Kann Deutschland aus dem Euro austreten?

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Ökonomenstimme: Charles B. Blankart über die öffentliche Meinung, die Schweigespirale und das Verbot in Alternativen zu denken.

Deutschland steht vor der Wahl. Doch wenn es nach der Kanzlerin geht, so gibt es gar nichts zu wählen. Diskutieren könne man über Kindergartenplätze, nicht aber über Fragen wie den Euro. Denn der Euro ist „ohne Alternative". Er ist das Schicksal der Deutschen. Alternativen sind nicht gefragt. Sie sind politisch unkorrekt; denn sie untergraben den Euro. Jede Diskussion um die Währungsunion würde von Spekulanten als Schwäche ausgelegt. Sie würden massenweise Euros verkaufen und damit den Euro tatsächlich zu Fall bringen. Durchhalten angesagt, auch wenn die verfolgte Politik perspektivlos ist. Dieser Ansicht hat sich die Opposition von SPD und Grünen weitgehend angeschlossen.

Doch Denkverbote sind töricht. Denn wenn der Euro doch zusammenbricht, dann fehlen die vorher unterdrückten Ideen. Woher kommt dann Hilfe? Aus einem freien Land wie Grossbritannien. Als Europa nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag, stellte Winston Churchill in seiner Zürcher Rede die Idee eines vereinten Europas auf. Heute ist es der britische Premierminister David Cameron, der dem Wahn des Euroschicksals entgegentritt. Ohne Merkel zu nennen, bemerkt er in seiner Neujahrsansprache 2013: "Die grösste Gefahr für die Europäische Union kommt nicht von jenen, die für eine Änderung plädieren, sondern von jenen, die neues Denken als Häresie verunglimpfen. Einheit sichert die Zukunft der Eurozone nicht. Einheit wird die Europäische Union nicht näher zu ihren Bürgern bringen. Mehr Einheit bringt lediglich mehr Gleiches - weniger Wettbewerb, weniger Wachstum, weniger Arbeitsplätze."

Die öffentliche Meinung und die Schweigespirale

Doch warum haben es fortschrittliche Ideen wie die von Cameron in Deutschland so schwer? Die kürzlich verstorbene Allensbacher Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann erklärte dies mit dem Begriffspaar der „öffentlichen Meinung" und der „Schweigespirale". Niemand liebt es von den strafenden Blicken  der öffentlichen Meinung getroffen zu werden. Besser ist es zu schweigen, und wenn immer mehr Menschen schweigen, so kommt es zur Schweigespirale.
Umgekehrt stellen sich nicht wenige in den Dienst der öffentlichen Meinung, weil sie vom Staat Geld erhalten. Die deutsche Industrie profitiert, weil die Euro-Rettungskredite den deutschen Export am Laufen halten, die Landwirte weil sie vom Euro stabile Preise und sicheren Absatz erwarten, Forschungsinstitute müssen sich mit der Regierung gut stellen, damit sie Fördergelder erhalten. So veranstaltete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Einklang mit der Bundesregierung einen Aufruf, die EZB solle in ihrem neuen OMT-Programm Staatsanleihen von finanziell kranken zu Lasten von finanziell gesunden Euro-Staaten kaufen (eine schwerlich begründbare theoretische Ansicht). 233 Ökonomen haben unterschrieben. Doch was steht hinter den Unterschriften? Wollten die Unterstützer sagen, der Kauf sei richtig und damit ihre theoretischen Kenntnisse offenlegen, oder ist zwischen Ausländern (vier Fünftel) und deutschen (einem Fünftel) zu unterscheiden, von denen nur die letzteren als Steuerzahler zur Finanzierung des Programms herangezogen werden, während die ersten sich sagen: Soll doch die EZB Euro-Lasten umverteilen; mich trifft es nicht. Es ist wohl kaum zufällig, dass von den etwa 100 angeschriebenen Angehörigen des renommierten deutschen „Finanzwissenschaftlichen Ausschusses" kein einziger unterschrieben hat.

Erst wenn Deutschland glaubwürdig drohte aus dem Euro auszutreten, käme Bewegung in die Diskussion. Da aber Bundeskanzlerin Merkel von der Alternativlosigkeit nicht abrückt und hierbei von ihren bezahlten Paladinen unterstützt wird, wäre eine solche Umkehr erst unter einem neuen Kanzler oder einer neuen Kanzlerin möglich. Erst dann könnten die von Ministerpräsident Cameron aufgerufenen "Häretiker" erfolgreich auftreten und neue Ideen in die Politik einbringen. Vorerst werden aber die Wähler von der Kanzlerin und von Bundesfinanzminister Schäuble mit dem Opium niedriger Arbeitslosigkeit und derzeit noch geringer Inflation betäubt. Dass die deutschen Rettungskredite, die das Exportwunder erst ermöglicht haben und nun auf ewig verloren sind und schliesslich vom deutschen Steuerzahler bedient werden müssen, wird verschwiegen.

