börsenregeln ja nicht zu sehr strapazieren, aber am viel zitierten „sell in may and go away“ scheint etwas dran zu sein. In den ersten beiden Wochen ist der Mai zumindest unter Börsianern seinem sonstigen Ruf als Wonnemonat nicht wirklich gerecht geworden. Die europäischen Märkte notieren überwiegend unter den zu Monatsbeginn erreichten Marken. Die amerikanischen Leitindizes grundeln rund um diese Marken herum, sind also auch nicht wirklich weitergekommen.

Vor dem Sommer ist da auch wenig zu erwarten. Die Charttechniker runzeln zurzeit jedenfalls bedenklich die Stirn und murmeln etwas von stärker gewordenem Verkaufsdruck. Und von der fundamentalen Seite her ist auch wenig Licht zu sehen. Dort geistern derzeit sogar einige Unsicherheiten herum, die den Markt stärker negativ beeinflussen könnten. Etwa eine Eskalation des wieder ein wenig in den Blickpunkt gerückten Griechenland-Problems. Oder die Furcht vor Schockwellen durch eine negativ ausgehende Brexit-Abstimmung in Großbritannien im Juni.

Wer in diesem Umfeld nicht enttäuscht werden will, setzt keine allzu großen Erwartungen in die nächsten Wochen und hält den Fuß in der Nähe des Bremspedals, um im Fall des Falles schnell reagieren zu können. Wobei: Die Gefahr eines wirklichen Absturzes ist weithin auch nicht zu sehen. Wir müssen uns ganz einfach auf eine vorübergehend eher zäh verlaufende Marktphase einstellen.

In einer solchen Marktphase begibt man sich am besten auf die Suche nach unterbewerteten Titeln mit Potenzial. Eine solche sieht die Privatbank Berenberg in Volkswagen Vzg. (ISIN DE0007664039). Die Berenberg-Analysten habe in den vergangenen Tagen das „Buy“-Rating für die VW-Vorzüge bestätigt und das Kursziel von 160 auf sagenhafte 210 Euro hochgesetzt. Derzeit notiert das Papier bei 129 Euro, nachdem es vom Tiefpunkt zu Beginn der Dieselgate-Affäre schon mehr als 30 Prozent zugelegt hat. Die Bank sieht also beträchtliches Potenzial. Gut gemeinter Rat der Analysten: Man solle nicht zu lang überlegen, um die Gegenbewegung nach dem Absturz nicht ganz zu versäumen.

Der Optimismus der Analysten fußt auf der Erkenntnis, dass die Abgasaffäre für den Konzern – im Gegensatz zu den Konkurrenten, wo Abgastricksereien gerade erst nach und nach auffliegen – schon weitgehend „gegessen“ ist. Große negative Überraschungen seien nicht mehr zu erwarten, der Konzern habe bereits mehr als 16 Milliarden Euro für die Bewältigung der Affäre zurückgestellt, am Ende würden für VW Kosten von 20 Mrd. Euro oder 40 Euro pro Aktie übrig bleiben. Genaueres wird man Ende Juni wissen. Für diesen Zeitpunkt wird eine Einigung mit den US-Behörden erwartet.

Auch von der wirtschaftlichen Entwicklung her könnte die Aktie gepusht werden: Die Verkäufe der Kernmarke VW entwickeln sich wegen des Abgasskandals zwar sehr flau, die Premiummarken (Bentley, Audi, Porsche etc.) seien vom Skandal aber kaum betroffen.

Hohes Potenzial trauen Analysten auch dem Internethändler Amazon (ISIN US0231351067) zu, der sich in den vergangenen Wochen sehr stark entwickelt hat. Bernstein Research hat dem Papier in den vergangenen Tagen ein Kursziel von 1000 Dollar verpasst. Zurzeit ist die Internet-Aktie um rund 712 Dollar zu haben. Das Ziel klingt zwar sehr ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Immerhin wächst das Unternehmen sehr stark und hat zuletzt den höchsten Quartalsgewinn der Firmengeschichte berichtet. So gesehen sind die 1000 Dollar mittelfristig durchaus in Reichweite.

Was steht sonst noch an? Der auch in Österreich produzierende Chiphersteller Infineon (ISIN DE0006231004) hat (ebenfalls von Bernstein) eine Hochstufung auf „Outperform“ erhalten. Das Kursziel sehen die Analysten nun bei 17 Euro. Auch das klingt nicht schlecht, wenn man vom aktuellen Kurs von zwölf Euro ausgeht. Allerdings ist die Meinung hier nicht eindeutig: Charttechnikern gefällt das Kursbild nicht, und Goldman Sachs sieht das Kursziel lediglich bei 12,20 Euro.

Gute Unterhaltung versprechen die Experten des Investmenthauses Equinet den Aktionären des Medienkonzerns RTL (ISIN LU0061462528). Das Kursziel der mit „Accumulate“ eingestuften Aktie wird auf 81 Euro gehoben. Das Potenzial ist allerdings begrenzt, denn bei 76 liegt das Papier schon.

josef.urschitz@diepresse.com

diepresse.com/money

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2016)

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