Wer hat Angst vor dem Euro?

A man is silhouetted against 'SUPERFLEX, Euro 2012', a 416.6 cm by 289.6 cm (164 by 114 inch) large photographic print of an Euro coin on sale by the Los Angeles based gallery 1301 PE at the Art Cologne 2015 fair in Cologne
A man is silhouetted against 'SUPERFLEX, Euro 2012', a 416.6 cm by 289.6 cm (164 by 114 inch) large photographic print of an Euro coin on sale by the Los Angeles based gallery 1301 PE at the Art Cologne 2015 fair in CologneREUTERS
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Weshalb die stärksten Euro-Kandidaten das Interesse verlieren. Die Euro-Krise hat aufgezeigt, wie wertvoll es sein kann, wirtschaftliche Ungleichgewichte durch eine flexible Währung zu korrigieren.

Sechs EU-Mitgliedstaaten in Zentral- und Osteuropa haben den Euro noch nicht eingeführt. Eurobarometer-Umfragen zeigen, dass die Zahl der Befürworter des Euro in diesen Ländern über die letzten zehn Jahre stark abgenommen hat. Die Euro-Schuldenkrise, so argumentiert dieser Artikel, hat massgeblich dazu beigetragen, dass gerade die stärksten Volkswirtschaften der Region das Interesse an einer baldigen Einführung des Euro verlieren.

In einer Zeit, in der Griechenland (ge)droht (wird), die Einheitswährung der Europäischen Union (EU) aufzugeben, gibt es in Zentral- und Osteuropa sechs EU-Mitgliedstaaten, die den Euro erst noch einführen müssen. Gemäss EU-Gesetzgebung müssen sie dies tun, sobald sie die Maastricht-Kriterien erfüllen. Doch angesichts der aktuellen Lage der Union scheint es legitim zu fragen, welche der neueren EU-Länder den Euro überhaupt noch einführen wollen? Schließlich haben sich andere EU-Länder älteren Semesters wie Dänemark und Großbritannien bereits seit langem explizit gegen die Einführung der Einheitswährung entschieden – aus Gründen der "staatlichen Souveränität", wie es die EU bezeichnet. Auch Schweden ist de facto schon lange nicht mehr auf Euro-Einführungskurs, da das Land seine Zentralbankgesetze nicht angepasst hat und auch den Wechselkursmechanismus II bis heute nicht eingeführt hat.

Eine Versicherung für fragile Peripherieländer

Die EU-Mitgliedstaaten, die den Euro erst noch einführen müssen, sind Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, die tschechische Republik und Ungarn. Trotz Euro-Schuldenkrise bietet die Gemeinschaftswährung eine Reihe von offensichtlichen Vorteilen für sie, so scheint es. Neben der Eliminierung von Wechselkursschwankungen, der Senkung von Inflation und Zinsniveaus sowie wirtschaftlicher Integration bietet die Eurozone, nicht zuletzt, auch einen Sicherheitsschirm für seine Mitgliedsländer.

Dieses letzte Argument, so scheint es, hat seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise stark an Bedeutung gewonnen. Zumal die Europäische Zentralbank (EZB) sich in ihrer Geldpolitik in den letzten Jahren eher an den schwächeren Peripherieländern der Währungsunion orientiert hat als an den stärkeren Kernländern. Entsprechend hat die Eurozone heute eher den Charakter einer Versicherung für fragile Peripherieländer als den einer Union von um wirtschaftliche Integration bemühter Volkswirtschaften.

Dies ist für die Euro-Kandidaten in Zentral- und Osteuropa relevant im Hinblick auf die nach wie vor gewichtigen Nachteile, welche die Einführung der Einheitswährung mit sich bringt. Die Euro-Schuldenkrise hat aufgezeigt, wie wertvoll es für ein Land sein kann, wirtschaftliche Ungleichgewichte durch eine flexible Währung zu korrigieren. Polen war, mitunter aufgrund seines flexiblen Wechselkurses, im Jahr 2009 das einzige EU-Land, das keine Rezession verzeichnete. Umgekehrt mussten die baltischen Staaten eine harte “interne Devaluierung” durchlaufen, um ihren fixen Wechselkurs zum Euro beizubehalten.

