Sollen Flüchtlinge einen Kostenbeitrag zahlen?

SLOVENIA REFUGEES MIGRATION CRISIS
SLOVENIA REFUGEES MIGRATION CRISISAPA/EPA/ANTONIO BAT
  • Drucken

Wie lassen sich die finanziellen Kosten der Flüchtlingswelle bewältigen? Der österreichische Professor Karl Socher schlägt eine Beteiligung der Flüchtlinge vor.

Angesichts der Flüchtlingswelle gibt es viele Vorschläge, wie die Kosten, die damit verbunden sind, gedeckt werden können. Der hier entwickelte Vorschlag geht davon aus, dass ein Teil der Kosten durch die Flüchtlinge selbst aufgebracht werden könnte. Sie sollten aus denjenigen Verdiensten, die über eine Grundversorgung hinausgeht, einen Beitrag zur Deckung der für sie aufgewendeten Kosten bezahlen. Das hätte zusätzlich den Vorteil, dass die Anreize für eine weitere Einwanderung durch die niedrigeren Netto-Löhne verringert werden.

Für die Finanzierung der Flüchtlingswelle gibt es viele Vorschläge: von einer allgemeinen Steuererhöhung (z.B. der Umsatzsteuer) eines Landes oder der EU, eine spezifischen Flüchtlingskosten-Steuer, eines durch Anleihen finanzierten Fonds, eines höheren Defizits oder auch freiwilliger Spenden. (*1)

Um einen Teil der hohen Kosten für Flüchtlinge abzudecken und den weiteren Aufenthalt und Zustrom von Flüchtlingen weniger attraktiv zu machen könnte im Sinne des Verursacherprinzips ein Kostenbeitrag von denjenigen Flüchtlingen verlangt werden, deren Asyl-Antrag bewilligt wurde. Sie können nach einer gewissen Zeit arbeiten und könnten damit entsprechend dem Kollektiv-Vertrag, ein für einen einheimischen Arbeiter ausreichendes Einkommen erzielen, ein Mindesteinkommen oder nach einiger Zeit Arbeitslosengeld beanspruchen. Ein Land ist aber nicht verpflichtet, Asyl-Suchende mehr als die Grundversorgung (z.B. wie in Deutschland Hartz IV) für ein sicheres Leben zu bezahlen. Das Mindesteinkommen für Einheimische soll dagegen einen – wenn auch nur niedrigen – im Land üblichen Lebensstandard sichern. Daher sollten Asyl-Suchende einen großen Teil des Lohnes, der über die Grundversorgung hinausgeht, für die Abdeckung der Kosten bezahlen, die sie verursachten haben. Diese Kosten bestehen nicht nur in Zahlungen für die Grundversorgung, sondern sind auch durch Kosten der Transfers und anderer öffentlichen Aufwendungen (z.B. im Gesundheits- und Bildungs-System). In Österreich können sogar Asylwerber zur Kostenbeteiligung dadurch herangezogen werden, dass ihre Verdienste aus einigen, wenigen erlaubten Arbeiten (Erntehelfer, Gemeinde-Arbeiten) von der Grundversorgung abgezogen werden.

Grundsätzlich könnten Asyl-Suchende auch niedrigere Löhne als die Kollektiv-Vertrags- oder Mindest-Löhne gezahlt werden. Am Arbeitsmarkt würden sie aber durch niedrigere Löhne eine ungerechtfertigte Konkurrenz zu den dort geltenden Kollektiv-Vertrags-Löhnen ausüben. Diese Konkurrenz gibt es in Österreich selbst dadurch, dass Einwanderer beim gleichen Kollektiv-Vertragslohn durch Akzeptierung schlechterer Arbeitsbedingungen (längere, ungünstige Arbeitszeiten usw.) die Einheimischen und sogar früher Eingewanderte verdrängen. Dazu kommt, dass in den Bereichen, in denen ein größeres Arbeitsangebot von Einwanderern zur Verfügung steh, die Kollektivvertrags-Löhne eher zurückbleiben. Beide Faktoren sind besonders in den Bereichen sichtbar, in denen wenig Sprach- und Berufskenntnisse notwendig sind, wie Tourismus, Bauwirtschaft, Haushalts-Reinigung und -Pflege. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen ziehen es Einheimische vor, einen anderen Job zu suchen oder Arbeitslosengeld zu beziehen. Die Arbeitslosenzahlen sind durch die Flüchtlingswelle deshalb in Österreich angestiegen, was allerdings auch mit der relativ hohen Lohnersatzrate des Arbeitslosengeldes erklärt werden kann.

Weil bei den relativ niedrigen Lehrlings-Löhnen kein Beitrag der Flüchtlinge anfällt, wäre eine Beschäftigung auch älterer Flüchtlinge als Lehrlinge eine gute Lösung, auch für die Integration. Diese Lösung wäre allerdings nur dort möglich, wo es das Lehrlings-System gibt (Deutschland, Österreich, Schweiz, Südtirol) und in den genannten Bereichen, wo es zu wenig Nachfrage nach Lehrstellen gibt.

Gegen die Zahlung des vorgeschlagenen Beitrags kann eingewendet werden, dass nach den Regeln der EU auch Nicht-EU-Bürger, die als Asylanten akzeptiert wurden, in der EU nicht anders behandelt werden dürfen, als EU-Bürger. (*2) Dieses Prinzip könnte aber abgeändert werden, weil es kein vorgeschriebenes Menschenrecht verletzt. Die Differenzierung kann auch damit begründet werden, dass die einzelnen Kosten, die seit dem Grenzübertritt und durch die Asyl-Gewährung entstanden sind, dem Asylwerber vorgestreckt worden sind, die er nach Maßgabe seiner Möglichkeiten zurückzahlen muss. Dass öffentliche Transfers nachträglich mit Beiträgen belastet werden können, sieht man beim "Pensions-Sicherungs-Beitrag" in Österreich, der Pensionen seit 2000 zuerst mit 1-3% und heute mit 5 -25% (zusätzlich zur progressiven Einkommensteuer von bis zu 50%) belastet.

