Der nicht erklärte (Währungs-)Krieg

A sculpture showing the Euro currency sign is seen in front of the ECB headquarters in Frankfurt
A sculpture showing the Euro currency sign is seen in front of the ECB headquarters in FrankfurtREUTERS
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Für zahlreiche Staaten, die sich einem Leitzins von faktisch null gegenüber sehen, scheint ein schwächerer Wechselkurs das einzig verbleibende Instrument, ihr Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Wenig überraschend überboten sich in den vergangenen Wochen und Monaten Zentralbanken weltweit darin, eine Abwertung der heimischen Währung zu begünstigen, wie dieser Beitrag zeigt. Nachdem sowohl die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve, die Bank of England oder, bereits vor geraumer Zeit, die Bank of Japan ihre Leitzinsen auf historische Tiefststände senkten, folgten alleine seit Jahresbeginn mehr als ein Dutzend weiterer Zentralbanken, davon einige gleich mehrfach. Neben Schweden zählen hierzu Norwegen, Australien, Singapur oder Kanada. In Dänemark liegt der Hauptrefinanzierungszinssatz seit Ende Januar 2015 bei rekordverdächtigen -0,75 Prozent.

Diese Zinsschritte liegen in einer unter den Erwartungen bleibenden Inflationsrate, rückläufigen Inflationserwartungen sowie dem Abwenden vermeintlicher deflationärer Tendenzen begründet. Darüber hinaus erfolgen Zinssenkungen, um einem vermehrten Kapitalzufluss und dem damit einhergehenden Aufwertungsdruck auf eine Währung entgegen zu wirken. Zumeist unausgesprochen jedoch bleibt, dass ein auf der heimischen Währung lastender Abwertungsdruck über bessere Exportaussichten für die Unternehmen die Nachfrage und so schlussendlich die Konjunktur ankurbeln soll.

Allerdings erzielt die Zinspolitik allein, deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft sich erst mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa sechs Monaten abzeichnen, schon seit geraumer Zeit nicht mehr die gewünschten Ergebnisse. Da insbesondere in Europa und Japan Unternehmen wie private Haushalte bereits hoch verschuldet sind, verleiten selbst historisch niedrige Zinssätze sie nicht dazu, ihre Konsum- und Investitionsausgaben zu steigern. Das Argument, dass der gegenwärtige geldpolitische Kurs die Kreditvergabe an den Unternehmenssektor stimulieren soll, erweist sich in Anbetracht des herrschenden Zinsniveaus als kaum ausschlaggebend.

Neben den klassischen Instrumenten der Geldpolitik gilt es so zunehmend auch unkonventionelle Maßnahmen zu betrachten. Hierzu zählen beispielsweise die seitens der EZB (seit 2015) oder FED (2009-2014) verabschiedeten Ankaufprogramme für Staatsanleihen (Quantitative Easing – QE). Da im Rahmen dieser Politik keine Sterilisation der heimischen Geldmenge vorgesehen ist und letztere im Falle der EZB zunächst bis September 2016 um alleine 1.100 Milliarden Euro zunehmen wird, gerät der Außenwert des Euro unter sonst gleichen Bedingungen unter weiteren Druck.

Nicht alle können gleichzeitig abwerten

Nun ist die Schwächung des Außenwertes einer Währung nichts anderes als ihre Abwertung gegenüber anderen Währungen. Doch können nicht alle Währungen abwerten, d.h. die Abwertung einer Währung entspricht der Aufwertung einer anderen. Die Vermutung, dass es sich um ein Nullsummenspiel handelt, liegt nahe.

Aus Perspektive der Weltwirtschaft könnte es sich allerdings auch um eine Win-Win Situation handeln, d.h. der Versuch, die jeweiligen (Leit-)Währungen zu schwächen, führt zu einer Senkung der Zinsen. Dies wiederum führt zu einer Erhöhung der Nachfrage, d.h. dem Anstieg von Konsum und Investitionen.

Doch wenn sukzessive alle Zentralbanken auf eine derartige Geldpolitik einschwenkten, führte dies dazu, dass es keinem Land gelänge, den Außenwert der heimischen Währung nachhaltig zu schwächen. Vielmehr stünde am Ende nur eine Zunahme der Volatilität der Wechselkurse. Bereits heute steht diese, Krisenzeiten ausgenommen, auf dem höchsten Stand der vergangenen 20 Jahre. Es droht eine Lose-Lose Situation.

Das Überschießen einer Währung führt zu einer Zunahme der Volatilität auf den weltweiten Devisenmärkten. Unter der Prämisse, dass Güterpreise rigide sind (sticky prices), d.h. es kurzfristig zu keinen Preisanpassungen kommen wird, Finanzmarktpreise hingegen flexibel sind, dass die Arbitragebedingung über die ungedeckte Zinsparität aufrecht erhalten wird und das Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der Wechselkurse konsistent sind, ist ein derartiges Phänomen durchaus rational. Kernaussage der Hypothese ist jedoch, dass der Anpassungsprozess in einigen Teilen der Volkswirtschaft Volatilität in anderen Bereichen hervorruft. Dies ist insbesondere dann zu beobachten, wenn sich exogene Variablen ändern. Unter diesen Umständen können sich kurzfristige Auswirkungen auf den Wechselkurs als stärker als die langfristigen Auswirkungen erweisen, d.h. kurzfristig überschießt der Wechselkurs den sich langfristigen einstellenden Gleichgewichtswert.

