EU-Steuerpolitik: Recht statt Macht

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Die Diskussion um das Bankgeheimnis zeigt wieder einmal, wie schnell kleine Länder wie Österreich unter Druck kommen können. Nur gerichtlich durchsetzbare gemeinsame Regeln sichern Fairness im Steuerwettbewerb.

Wien. Europäische Steuerpolitik ist in aller Munde. Zwischen London, Paris und Berlin werden Festlegungen innerhalb weniger Stunden getroffen. Die Diskussion um das Bankgeheimnis zeigt wieder einmal, wie schnell kleine Länder wie Österreich unter Druck kommen können. Über die Frage, ob das Bankgeheimnis tatsächlich so wichtig für Finanzplatz oder Sparer ist, kann man sicherlich trefflich streiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Länder im freien Spiel der politischen Kräfte ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen durchsetzen, ist jedenfalls gering.

Die größeren und mächtigeren Staaten sind dankbar für die Diskussion um das Bankgeheimnis: Die Vorwürfe an Österreich lenken davon ab, dass auch die meisten dieser Staaten im eigenen Bereich oder in Gebieten unter ihrem Einfluss Anreize zur Steuerminimierung oder gar Steuerhinterziehung gewähren. Während sie auf Österreich zeigen, halten diese Staaten ihre eigenen Regelungen weitgehend aus der Diskussion heraus und bringen ihre Schäfchen ins Trockene. Ähnliche Erfahrungen mussten wir bereits am 13.3.2009 machen, als die Schweiz, Luxemburg und Österreich binnen weniger Stunden unter der Drohung, sonst auf schwarzen Listen aufzuscheinen, gezwungen wurden, ihre Vorbehalte zur OECD-Regelung auf dem Gebiet des Informationsaustausches zurückzuziehen.

Was können wir daraus lernen? Gerade ein kleines Land wie Österreich muss ein besonders großes Interesse daran haben, dass Steuerrecht viel stärker als bisher auf EU-Ebene geregelt wird. Solange die Diskussion um das „richtige“ Verhalten eines Staates ausschließlich auf politischer Ebene geführt wird, ziehen kleine Staaten den Kürzeren. Erst dann, wenn gemeinsame Regelungen geschaffen werden, deren Durchsetzung dann auch gerichtlich sichergestellt werden kann, haben Länder wie Österreich in der Staatenwelt eine faire Chance auf eine gerechte Behandlung. Wenn überhaupt jemand, dann können Gerichte unabhängig von politischer und wirtschaftlicher Macht agieren.

Beihilferecht setzte Gibraltar unter Druck

Es ist kein Zufall, dass das Offshore-Regime Gibraltars erstmals unter Druck gekommen ist, als der EuGH die Regelungen aus dem Blickwinkel des Beihilferechts geprüft hat. In der politischen Diskussion gelingt es Großbritannien hingegen meist, Gibraltar herauszuhalten. Ein Land wie Österreich müsste daher zu den größten Befürwortern klarer und einklagbarer Regeln auf europäischer Ebene gehören. Rechtlich unverbindliche „Codes of Conduct“, deren Einhaltung dann von den politisch Mächtigen bloß nach Maßgabe ihrer eigenen Interessen eingefordert werden, können hingegen nicht im Sinne Österreichs sein.

Daher sollte sich Österreich beispielsweise an die Spitze der Befürworter des Kommissionsvorschlags für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage stellen, damit der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten nach für allen gleichen Regeln abläuft und die harmonisierten Steuervorschriften in der Folge sukzessive die nationalen Regelungen verdrängen können. Das muss noch lange nicht zu einer Harmonisierung der Steuersätze führen, aber der Wettbewerb der verschiedenen Systeme würde transparenter und frei von Verwerfungen werden.

Steuerharmonisierung ist auch das Rezept gegen „aggressive“ Steuerplanung. Die Kommission ist bisher sehr defensiv. Sie schlägt die Einführung von allgemeinen Missbrauchsvorschriften vor, will Steuerbefreiungen in einem Staat von tatsächlicher Besteuerung in einem anderen Staat abhängig machen und fordert die Mitgliedstaaten auf, schwarze Listen von Drittländern zu erstellen und gegebenenfalls mit ihnen die Doppelbesteuerungsabkommen zu kündigen. Damit bestraft sie letztlich die Steuerpflichtigen für die Versäumnisse der Mitgliedstaaten: Wären die Regelungen über die Aufteilung der Besteuerungsrechte innerhalb der EU bereits durch eine Richtlinie vereinheitlicht und nicht bloß bilateral in Form von unterschiedlichen Abkommen geregelt, gäbe es die von der Kommission kritisierten Besteuerungslücken innerhalb der EU nicht mehr, die sich derzeit Steuerplaner zunutze machen. Doppelte Nichtbesteuerung ist dann genauso wie Doppelbesteuerung beseitigt.

Stärke gegenüber Drittländern

Sind die Regelungen innerhalb der EU harmonisiert, kann die EU auch gegenüber Drittländern einheitlich und mit politischer Stärke handeln. Die Kommission sollte die Federführung übernehmen und Abkommen mit Drittländern aushandeln und allein oder zusammen mit allen Mitgliedstaaten abschließen. Dann bedarf es keiner von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat – je nach nationalen Interessen – unterschiedlicher schwarzer Listen von Drittländern mehr. Die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Kommission wäre im Sinne Österreichs: Anders als einige mächtige EU-Staaten hat Österreich keine Steueroasen in Drittländern in seiner politischen Einflusssphäre. Wir haben kein Interesse, deren Geschäftsmodelle zu schützen. Unser Land sollte daher die lauteste Stimme für Steuerharmonisierung in Europa sein!

Prof. Michael Lang ist Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2013)

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