„Recht aufseiten der Verbraucher“

OGH
OGH(c) Michaela Seidler
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Schon ein bloßer Anruf bei einem Konsumenten im Ausland kann als absatzfördernde Maßnahme in diesem Land gelten. Im Streitfall muss man dann dort prozessieren.

Wien. Grenzüberschreitende Geschäfte kommen heute auch zwischen Unternehmern und Verbrauchern oft vor. Kommt es dann zu einem Rechtsstreit, ist es nicht unwesentlich, in welchem Land man prozessieren muss.

Laut EU-Recht ist der Konsument hier tendenziell im Vorteil: Er kann sich auf den Verbrauchergerichtsstand in seinem Wohnsitzstaat berufen, wenn der Unternehmer dort eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt – oder seine Tätigkeit auch nur auf irgendeinem Weg auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet.

Eine aktuelle OGH-Entscheidung (6Ob14/13x) legt diese Konsumentenschutzbestimmung weit aus: Demnach wird der Verbrauchergerichtsstand sogar schon dann begründet, wenn ein Unternehmen einen potenziellen Kunden erstmalig in seinem Wohnsitzland anruft, um ein Geschäft anzubahnen.

Streit um Maklerprovision

Anlassfall war ein Streit zwischen einem Salzburger Immobilienmakler und einem Mann mit Wohnsitz in den Niederlanden, der ein Gut in Oberösterreich geerbt hatte. Die Liegenschaft wurde verkauft, der Makler forderte daraufhin vom ehemaligen Eigentümer eine Vermittlungsprovision. Dieser lehnte das mit dem Argument ab, der Makler sei gar nicht für ihn, sondern nur für die Käuferin tätig geworden. Daraufhin klagte ihn der Makler, und zwar vor einem österreichischen Gericht.

Die heimischen Gerichte sind aber für den Fall gar nicht zuständig, stellte der OGH nun fest. Ein Mitarbeiter der Maklerfirma bemühte sich nämlich, nachdem er von den Verkaufsabsichten des Liegenschaftseigentümers erfahren hatte, redlich um einen Vermittlungsauftrag. Und kontaktierte den potenziellen Kunden – nach vergeblichen Versuchen, ihn an der Gutsadresse in Oberösterreich zu erreichen – schließlich telefonisch in den Niederlanden. Allein schon damit habe das Maklerunternehmen seine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet, fand das Höchstgericht. Wenn ein Unternehmen im betreffenden Land gezielt Werbung macht, ist das ohnehin der Fall. Aber auch andere absatzfördernde Maßnahmen zählen laut OGH genauso – eben auch ein Anruf zur Geschäftsanbahnung. Und es kommt – wie der EuGH schon vor rund einem Jahr klarstellte – auch nicht darauf an, ob es sich um ein im Fernabsatz zustande gekommenes Geschäft zwischen Unternehmer und Verbraucher handelt (EuGH C-190/11). Es spielt nicht einmal eine Rolle, ob überhaupt ein Auftrag erteilt wurde, denn dieselbe Zuständigkeitsregel gilt auch bei Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrags.

Fazit: Der Makler müsste seinen (behaupteten) Anspruch im Wohnsitzstaat des Konsumenten einklagen, im konkreten Fall in den Niederlanden. „Das Recht ist hier aufseiten der Verbraucher“, sagt der auf Immobilienrecht spezialisierte Wiener Anwalt Herbert Rainer. Die Entscheidung betreffe nicht nur das Maklergeschäft, sondern sei für alle Unternehmen relevant, die im Ausland Marketingaktivitäten setzen.

AUF EINEN BLICK

Der OGH entschied in einem Rechtsstreit zwischen einem österreichischen Makler und einem Liegenschaftsverkäufer mit Wohnsitz in den Niederlanden, dass österreichische Gerichte für die Klage des Maklers nicht zuständig sind. Denn ein Mitarbeiter des Maklers hatte den Kontakt mit dem potenziellen Kunden hergestellt, indem er ihn in den Niederlanden anrief. Das sei bereits eine auf das betreffende Land ausgerichtete berufliche Tätigkeit, entschied das Gericht. Der Makler müsste also in den Niederlanden klagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)

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