Volatilität steigt

Gemäß dieser Sichtweise kann Volatilität in einem Markt also weitaus mehr als nur die Konsequenz unvollständiger oder asymmetrischer Information sein. So stellt sich in Folge einer Änderung der Geldpolitik ein neues Preis-Mengen-Gleichgewicht auf dem Markt ein. Aufgrund der Starrheit der Güterpreise wird das neue Gleichgewicht zunächst durch eine Anpassung der Finanzmarktpreise erreicht. In dem Maße, in dem die Güterpreise jedoch reagieren und sich dem neuen Gleichgewicht annähern, bewegen sich die Finanzmarktpreise auf das langfristige Gleichgewicht hin. Erst nach Abschluss dieses Anpassungsprozesses befinden sich Güter- und Finanzmarkt wieder in einem stabilen, langfristigen Gleichgewicht. Neben der Rigidität der Güterpreise liegt die Neigung der Wechselkurse zu einem Überschießen auch in dem Herdenverhalten der Marktteilnehmer begründet.

Die Folge einer zunehmenden Volatilität sind höhere Kosten grenzüberschreitender Transaktionen. Steigende Absicherungskosten führen zu einem Einbruch des weltweiten Handels. Kapitalflüsse versandeten und, statt auf Exporte könnten Volkswirtschaften ihren Fokus vermehrt auf die Binnennachfrage richten. Es drohen Protektionismus und schlussendlich Wohlfahrtsverluste. Darüber hinaus führt eine höhere Volatilität der Wechselkurse in der Regel zu einem Rückgang ausländischer Direktinvestitionen

Dennoch scheinen Geldpolitiker der Idee einer kompetitiven Abwertung zunehmend aufgeschlossen gegenüber zu stehen. Dies trifft selbst auf jene in großen, geschlossenen Volkswirtschaften, die in der Regel weitaus weniger stark von einer schwächeren Währung profitieren als kleinere, offene Volkswirtschaften, zu. Jedoch kommt dies nicht völlig überraschend, da eine Abwertung im Gegensatz zu Strukturreformen, welche die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes ebenfalls (nachhaltig) verbesserten, politisch einfacher umzusetzen ist. Auch wenn das mit dieser Politik einhergehende Stigma langsam verblasst, wird die Schwächung des Außenwerts der heimischen Währung eher als Konsequenz einer geldpolitischen Lockerung, selten jedoch als eigenständiges Ziel verstanden. Zahlreiche Indikatoren deuten allerdings darauf hin, dass die seitens der EZB ergriffenen, unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen (z.B. das QE) den Außenwert des Euro weitaus stärker beeinflussen als die klassische Transmission der Geldpolitik über den Zinskanal.

Neben der abnehmenden Stigmatisierung liegt ein weiterer Grund, aus dem sich zahlreiche Volkswirtschaften dem Abwertungswettlauf anschließen, darin begründet, dass Inaktivität gleichbedeutend mit einem Wohlfahrtsverlust ist. Mit anderen Worten: in dem Maße, in dem andere Volkswirtschaften den Außenwert ihrer Währung schwächen, geht die relative Aufwertung bei denen, die sich der kompetitiven Abwertung verschließen, zu Lasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Weitere Eskalation droht

Solange sich die Zentralbanken weltweit mit dem fragwürdigen Ziel einer möglichst schwachen Währung ein anhaltendes Race to the Bottom liefern, ist die Gefahr eines eskalierenden Währungskriegs nicht gebannt. Als verhängnisvoll erweist sich in diesem Zusammenhang, dass es ungleich einfacher ist, den Außenwert einer Währung zu schwächen als zu stärken. Doch solange das Wirtschaftswachstum verhalten bleibt und zur Verfügung stehende geld- und wirtschaftspolitische Instrumente keine Abhilfe schaffen, ist nicht davon auszugehen, dass Währungskriege kurzfristig beigelegt werden. Vielmehr droht, sollten die Vereinigten Staaten oder China, deren handelsgewichtete Währungen in den vergangenen Monaten signifikant aufwerteten, in den Abwertungswettlauf einsteigen, eine neue Stufe der Eskalation und, damit einhergehend, Wohlfahrtsverluste. Die Konsequenzen dieser Politik werden sich weit über den Devisenmarkt hinaus bemerkbar machen.

Um dieser Entwicklung entschieden entgegen zu wirken, wären einige Zentralbanken gut beraten, Währungspolitik nicht länger als Mittel der Exportförderung zu verstehen. Dies ist nicht ihre Aufgabe. Und selbst wenn außergewöhnliche Umstände außergewöhnliche Maßnahmen rechtfertigen, sollte, ja muss am Ende dieses Prozesses die Rückkehr zu einer verantwortungsvollen Geldpolitik stehen.

Der Autor

Leef H. Dierks (*1977), ist seit September 2013 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte an der Fachhochschule Lübeck. Nach dem Studium der Volks- und der Betriebswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universidad Torquato Di Tella in Buenos Aires legte er seine Promotion (2005) ab. Von 2006 bis 2013 war er im Bereich Fixed Income im Investmentbanking in Frankfurt am Main und London tätig.

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