Zusätzlich kommen Elemente eines Fiskalausgleichs hinzu, der Transferzahlungen an schwächere Peripherieländer vorsieht, wie es beispielsweise über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) geschieht. Diese Entwicklung wird von Mitgliedsländern mit besserem Staatshaushalt zunehmend als Nachteil angesehen. So hat sich beispielsweise die Slowakei als kleinere aber stärkere Volkswirtschaft in den letzten Jahren mehrfach dagegen gewehrt, Griechenland finanziell zu unterstützen. Angesichts der wachsenden Unsicherheit über die Zukunft der Eurozone sowie des sich wandelnden Charakters der Währungsunion zu einer Versicherung für fragile Peripherieländer ist es nicht erstaunlich, dass die Zahl der Euro-Befürworter in den EU-Ländern Zentral- und Osteuropas sinkt.

Sinkende Euro-Befürwortung Im Jahr 2004 gaben in der Eurobarometer-Umfrage der EU noch rund 60-70 Prozent der Befragten in Zentral- und Osteuropa an, die Einführung des Euro zu unterstützen. Gegen die Einführung des Euro hatten sich durchschnittlich 25 Prozent der Befragten ausgesprochen. 10 Jahre später hat die Zahl der Euro-Befürworter in der Region stark abgenommen.

Abbildung 1: Sinkende Befürwortung des Euro Eurobarometer Umfragen in 2004 und 2014 bzgl. Befürwortung des Euro

Quelle: European Commission, Eurobarometer (2004), (2014)

Wie Abbildung 1 zeigt haben sich zehn Jahre später im Schnitt nur noch 46 Prozent der Befragten für die Einführung des Euro ausgesprochen. Dieser Trend ist vor allem in der tschechischen Republik sowie in Polen relativ stark: in beiden Ländern fielen die Zustimmungsraten seit 2004 um 20-30 Prozentpunkte. Gleichzeitig scheint die Befürwortung des Euro in Rumänien, Ungarn, und Kroatien nach wie vor relativ stark zu sein: in diesen Ländern registrierte der Anteil der Euro-Befürworter in den letzten zehn Jahren den geringsten Rückgang.

Diese Ergebnisse scheinen relativ eng verknüpft mit der wirtschaftlichen Schwache, resp. Stärke der einzelnen Länder. Wir argumentieren, dass vor allem die wirtschaftlich stärkeren Volkswirtschaften das Interesse am Euro verlieren.

Wirtschaftliche Stärke setzt Anreize

Die wirtschaftliche Stärke einer Volkswirtschaft, bzw. Ihre Vulnerabilität gegenüber Schocks kann auf verschiedene Arten gemessen werden. Ein für das vorliegende Problem geeigneter Ansatz ist es, Niveaus sowie die Volatilität von Wirtschaftswachstum und Leistungsbilanzen über die längere Frist zu betrachten. Eine Volkswirtschaft, die über viele Jahre hinweg moderates Wirtschaftswachstum generiert, das von Jahr zu Jahr nur geringfügig schwankt, ist weniger anfällig gegenüber externen Schocks als eine Volkswirtschaft, die höheres, jedoch hochvolatiles Wirtschaftswachstum generiert. Das gleiche gilt für die Leistungsbilanzen. Je stärker getrieben eine Leistungsbilanz von kurzfristigen Kapitalflüssen ist, umso volatiler ist diese, und umso fragiler ist das Fundament einer solchen Volkswirtschaft in Krisenzeiten.

Mittels dieser einfachen Betrachtungsweise gehen wir davon aus, dass relativ schwächere Volkswirtschaften einen stärkeren Anreiz haben, den Euro einzuführen, um in den Genuss der Stabilisierungsmassnahmen von EZB und EU zu kommen. Für sie sollten die Vorteile der Euro-Einführung im Sinne einer Versicherung gegen Wirtschaftskrisen die Nachteile überwiegen. Umgekehrt gehen wir davon aus, dass relativ stärkere Volkswirtschaften diese Art von Versicherung nicht benötigen und dass für sie eher die Nachteile überwiegen. Abbildung 2 gibt die Resultate der Analyse für die EU-Länder Zentral- und Osteuropas wieder, mit Ausnahme von Bulgarien, das seinen Wechselkurs bereits seit Jahren an den Euro gekoppelt hat.