Die Höhe des Beitrags könnte ein prozentueller Anteil des Einkommens sein, das die Grundversorgung übersteigt. Dass auch niedrige Arbeits-Löhne mit diesem Beitrag belastet werden, ist deshalb gerechtfertigt, weil bei niedrigen Einkommen entweder gar keine oder nur ganz wenig Steuern erhoben werden, die die verschiedenen direkten und indirekten Transfers (in Österreich Kindergeld, Mietkosten-Zuschuss, Gesundheits- und Bildungs-Kosten usw.) nicht abdecken, sodass diese das oberste Drittel oder Viertel der Steuerzahler aufbringen muss. Ab einem bestimmten höheren Einkommen, etwa das für die österreichische rot-weiss-rot Karte (für die Einwanderungs-Genehmigung geforderte) könnte der Beitrag wegfallen, weil hier der Steuerzahler zur Abdeckung der Flüchtlingskosten ausreichend beiträgt. Außerdem wäre es ein Anreiz, dass nur Flüchtlinge in Land bleiben, die einen ausreichenden Beitrag für die Erhaltung des Wohlstands des Landes leisten und nicht nur das gut ausgebaute Sozial-System belasten.

Die Verpflichtung zur Zahlung des Beitrags sollte bereits bei der Beantragung des Asyls angekündigt werden, damit Flüchtlinge schon rechtzeitig erfahren, dass sie nicht automatisch den gleichen Lebensstandard wie die Landesbürger erwarten können. Wenn in Zukunft der Asylantrag bei einem hot-spot im Ausland gestellt wird, könnte ein niedriger Beitrag verlangt werden, um den Anreiz für diese Antragstellung außerhalb des Landes zu vergrößern.

Weil diese Beiträge erst später anfallen werden, könnte zur sofortigen Deckung ein Fonds angelegt werden, der durch die Beiträge der EU und Kreditaufnahmen gespeist werden könnte. Die Kreditaufnahme würde das strukturelle Defizit nicht erhöhen und würde von der EU mit ziemlicher Sicherheit anerkannt werden. Eine spätere Steuererhöhung könnte allerdings notwendig werden, wenn die Beiträge der EU und der Flüchtlinge nicht ausreichen.

Dieses Flüchtlingskosten-Beitragsmodell, könnte in allen EU-Ländern eingeführt werden. Wenn dann in allen EU-Ländern nur die gleiche Grundversorgung und die fast gleichen, niedrigen Netto-Löhne erwartet werden können, besteht kein Anreiz für die Flüchtlinge, nur in die Länder mit hohem Einkommen und Sozialleistungen zu wandern.

Es gibt zwar Argumente, dass eine Einwanderung von wenig qualifizierten Arbeitskräften der einheimischen Bevölkerung nützen könnte. (*3) Die Bedingungen dafür sind aber in der gegenwärtigen Flüchtlingswelle mit einer Masseneinwanderung unqualifizierter Arbeitskräfte (mit nachfolgendem Familien-Zuzug) nicht gegeben. Ohne die Anreize für Flüchtlinge zu verringern, wird man diejenigen Asylsuchenden, die im Land bleiben wollen, und noch kommen wollen, nicht abhalten können. Die Alternative ist ein strenges Einwanderungsgesetz wie in den USA, mit ihrem Zaun an der mexikanischen Grenze nach dem Prinzip: "Es macht wenig Sinn, unglückliche Menschen nach Europa einreisen zu lassen. Wir können nicht alles Leid der Welt in Europa lösen." (Jean Claude Juncker *4). Das Asylrecht müsste auf Nachbarstaaten beschränkt werden und die Einwanderung nur für höher qualifizierte Arbeitskräfte beschränkt werden.

Kooperation

Wenn die Flüchtlingskosten nur durch die höheren Einkommensschichten durch weitere Steuererhöhungen bezahlt werden müssen, werden die jungen und mobilen Hochqualifizierten auswandern. Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

Der Autor

Karl Socher (geboren 1928) studierte Staatswissenschaften in Innsbruck und Wien. Von 1960 – 64 war er Mitarbeiter bei der Deutschen Bundesbank; von dort arbeitete in Arbeitsgruppen der EWG, OECD, des Europarats und ECE mit. 1964 -1970 war er Konsulent bei den Finanzministern Wolfgang Schmitz und Stephan Koren. Seit 1973 ist er an der Universität Innsbruck Professor für Politische Ökonomie - mittlerweile emeritiert.

Anmerkungen

* 1  Bruno S.Frey und Armin Steuernagel: Neue europäische Sozialsysteme für Flüchtlinge. Ökonomenstimme 6.10.2015
* 2  Ob diese Regelung auch in Nicht-EU-Ländern, wie die Schweiz gilt, ist fraglich.
* 3  Siehe etwa: Michael Battisti, Gabriel Felbermayr, Pnu Molrava: Einwanderung: Welchen Nutzen hat die einheimische Bevölkerung? Ifo-Schnelldienst 18/2015
* 4  Jean Claude Juncker, Interview in der Tiroler Tageszeitung, 22.8.2015.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.