"Die große Lösung": Der Euro für alle

Euro fuer alle
Euro fuer alle(c) EPA (Jens Büttner)
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Es bleiben zwei Varianten: Die Schaffung eines optimalen Währungsraums oder die Ausweitung des Euroraums auf die gesamte EU.

Um aus dem gegenwärtigen Schlamassel im Euroraum rauszukommen, bleiben zwei Varianten: Erstens die Schaffung eines optimalen Währungsraums mit wenigen, dafür ähnlichen Mitgliedern. Zweitens die Ausweitung des Euroraums auf die gesamte EU. Die erste Lösung würde am Veto der auszuscheidenden Länder scheitern. Der zweite könnte hingegen die Spaltung der EU beseitigen.

Spätestens seit Ausbruch der sogenannten Euro-Krise dürfte es allen klar geworden sein, dass das derzeitige Eurogebiet kein optimaler Währungsraum ist. Der Euro hat auch nicht, wie von den Vertretern der Theorie der endogenen optimalen Währungsräume prognostiziert, zur Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit via Intensivierung des Intra-Eurozonenhandels geführt. Selten wurde ein ökonomisches Großexperiment so eindrucksvoll falsifiziert. Die Politik hat sich bei der Gründung der Währungsunion 1999 - gestützt auf die theoretisch wenig fundierten Maastrichter Kriterien (die zudem durch Manipulation von Budgetzahlen – siehe Griechenland – ausgetrickst werden konnten) - gegen den ökonomischen Sachverstand durchgesetzt und forcierte eine möglichst große Eurozone. Anstatt der erhofften einigenden Kraft des Euro, hat er Europa ökonomisch und politisch gespalten.

Die Mehrzahl der Ökonomen plädierte damals für eine kleine Währungsunion mit Ländern, deren Volkswirtschaften einen mit Deutschland vergleichbaren Konjunkturzyklus aufwiesen, nicht zuletzt weil ihre Währungen mehr oder weniger eng an die Entwicklung der DM gekoppelt und daher auch ähnlich wettbewerbsfähig waren. Eine solcherart "kleine Eurozone" hätte auch den theoretischen Kriterien einer „Optimum Currency Area“ (OCA) entsprochen. Eine solche ökonomisch tragfähige OCA hätte vielleicht sechs bis acht Länder des DM-Blocks umfasst: Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Frankreich, Österreich und vielleicht Dänemark (hätte es den Euro gewollt) und Finnland. Es handelt sich (nach heutigem Euro-Krisen-Speak) um die Länder des Nord-Euro, die die "Große Rezession" 2009 und die anschließende Euro-Krise relativ gut überstanden haben.

Die jüngsten Krisen haben dagegen die Länder der europäischen Peripherie, die Länder des Süd-Euro wirtschaftlich und deswegen auch politisch aus der Bahn geworfen. Es sind die PIIGS-Länder: Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien. Die dritte Gruppe der Eurozone besteht aus den neuen EU- Mitgliedstaaten: Estland, Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern. Während die PIIGS in den Strudel der dreidimensional (durch Staatsschulden, marode Banken und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit) verursachten Krise geraten sind, und in infolge der strengen Reform- und Austeritätsauflagen der Troika in einer tiefen Anpassungsrezession mit sozial gefährlich hoher Arbeitslosigkeit stecken, sind die EU-Neuen am ehesten für Bankenkrisen anfällig. Zypern als Staat und sein Bankensektor wurden soeben mit einer Kombination von Bail-out (Mittel aus dem ESM und IMF) und einem Bail-in (Beteiligung der Sparer an der Bankensanierung) gerettet. Es wird immer wahrscheinlicher, dass der „Zypern-Deal“ als Vorbild für künftige Rettungsaktionen von gestrandeten Banken in Europa herangezogen wird; er könnte auch Modell stehen beim geplanten Banken-Abwicklungsprozedere im Rahmen der geplanten Bankenunion.

Mit den Rettungsaktionen zur Vermeidung von Staatsbankrotten, beginnend mit Griechenland im Mai 2010 (und nochmals im März 2012), zunächst ad hoc mit bilateralen Krediten, dann im Falle Irlands (Dezember 2010) und Portugals (Mai 2011) mit dem provisorischen Rettungsschirm EFSF und später bei Spanien (Dezember 2012) und Zypern (März 2013) mit Mitteln aus dem inzwischen permanenten ESM ist die EU/Eurozone (unter großzügiger Auslegung der No-bail-out-Klausel von Art. 125 AEUV) in eine „Transferunion“ eingestiegen. Dies auch deswegen, weil wir noch nicht wissen, wie viel von den Krediten auch wirklich zurückgezahlt werden. Die in der derzeitigen Zusammensetzung ökonomisch nicht überlebensfähige Eurozone mit 17 Mitgliedern wird also durch Transfers künstlich, d.h. politisch gewollt am Leben erhalten. Ökonomische Optimalität wird durch eine (teure) politische erkauft (siehe Breuss 2011).