Abbildung 2: Die stärkeren und schwächeren Euro-Kandidaten Leistungsbilanzen (in Prozent des BIP) und reales BIP-Wachstum: Durchschnitt & Volatilität

Quelle: Internationaler Währungsfonds, jährliche Zahlen von 1995-2014; Der Index wird als gewichtete Rangfolge der einzelnen Länder berechnet (tiefer=besser)

Es folgt, dass die tschechische Republik sowie auch Polen in allen Belangen besser abschneiden. Sie weisen innerhalb der Gruppe der potentiellen Euro-Kandidaten tiefere und weniger volatile Leistungsbilanzen auf, sowie auch eine tiefere Volatilität ihrer Wachstumsraten. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Rumänien, Kroatien, und Ungarn.

Diese Betrachtungsweise stützt die These, dass Länder wie die tschechische Republik und Polen sowie deren Wirtschaftsakteure weniger Anreize haben, den Euro zu befürworten. Sie würden angesichts der damit verbundenen Einschränkung ihrer Geld- und Fiskalpolitik sowie des Risikos, die schwächeren Mitglieder der Eurozone subventionieren zu müssen, wahrscheinlich mehr verlieren als gewinnen. Länder wie Rumänien, Kroatien, und Ungarn sowie deren Wirtschaftsakteure hätten durch die Einführung wahrscheinlich mehr zu gewinnen (Absicherung gegen Wirtschaftskrisen) als zu verlieren (flexible Wechselkurs- und Zinspolitik).

Insgesamt stellt sich heute der Beitritt zum Euroraum als ökonomisches Problem der adversen Selektion dar, wobei gerade die stärksten Euro-Kandidaten relativ gesehen wenig Interesse an einer baldigen Einführung des Euro haben. Einzig das geopolitische Element, das die Annektierung der Krim durch Russland neu eingebracht hat, mag verschiedene Länder in Zentral- und Osteuropa ihre Einstellung zum Euro doch nochmals überdenken lassen. Gleichzeitig sind diejenigen Länder, die den Euro aus wirtschaftlichen Gründen möglichst bald einführen wollen, auch am wenigsten willkommen – jedenfalls heute. Wenn Griechenland die Eurozone verlassen sollte und damit die Möglichkeit eines Eurozone-Exits eröffnet, besteht eine reale Gefahr, dass die Währungsunion zu einer Vereinigung von schwachen Staaten wird, da starke Länder grössere Anreize haben, die Währungsunion zu verlassen.

Kein Zurück mehr für die baltischen Staaten

Zuletzt bleibt die Frage, weshalb die baltischen Staaten in den letzten Jahren, zuletzt Lettland im Januar 2015, den Euro eingeführt haben. Diese Länder stehen nach der Überwindung einer einschneidenden Rezession im Jahr 2009 wirtschaftlich nun wieder relativ gut da. Wir gehen davon aus, dass diese Länder aufgrund ihres fixen Wechselkursregimes zum Euro in den Jahren vor der Euro-Einführung alle genannten Nachteile des Euro bereits hatten, allen voran die Aufgabe der eigenen Geldpolitik. Umgekehrt kamen sie aber noch nicht in den Genuss der für Eurozone-Länder vorgesehenen Stabilisierungsmassnahmen, wie beispielsweise dem Zugang zu billiger EZB-Finanzierung. Entsprechend gab es für die baltischen Staaten kein Zurück mehr und die Einführung des Euro war für sie alle eine logische Konsequenz.

Angesichts der Situation, dass stärkere Euro-Kandidaten in Zentral- und Osteuropa keine Eile empfinden, den Euro bald einzuführen und die willigsten Euro-Kandidaten momentan wenig willkommen sind, wird es bis auf Weiteres wahrscheinlich keine neuen Euro-Einführer geben. Rumänien ist momentan das einzige Land, das überhaupt ein offizielles Einführungsdatum für den Euro im Jahr 2019 hat.

Der Autor

 ist seit 2015 Fixed Income Stratege im Asset Management Bereich und publiziert für morethanbrics.com ökonomische Analysen zu Schwellenländern. Nach seiner Promotion in Volkswirtschaftslehre an der Universität Basel war er Schwellenländer-Stratege im UBS Chief Investment Office. Während seines Studiums war er Student Fellow am American Institute for Economic Research (AIER) in Massachusetts.

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