Antialkoholiker gemobbt: Betrieb droht Zahlung

Antialkoholiker gemobbt Betrieb droht
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Wenn der Arbeitgeber nicht rasch gegen das Fehlverhalten von Mitarbeitern vorgeht, haftet er für Schäden, die ein diskriminierter Kollege erleidet. Es reicht nicht, eine Mediation in ein paar Monaten zu versprechen.

Wien. Gerade vor Weihnachten ist Alkohol am Arbeitsplatz ein Thema. Wenn ein Mitarbeiter aber von Kollegen gemobbt wird, weil er nicht mittrinkt, muss der Arbeitgeber rasch einschreiten. Das zeigt ein aktuelles Urteil.

Geklagt hatte ein Mann, der in einem Rehabilitationszentrum arbeitete. Er übte dort verschiedene Tätigkeiten aus, zuletzt war er Hausarbeiter und Portier. Doch der Mann fühlte sich von seinen Kollegen schlecht behandelt. Beschimpfungen, Computermanipulationen und weitere Schikanen sollen an der Tagesordnung gewesen sein. Den Grund ortete das Mobbingopfer darin, dass er im Gegensatz zu seinen Kollegen keinen Alkohol trank. Bei Feiern war der Mann unerwünscht. Der Alkohol schien in dem Rehabilitationszentrum aber auch während der Arbeit eine Rolle zu spielen. Als der Mann das einmal dem Verwaltungsleiter des Betriebs sagte, veranlasste dieser eine Prüfung: Dabei wurden leere Flaschen gefunden. Wer konkret Alkohol während der Arbeit trank, konnte nicht ermittelt werden. Der Gemobbte suchte sodann im Spätsommer 2008 den Werkmeister auf, der für die Diensteinteilung zuständig war. Der Mitarbeiter erzählte, er könne nicht mehr schlafen, weil er in der Arbeit schikaniert werde. Darauf teilte der Werkmeister den Mann für Arbeiten ein, die er entweder allein oder mit einem Kollegen, mit dem er sich gut verstand, ausüben konnte.

Der Mann sah sich aber wegen des Klimas am Arbeitsplatz im September 2008 veranlasst, ein E-Mail an den Verwaltungsleiter zu schreiben. Darin schilderte er sein schweres Vorleben, das „aus sechs Pflegeplätzen bestand“, und seine Schussvertäubung, deretwegen er Hörgeräte tragen müsse. Aber „in keinem Betrieb habe ich solche Intrigen – hinterhältige Aktionen – erlebt“, schrieb der Mann, der um eine Versetzung bat.

„Schwein, Kameradensau, Verräter!“

Im Herbst kam es zu zwei Besprechungen im Betrieb, an dem neben dem Mobbingopfer u. a. auch der Verwaltungsleiter und der Werkmeister teilnahmen. Dabei sagte man dem Mann, dass es keine Möglichkeit für einen Arbeitsplatzwechsel gebe. Man werde sich aber um eine Mediation bemühen, da die Situation zwischen den Hausarbeitern anders nicht mehr lösbar sei, hieß es im November. Die Mediation fand jedoch nie statt. Begründet wurde dies damit, dass der angefragte Mediator erst im Jänner 2009 einen Termin frei habe. Zu Beginn dieses Jahres ging der betroffene Mann aber bereits in den Krankenstand. Denn das Mobbing hatte sich verschärft. Die Mitarbeiter bekamen Wind davon, dass der Mann den Verwaltungsleiter über die Zustände informiert hatte. Deswegen hatte der Betrieb begonnen, vermehrt Alkoholkontrollen durchzuführen. Die Kollegen rächten sich: Als „Schwein, Kameradensau, Verräter, und A...“ wurde das Mobbingopfer bezeichnet. Wenn der Gemobbte als Portier arbeitete, wurde er nie abgelöst und konnte keine Pause machen.

Ein Jahr war der Mann in Krankenstand. Akute Kreuzschmerzen und ein Ausschlag, der auf Stress sowie auf die Medikamente und Spritzen zurückzuführen sei, würde ihn arbeitsunfähig machen, erklärte der Mann. Schließlich trat er aus dem Arbeitsverhältnis aus und ging in Pension. Im nun folgenden Prozess klagte der Mann rund 7000 Euro von seinem Ex-Arbeitgeber ein. Darin enthalten waren unter anderem 5000 Euro Verdienstentgang, tausend Euro Schmerzengeld sowie Kosten für Ärzte. Die beiden ersten Instanzen, das Landes- und das Oberlandesgericht Graz, wiesen die Klage ab. Der Arbeitgeber habe immer angemessen reagiert.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) sah die Sache anders: Die Richter betonten, dass den Arbeitgeber die Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter treffe und er schnell handeln müsse, wenn er von Mobbing erfährt. Ansonsten mache sich der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig. Bis hin zum Angebot der Mediation habe sich der Betrieb korrekt verhalten, meinten die Höchstrichter (9 Ob A 131/ 11x). Doch diese Mediation hätte man wegen der Brisanz nicht erst fürs kommende Jahr ansetzen dürfen, erklärten die Richter. Daher erhalte der Arbeitnehmer Schadenersatz, sofern seine Erkrankung tatsächlich auf das Mobbing zurückzuführen ist. Ob dies der Fall ist, müssen nun aber noch die Unterinstanzen klären.

Gemobbte Ostdeutsche klagte erfolgreich

Schadenersatzansprüche könnten bei Mobbing nicht nur auf das Gleichbehandlungsrecht, sondern auch auf das allgemeine Schadenersatzrecht gestützt werden, erklärt Gert-Peter Reissner, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Uni Innsbruck. Dadurch sind höhere Klagssummen möglich, weil man die Summe nicht bloß am immateriellen, sondern am tatsächlichen Schaden bemessen kann. Reissner verweist gegenüber der „Presse“ auch auf einen Fall aus dem Vorjahr, in dem eine Frau ihre Ersatzansprüche durchsetzt habe: Sie ist in einem Kärntner Betrieb wegen ihrer Herkunft aus Ostdeutschland gemobbt worden (9 Ob A 132/10t). [iStockphoto]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2012)

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