Zypern und das geldpolitische Trilemma

Zypern geldpolitische Trilemma
Zypern geldpolitische Trilemma(c) EPA (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen wird womöglich zum Präzedenzfall für weitere Krisenländer.

Zypern ist gerettet? Wirklich? Das Ergebnis weckt mehr Zweifel am Fortbestand der Währungsunion als es Vertrauen in deren Fortführung liefert. Zypern wird 10 Mrd. Euro Finanzhilfen aus dem ESM erhalten, aber dies hat seinen Preis. Man hat wegen der massiven Kapitalflucht, die das Land bedroht, Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Das steht in klarem Widerspruch zu den vier großen Freiheiten der Wirtschafts- und Währungsunion.  Hierzu zählen der freie Warenverkehr, die Personenfreizügigkeit, die Dienstleistungsfreiheit und der freie Kapital- und Zahlungsverkehr. Berührt sind bei letzterem  das Kapitel 4 - Der Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 63 - 66) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Offenbar konnte einvernehmlich mit dem Europäischen-Rat, dem Quasi-Direktorium der Eurozone, das zypriotische Parlament, den freien Kapital- und Zahlungsverkehr innerhalb der Eurozone zwischen Zypern und den übrigen Mitgliedsstaaten außer Kraft setzen. Es gilt offenbar: Not kennt kein Gebot, d.h. Verträge sind dazu da, um gegebenenfalls gebrochen zu werden. Seltsamerweise ist dieser Tabubruch nicht Gegenstand der allgemeinen Presseberichterstattung. Wie lange diese Notmaßnahme in Kraft bleiben wird, ist derzeit offen. Letztendlich ist jedoch ein Präzedenzfall geschaffen worden, der bei einer weiteren Verschärfung der Eurokrise in anderen Ländern, insbesondere Italien und Spanien sowie möglichweise auch Frankreich, Modellcharakter haben könnte. Da ja ein Bail-In bzw. Bail-Out dieser Länder durch den Rest der übrigen noch finanziell stabilen Länder wie insbesondere Deutschland nicht tragfähig ist, wird man in diesen Fällen um Kapitalverkehrskontrollen ebenso wenig herumkommen wie im Falle Zyperns.

Das geldpolitische Trilemma

Mit dem geldpolitischen Trilemma, wird in der Volkswirtschaftslehre das Problem bezeichnet, dass es einer Zentralbank nicht gelingen kann, drei Ziele gleichzeitig mit ihrer Geld- und Wechselkurspolitik zu erfüllen. Hierzu zählen die Preisstabilität, der stabile Wechselkurs und der freie internationale Kapitalverkehr. Bisher hat die EZB im Verein mit den weltweit führenden Zentralbanken wie der Fed, der Bank of Japan oder der Bank of England die Stabilisierung des Wechselkurses durch offene Swap-Linien untereinander gewährleistet. Dadurch sind die Wechselkurse zwischen den wichtigsten Weltwährungen erheblich stabilisiert worden. Da keine Währungsreserven einzelner Länder zur Stabilisierung des jeweiligen Wechselkurses gegenüber den jeweiligen Währungen kurzfristig eingesetzt werden müssen, lassen sich durch solche Interzentralbank-Derivat-Kontrakte die Wechselkurse stabilisieren.

Doch eine solche Politik hat ihren Preis, da ja, wenn die internationalen Finanzmärkte die gewünschten Wechselkursrelationen nicht stützen, sich stille Lasten bei den jeweiligen Zentralbanken bilden, die ein Risiko hinsichtlich des Ausgleichs der Salden darstellen. Es ist eigentlich ein Analogon zu den Target2-Salden, die der EZB und den angeschlossenen nationalen Zentralbank Kopfzerbrechen bereiten. Auch bei den Target2-Salden sollten diese ja ursprünglich nur dazu dienen, kurzfristige Schwankungen bei der Liquiditätsversorgung zwischen den nationalen Zentralbanken innerhalb der Europäischen Währungsunion auszugleichen. Wie wir inzwischen wissen, ist dies über einen längeren Zeitraum nicht mehr der Fall.

Unorthodoxe Geldpolitik zur Überwindung des geldpolitischen Trilemmas

Auch hier entstehen bei der EZB stille Lasten, die unter gewissen Umständen, wie dem Ende der Währungsunion, nicht bedient werden können. Die EZB hat damit das geldpolitische Trilemma dadurch zu lösen versucht, dass es über den Target2-Mechanismus eine massive Kapitalflucht aus den Krisenländern der Eurozone in die übrigen Mitgliedsländer zuließ. Der dramatische Anstieg auf über 700 Mrd. Euro bei den Target-Saldo ist also als ein Indikator dafür anzusehen, inwieweit die Finanzmärkte dem Fortbestand des ungehinderten Kapital- und Zahlungsverkehr innerhalb der Währungsunion bereits misstrauen. Ebenso gilt dies für die Swap-Salden bei den Interzentralbank-Salden. Man kann dies als Krisenbarometer analog zu den CDS an den privaten Finanzmärkten interpretieren.

Die führenden Zentralbanken haben daher nach Ansicht des Autors dieses Beitrags das geldpolitische Trilemma dadurch zu lösen versucht, dass man auf Kapitalverkehrskontrollen zur Stabilisierung des Preisniveaus und zugleich der Wechselkurse und der gleichzeitigen Aufrechterhaltung des freien internationalen Kapitalverkehrs verzichtete, indem man stille Lasten über die Interzentralbank-Swap-Linien und die Target2-Salden der EZB-Mitgliedsländer zuließ. Damit sind jedoch gleichzeitig gewaltige Risiken innerhalb des internationalen Systems der Zentralbanken entstanden. Kommt es zu Zahlungsausfällen, dann droht den jeweiligen Zentralbanken die Insolvenz, wenn die dadurch realisierten Verluste das Eigenkapital der jeweiligen Zentralbank übersteigen.

Käme es zu einem solchen Ereignis, dann droht zwangsläufig neben der Notwendigkeit der Rekapitalisierung der betroffenen Zentralbanken auch die Einführung weiterer Kapitalverkehrskontrollen. Denn diese sind dann die letzte Option, um noch den Wechselkurs- und das Preisniveau zu stabilisieren. Würde man darauf verzichten, dann würde zwangsläufig eines der beiden anderen Ziel aufgegeben werden müssen. Es käme zu erheblichen Wechselkursturbulenzen, wenn jetzt die Wechselkurse sich den jeweiligen Marktverhältnissen anpassen müssten oder aber es käme zu einer starken Preisniveauveränderungen, d.h. vermutlich aufgrund der aufgeblähten Zentralbankgeldmengen zu einem weltweiten Inflationsschub.

Ob das den Bürgern innerhalb der Eurozone und außerhalb des Weltfinanzsystems klar ist? Ich habe da so meine begründeten Zweifel.

Der Autor

Der deutsche Ökonom Georg Erber arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Netzwerkökonomie und Marktregulierung von Netzwerkindustrien, insbesondere im Bereich der Telekommunikation; Wettbewerbspolitik im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien; Wirtschaftswachstum, Produktivität, Industriepolitik, Technologiepolitik und Innovationspolitik.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

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