Die öffentliche Meinung von Merkel, Schäuble und Cie. hat aber eine Schwachstelle. Das Gift von Camerons Botschaft lässt sich nicht aufhalten. Irgendwann findet es eine Lücke und frisst sich immer tiefer in das marode Establishment ein. Einige Mutige haben sich um den Hamburger Ökonomieprofessor Bernd Lucke geschart, die langfristige Wirksamkeit von Camerons Gift erkannt und eine neue Partei gegründet. Sie sagen: Es gibt eine Alternative zu Merkel, und darum heisst die Partei"„Alternative für Deutschland". Die Deutschen sollen nicht verzagen und sich nach Merkels Willen dem Euro-Schicksal unterwerfen, sondern sie sollen ihre Zukunft selbst an die Hand nehmen und ihre Währung selbst gestalten.

Wie 17 Radfahrer

Der Euro krankt an fixen Wechselkursen. Fixe Wechselkurse im Euro sind wie 17 Radfahrer die sich gegenseitig halten, damit sie nicht umfallen. Aber gerade weil sie sich halten, fallen sie um. Folglich greift die neue Partei die verbotene Euro-Frage auf und zeigt auf, wie sich die Völker Europas aus den Fesseln starrer Wechselkurse befreien können. Das ist ein grosses Forschungsprojekt, das gegenüber den Abermillionen subventionierter Euro-Forschung derzeit auf verlorenem Posten steht. Doch die Alternativen Deutschen lassen sich nicht entmutigen. Sie sagen: Wir müssen aus dem Euro auf dem gleichen Weg heraus, wie wir ihn hineingekommen sind, nämlich über Parallelwährungen. Das bedeutet rückblickend: In der Übergangszeit der Euro-Einführung von 1999 bis 2001 gab es in allen Eurostaaten Parallelwährungen: die alte nationale Währung für Bartransaktionen und den Euro für Banktransaktionen. Bei der Euroauflösung muss umgekehrt vorgegangen werden: In der Übergangszeit bleibt es weiter beim Euro für Bartransaktionen, während für Banktransaktionen die (neue) nationale Währung gilt. Die nationale Geldpolitik sorgt für Stabilität zwischen den beiden Währungen. Sichtguthaben von Bankkunden bleiben erhalten, damit es nicht zu einem Bankrun kommt. In Abwertungsstaaten müssen Banken rekapitalisiert und in eine Badbank überführt werden.

Die offizielle Forschung weigert sich, sich mit dieser Frage überhaupt zu befassen. Doch sie verfehlt den Punkt. Denn dass das Euro-Modell mit den 17 verbundenen Fahrradfahrern nicht funktioniert, braucht schwerlich nachgewiesen zu werden. Umgekehrt hat der Vorgänger des Euro, das Europäische Währungssystem EWS mit festen Wechselkursbandbreiten und von Zeit zu Zeit erforderlichen Alignements von 1979 bis 1998 über zwanzig Jahre (also länger als der Euro) gut und mit der Zeit immer besser funktioniert. Nur aus politischen Gründen ist es zugunsten des Euro aufgegeben worden.  Wenn aber der Gegenwartswert des EWS grösser ist als der Gegenwartswert des Euro, so zieht das Argument zu hoher Ausstiegskosten nicht mehr. Herauszufinden ist, welcher Ausstiegweg der kostengünstigste ist. Das sollten die Forschungsinstitute berechnen. Doch derzeit ersticken solche Ideen unter dem Mehltau der öffentlichen Meinung. Die Schweigespirale dreht sich nach oben.

Der Autor

Charles B. Blankart ist Senior-Professor für Öffentliche Finanzen an der Humboldt-Universität zu Berlin und Ständiger Gastprofessor an der Universität Luzern. Er war Gastprofessor an der Universität Rom, Hayek-Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien, Fellow des Center for Study of Public Choice VPI in Blacksburg und des Wissenschaftszentrums Berlin sowie des Centers for Study of Public Choice der George Mason University in Fairfax. Derzeit nimmt er einen Lehrauftrag an der Bucerius Law School in Hamburg wahr. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Öffentliche Finanzen, Public Choice und Föderalismus.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

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