"Die GmbH wird ihren guten Ruf verlieren"

GmbH Reinhold Mitterlehner
GmbH Reinhold Mitterlehner(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ab Juli reichen 10.000 Euro Stammkapital. Von Rechtsexperten setzt es Kritik, sie plädieren stattdessen für eine eigene Billig-Gesellschaftsform.

Ab Juli soll es möglich werden, mit nur 10.000 Euro Stammkapital eine GmbH zu gründen. Der Gesetzesentwurf passierte am Dienstag den Ministerrat („Die Presse“ berichtete). Weil, wie bisher, nur die Hälfte sofort eingezahlt werden muss, reichen künftig faktisch 5000 Euro als Einlage. Auch die Kosten bei der Eintragung und der Mindestbetrag an Körperschaftsteuer verringern sich.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Justizministerin Beatrix Karl (beide ÖVP) zeigten sich in einer Aussendung zufrieden: Man rechne mit etwa 1000 zusätzlichen GmbH-Gründungen pro Jahr. Lob kam aus der Wirtschaft: Jungunternehmern würden Steine aus dem Weg geräumt, sagten SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner unisono. Und Markus Roth, Chef der Jungen Wirtschaft, sprach von der „Verwirklichung einer langjährigen Forderung“.

Weniger euphorisch fielen die meisten Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren aus. Kritik kam unter anderem von ÖGB und Arbeiterkammer, von Landesregierungen, dem KSV1870 (Kreditschutzverband), Schuldnerberatern, dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und etlichen Rechtsexperten.

So spricht sich die Rechtsanwaltskammer zwar nicht gegen den Entwurf an sich aus, rät aber zu flankierenden Maßnahmen zur Verbesserung des Gläubigerschutzes. Solche seien in der Urfassung des Entwurfs auch vorgesehen gewesen, dann aber herausgestrichen worden, sagt Heinz Krejci, emeritierter Professor an der Uni Wien, im Gespräch mit der „Presse“. Dann sei aber „auf höchster Ebene politisch entschieden worden, ohne der jahrelangen Fachdiskussion Gehör zu schenken“.

Von Juristen immer wieder ins Spiel gebracht wird ein Alternativmodell, das es in Deutschland gibt: die „UG“ oder „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“. Sie ist speziell für Gründer gedacht, ein Euro Stammkapital genügt. Dafür besteht aber eine Gewinnrücklagepflicht: Zur Kapitalaufstockung muss jeweils ein Viertel des um den Verlustvortrag verminderten Jahresüberschusses angespart werden. Ist das GmbH-Mindestkapital – das in Deutschland 25.000 Euro beträgt – erreicht, kann die UG in eine GmbH umgewandelt werden.

Pleite muss wehtun

Wäre eine solche „kleine Schwester der GmbH“ auch für Österreich eine Lösung? Ja, sagt Ulrich Torggler, Professor für Unternehmensrecht an der Uni Wien. Denn dann wäre wenigstens die Rechtsform eine andere – und für Geschäftspartner wäre erkennbar, dass man es hier eben nicht mit einer GmbH zu tun hat. Setze man dagegen das Mindestkapital der GmbH herab, „wird die GmbH ihren guten Ruf verlieren“.

Ein Problem bekomme man durch die Einführung einer UG aber nicht in den Griff: Dass es, wenn es kein oder nur nur wenig Stammkapital zu verlieren gibt, Gründern nicht mehr wirklich wehtut, wenn sie ihr Unternehmen in den Sand setzen. Gerade das sei aber zur Verhaltenssteuerung wichtig, sagt Torggler. „Es stellt sich die Frage: Wie seriös ist eine Gesellschaft, wenn der Gründer nicht selbst in wesentlichem Umfang Eigenes aufs Spiel setzt?“

Hanns F. Hügel, Rechtsanwalt und Professor für Unternehmens- und Steuerrecht an der Uni Wien, plädiert ebenfalls für eine eigene Rechtsform. Grundsätzlich müsse man sich fragen, ob man eine „GmbH light“ braucht, obwohl das Gläubigergefährdung bewirke. Eine politische Entscheidung dafür sei aber zu akzeptieren, „auch wenn wir aus Deutschland wissen, dass viele Billig-GmbHs bald in Konkurs gehen und sich dort unter den Neugründungen auch etliche Kridatare und Vorbestrafte finden“. Mit all dem könne man notfalls – wie in Deutschland – leben. „Wahnsinn“ sei es, „wenn man bestehende GmbHs dazu reizt, Kapitalherabsetzungen zu machen und Einlagen auszuschütten“.

Droht Entkapitalisierung?

Denn auch das ist ein Effekt der geplanten Neuregelung: Bestehende GmbHs können ebenfalls ihr Stammkapital auf 10.000 Euro reduzieren, was aufgrund der großen Zahl an GmbHs (mehr als 100.000) zu erheblichen Gläubigerschädigungen führen kann. Verlockend ist die „Entkapitalisierung“, wenn Gewinnausschüttungen anstehen: Diese müsste man mit 25Prozent KESt versteuern. Eine Kapitalherabsetzung ist dagegen steuerfrei möglich. „Jeder Steuerberater würde dazu raten“, meint Hügel.

Und es könnte einen beachtlichen Steuerausfall bedeuten – bei der Körperschaftsteuer wie auch bei der KESt. Nach Schätzungen zahlen von den über 100.000 GmbHs, die es in Österreich gibt, etwa 40.000 nur die Mindest-KöSt, haben also vermutlich auch nur das Mindeststammkapital. Würden 40.000 GmbHs – sofern sie Gewinn machen – 25.000 Euro steuerfrei ausschütten, betrüge der KESt-Ausfall 250 Mio. Euro. Bei den Arbeiten an der Reform hätten das alle Beteiligten übersehen, sagt Hügel und spricht von einem „Schildbürgerstreich“. Zumal ausgerechnet Österreich auf EU-Ebene bislang einen Entwurf für eine neue, europaweit vorgesehene Gesellschaftsform blockiert habe, die ebenfalls als GmbH light dienen könnte: die Europäische Privatgesellschaft (EPG), für die ein Mindeststammkapital von 8000 Euro vorgesehen war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2013)

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