Die gegenwärtige Euro-Krise und der zu ihrer Überwindung eingeschlagene Weg erlaubt daher eigentlich nur zwei (logische) Schlussfolgerungen:

  • 1.) Zurück zum optimalen Währungsraum: Die politisch Verantwortlichen in der EU/Eurozone sehen ein, dass – solange die EU kein Staat ist – das Prinzip "One market, one money" nur funktionieren kann, wenn der Euro nur in jenen Ländern Zahlungsmittel ist, die eine ökonomische OCA bilden. Das würde erfordern, dass man die gegenwärtige Eurozone wieder entsprechend verkleinert. Das ist politisch wohl nicht machbar, da gerade die Transfernehmer (Schuldner) niemals freiwillig einem Euroaustritt zustimmen würden, selbst wenn dies politisch von den Transfergebern (Gläubigern) gewollt wäre (wie sich z.B. die „Alternative für Deutschland“ das wünscht). Auch juristisch gäbe es Hürden, kennt der EU-Vertrag doch nur eine Austrittsmöglichkeit aus der Union (Art. 50 AEUV), nicht aber nur einer aus der Eurozone. Zudem würde eine ökonomisch sinnvolle Verkleinerung (Optimierung) der Eurozone als politisches Eingeständnis des Scheiterns des Euro-Projektes („Zerfall der Eurozone“) gewertet werden. Die Aufspaltung der Eurozone in einen Nord- und einen Süd-Euro würde zu großen Verwerfungen führen (Aufwertung des Rest-Euro, Abwertung der Währungen der austretenden Länder; ungeklärte Schuldenbewertungen etc.). Eine kleine Eurozone hätte am Beginn 1999 Sinn gemacht, eine nachträgliche Rückabwicklung ist fast unmöglich, läuft sie doch auf die Beantwortung der populären Frage hinaus: „Lässt sich aus Rührei wieder Ei machen“?
  • 2.) Der Euro für alle: Wenn die EU-Politik die gegenwärtige Eurozone ohnehin nur mittels Transfers beisammen halten kann (und der Erhalt der Eurozone (der Euro) in der jetzigen Zusammensetzung von den wichtigsten Repräsentanten der EU – Barroso, Merkel, Draghi – eisern verteidigt wird), dann könnte man in einer Vorwärtsstrategie gleich zur "großen Lösung" übergehen und allen Mitgliedern der EU den Euro geben (siehe Breuss 2013). Dann hätten wir zwar auch keine ökonomische OCA, aber mittels einer „Transferunion“ würden wir uns zumindest dem geldpolitischen Normalzustand, "One country, one money" annähern.


Auch würde damit die Spaltung der EU in eine Euro- und Nicht-Eurozone der Vergangenheit angehören. Zudem würde der politische Druck steigen, über die Transferunion (EU/Eurozone mit Rettungsinstrumenten), die Fiskalunion (Überwachung bzw. Zentralisierung der Fiskalpolitik im Rahmen des Europäischen Semesters, des Six-Pack, Two-Pack und des Fiskalpaktes) und die Bankenunion zur Wirtschaftsunion und weiter zur politischen Union vorzustoßen (wie es ja bereits in den Plänen von Barroso und Van Rompuy angedacht ist) bis hin zum Zukunftsprojekt Vereinigte Staaten von Europa (VSE) voranzuschreiten. Es wäre dann immer noch nicht gesichert, dass diese große Wirtschafts- und Währungsunion auch einen "europäischen Konjunkturzyklus" als Voraussetzung für ein geräuschloses Funktionieren der Währungsunion aufwiese, aber wir hätten genügend politische Instrumente um eine den USA ebenbürtige VSE aufrecht zu erhalten.

Dann hätte Europa in der globalisierten Welt die ihm zukommende Stellung und mit dem Euro auch ein einprägsames und einheitlich wahrgenommenes Gesicht. Der erhoffte Anpassungsautomatismus, den man sich von der Einführung des Euro in einer möglichst großen Zahl von Mitgliedern erhofft hatte ("Lokomotivtheorie") ist zwar nicht eingetreten, aber im Laufe des Krisenmanagements hat die EU im Rahmen der „New Economic Governance“ bereits so robuste Rettungsinstrumente (ESM; bald die Bankenunion) zur Hand, die man noch aufstocken könnte, sodass die EU eine Politik "des Euro für alle" im Rahmen einer „echten Transferunion“ verkraften könnte.

Damit wären wir gleich bei der "Krönungstheorie" angelangt, die ja auch zuerst die Fiskalunion mit einer zentralisierten Wirtschaftspolitik verwirklichen wollte, bevor der Euro für alle eingeführt würde. „Der Euro für“ alle würde die schädliche Spaltung der EU in mehrfacher Hinsicht (Euro- versus Nicht-Euroländer mit jeweils unterschiedlicher Geldpolitik), eine Trennung der Fiskal- und Wirtschaftspolitik (Fiskalpaktteilnehmer und -nichtteilnehmer; uneinheitliche Bankenunion) und damit Störungen des Binnenmarktes durch unfaire Wettbewerbsverhältnisse (durch die Möglichkeit der Abwertung der Nicht-Euroländer gegen den Euro) beseitigen. Damit könnten endlich die vollen Vorteile des Binnenmarktes lukriert werden. Man könnte sich dann auch zusätzliche Wachstumsstrategien wie "Europa-2020" sparen. Vielleicht würde dann auch wieder das Vertrauen, das in der Euro-Krise laut jüngsten Erhebungen von Eurobarometer stark gelitten hat, wieder zunehmen.

Realistischerweise wird aber alles beim Alten bleiben! Die Eurozone wird schrittweise ausgeweitet, sobald die Krise vorüber ist und sich wieder einige weitere EU-Mitgliedstaaten der EU trauen, den Euro einzuführen.

Literatur:

Breuss, F., "Downsizing the Eurozone into an OCA or Entry into a Fiscal Transfer Union", CESifo Forum, Vol. 12, No. 4, Winter 2011, pp. 5-12.

Breuss, F, Towards a New EMU, Amazon Kindle eBook, April, 2013.

Der Autor

Fritz Breuss, Jahrgang 1944, ist Jean Monnet Professor für wirtschaftliche Aspekte der Europäischen Integration an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und seit Oktober 2009 emeritierter Professor für Internationale Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität (WU). Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die internationale Ökonomie und die Europäische Integration.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

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