Strafrecht: Keine Reue für Bilanzfälscher

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FMA(c) Michaela Bruckberger
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Das Delikt der Bilanzfälschung führte bisher ein Schattendasein. Das könnte sich ändern. Ab 2014 wird nämlich die Bilanzpolizei Abschlüsse unter die Lupe nehmen.

Wien. Eine Bilanzpolizei, auch Enforcementstelle genannt, gibt es in Deutschland schon seit acht Jahren. Österreich als Schlusslicht der gesamten EU benötigt dazu bis 1.Juli 2013. An diesem Tag tritt das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz in Kraft, das sich am deutschen Modell orientiert. 165 Unternehmen müssen ab 2014 damit rechnen, dass ihre Abschlüsse samt Lageberichtenauf Fehler in der Rechnungslegunggeprüft werden. Jene nämlich, deren Wertpapiere an der Wiener Börse am geregelten Markt zugelassen sind. Grundsätzlich ist die Finanzmarktaufsicht (FMA) als Kontrollbehörde vorgesehen. Die eigentliche Prüfungstätigkeit wird jedoch von den Mitarbeitern der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung (ÖPR) bewerkstelligt werden. Dieser unabhängige, weisungsfreie Verein wurde bereits gegründet und muss noch vom Finanzministerium anerkannt werden.

Die FMA kann jedoch Prüfungen an sich ziehen, wenn sie das Ergebnis der Prüfung der ÖPR nicht als richtig ansieht, sie es im Sinne des öffentlichen Interesses für notwendig hält oder ein Unternehmen seine Mitwirkung an der Prüfung verweigert. Bald wird sich zeigen, ob die FMA vorerst im Hintergrund bleiben oder das Ruder doch gleich in die Hand nehmen wird. Davor fürchten sich nicht nur die Wirtschaftsprüfer, sondern auch die Unternehmen, denen früher oder später eine Kontrolle ins Haus steht. Orientieren sich die Prüfer bei der Arbeit an der Gründlichkeit der Deutschen Prüfstelle (DPR), können sich beide auf einiges gefasst machen. Die DPR entdeckte bei 20Prozent der geprüften Unternehmen Fehler in der Rechnungslegung. Die Folgen sind in Deutschland jene, die es auch in Österreich sein werden: Das Unternehmen muss zwar kein Bußgeld zahlen, aber die Fehler werden veröffentlicht. Angeprangert zu werden ist die eigentliche Strafe und für das Image ein Schaden. Kein Unternehmen wird eine fehlerhafte Bilanzierung gegenüber seinen Stakeholdern auf Dauer rechtfertigen können. Von einer Veröffentlichung kann die FMA dann absehen, wenn die Publizität dem Unternehmen allzu sehr schaden könnte. Diesen Joker lässt die deutsche Aufsicht aber kaum gelten. Erst einmal wurde von einer Veröffentlichung abgesehen.

„Nicht jeder Fehler ist eine Bilanzfälschung“

Gibt es Fehler in der Bilanz, kann auch der Straftatbestand der Bilanzfälschung erfüllt sein. „Bisher hat das Bilanzstrafrecht eher ein Schattendasein geführt, denn es wurde meist nur im Zusammenhang mit anderen schwereren Delikten wie Untreue, Betrug und Steuerhinterziehung verfolgt“, sagt Fritz Zeder, Leiter einer Straflegislativabteilung im Justizministerium. „Die ÖPR und die FMA werden nun systematisch Verstöße zutage fördern. Welche strafrechtlichen Dimension sie haben, ist die brennende Frage.“ Drei österreichische Unternehmen, die an deutschen Börsen gelistet sind und daher in Deutschland geprüft wurden, konnten schon erste Erfahrungen sammeln. Die DPR entdeckte Fehler in ihren Bilanzen. Die FMA erfuhr davon und schaltete sofort die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ein. Ein Verhalten, das den damaligen Vizepräsidenten der deutschen Bilanzpolizei, Axel Berger, befremdete. Anders als in Deutschland werde in Österreich offensichtlich auch bei kleinen Bilanzierungsfehlern automatisch die Staatsanwaltschaft befasst. Das gebe es in keinem anderen Land der Welt, sagte er im November 2012 zur „Presse“. Klemens Eiter, Partner der BDO Austria, fürchtet ebenfalls, die FMA könnte allzu streng verfahren: „Ziel des Rechnungslegungs-Kontrollgesetzes (RL-KG) ist es, die Qualität der Rechnungslegung zu heben und das Vertrauen in den österreichischen Kapitalmarkt zu stärken. Nicht, ihn unnötig zu kriminalisieren.“ Tatsache ist aber, dass die FMA – wie jede andere Behörde – bei Verdacht einer Straftat von Amts wegen zur Anzeige verpflichtet ist.

Rechtsanwalt Christopher Schrank sieht die Lage dennoch entspannt: „Sicherlich wird es künftig mehr Anzeigen geben, aber die müssen fundiert sein. Wenn eine kleine Rückstellung falsch war, wird die FMA keine Meldung bei der Staatsanwaltschaft machen. Da mussschon ein gröberer Schnitzer vorliegen.“

Zur Klarstellung: Bilanzfälschung ist ein Vorsatzdelikt. Täter können Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates und Beauftragte (also auch Wirtschaftsprüfer) sein. Sie machen sich nach Paragraf255 Aktiengesetz strafbar, wenn sie Verhältnisse der Gesellschaft oder erhebliche Umstände unrichtig darstellen, verschleiern oder verschweigen, selbst wenn sie sich nicht bereichern wollen. Es droht bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe.

Tätige Reue ist nicht möglich

Das RL-KG gibt ihnen jedoch die Chance der „Schadensbereinigung“, indem die Genannten selbst Bilanzierungsfehler publik machen. Die FMA kann dann von einer Anzeige absehen, wenn kein schwerwiegender Schaden zu befürchten ist. Dieser Passus wurde nach einem „in großer Eile erstellten Abänderungsantrag“, so Zeder, in letzter Minute in den Gesetzestext aufgenommen. Der Passus gibt Rätsel auf. Wurde da vielleicht etwas nicht bedacht? „Tätige Reue gibt es bei dem Delikt der Bilanzfälschung, im Gegensatz zu den klassischen Vermögensdelikten, nämlich nicht“, so Schrank. „Die Aufhebung der Strafbarkeit durch tätige Reue gibt es nur dann, wenn das Strafgesetz diese Möglichkeit für das Delikt vorsieht. Und das ist bei §255 Aktiengesetz nicht der Fall.“ So bringe die Bestimmung gar nichts, ärgert sich Zeder. Eine Reform des Bilanzstrafrechts habe das Justizministerium längst vorbereitet. „Aber es geht nichts weiter“, sagt Zeder.

In der Vergangenheit gab es wenig Verurteilungen. Die früheren Bawag-Granden Helmut Elsner und Johann Zwettler, Ex-Libro-Chef André Rettberg und Wolfgang Kulterer, Exvorstand der Hypo Alpe Adria, sind Beispiele. Nicht alle Verurteilungen sind rechtskräftig. Ob die Runde bald größer wird?

Die FMA beruhigt derweil: „Von einer Kriminalisierung der Wirtschaftsprüfer und der Finanzvorstände kann keine Rede sein, im Gegenteil: Gerade die Enforcementstelle stellt sicher, dass Auslegungsfragen oder geringfügige Vergehen nicht mehr unter dem Titel ,Verdacht auf Bilanzfälschung‘ bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden müssen. Der Staatsanwaltschaft ist nur der Verdacht auf einen gravierenden – strafrechtlich zu ahndenden – Verstoß anzuzeigen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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