Arbeitsrecht: Wie weit Kontrollen gehen dürfen

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In Handelsbetrieben wird viel gestohlen. Um sich zu schützen, kontrollieren Unternehmen auch ihre Mitarbeiter. An sich ist das legitim – aber wo ist die Grenze?

Wien. Viel Aufregung gab es kürzlich um Leibesvisitationen, die Media-Markt-Mitarbeiter über sich ergehen lassen mussten. Primär betrafen die Vorwürfe die Filiale Krems, laut Gewerkschaft soll es aber auch an anderen Standorten zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein. Kritisiert wurde auch ein Passus in Dienstverträgen, wonach beim Verlassen des Hauses die Taschen geöffnet vorzuzeigen sind, um „Missverständnissen vorzubeugen“.

Die Chefetage der Handelskette reagierte prompt und distanzierte sich von „überschießenden Maßnahmen“. Leibesvisitationen dürfe es nicht geben, Taschenüberprüfungen nur mit Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter. Man kündigte ein klärendes Gespräch mit dem Sicherheitsdienst an, die kritisierte Vertragsklausel werde rechtlich geprüft.

Wie weit dürfen Unternehmen nun aber wirklich bei Kontrollen gehen? Dass Diebstähle für Handelsbetriebe ein Problem sind, lässt sich nicht wegdiskutieren. Zwar liegen für Österreich keine aktuellen Zahlen vor, wohl aber eine vom Forschungsinstitut EHI durchgeführte Untersuchung aus Deutschland. Demnach verlieren deutsche Einzelhändler durch „Inventurdifferenzen“ im Schnitt 0,57Prozent ihres Nettoumsatzes (bewertet zu Einkaufspreisen). Bewertet zu Verkaufspreisen und in Relation zum Bruttoumsatz sind es sogar 0,98Prozent. Die Hälfte der Abgänge geht laut der Untersuchung auf das Konto diebischer Kunden (1,9 von 3,8 Milliarden Euro, bewertet zu Verkaufspreisen). Für über ein Fünftel (800 Millionen Euro) seien Mitarbeiter verantwortlich.

Arbeitsrechtsexperte Thomas Angermair (Kanzlei Dorda Brugger Jordis) kritisiert denn auch die bislang geführte Diskussion als zu einseitig: Um abzugrenzen, welche Kontrollen erlaubt sind und welche zu weit gehen, müsse man zwar die Interessen beider Seiten umfassend abwägen. Aber: „Arbeitgeber haben ein Recht, ihr Eigentum zu schützen. Und auch ein Kontrollrecht – diesem unterwirft sich der Arbeitnehmer durch den Dienstvertrag. Das ist unbestritten.“

Was berührt die Menschenwürde?

Laut Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) dürfen jedoch Kontrollmaßnahmen, die „die Menschenwürde berühren“, nur mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden (oder in Unternehmen ohne Betriebsrat mit Zustimmung jedes einzelnen Mitarbeiters). Der Gesetzgeber habe dabei – wie den Erläuternden Bemerkungen aus dem Jahr 1974 zu entnehmen – speziell an Maßnahmen wie Torkontrollen und auch Leibesvisitationen gedacht, sagt Angermair. Von vornherein ausgeschlossen habe er diese somit nicht.

Dass es zu weit geht, wenn Sicherheitskräfte Mitarbeiter abtasten, bestätigt er jedoch: „Das übersteigt auch aus meiner Sicht das, was zulässigerweise vereinbart werden kann.“ Denn was die Menschenwürde nicht bloß berührt, sondern verletzt, ist verboten, selbst wenn der Betroffene zustimmt.

Dagegen wäre eine Kontrolle mit einem Scanner, der mit Code gesicherte Waren erkennt, mit Zustimmung wohl erlaubt – auch wenn man das ebenfalls als eine Art Leibesvisitation sehen kann. Generell dürfen Arbeitgeber nur das schonendste, zum Ziel führende Mittel anwenden und die Privatsphäre nicht verletzen. Hausbesuche bei Mitarbeitern sind tabu, die Aufforderung, den Kofferraum des Privatautos zu öffnen, wäre laut Angermair ebenfalls „in aller Regel überschießend“. Das könnte geradezu erniedrigend sein, speziell wenn es nur Einzelne betrifft und andere Mitarbeiter dabei Zeugen werden. Anders wäre es, wenn ein Mitarbeiter in einem konkreten Einzelfall – um einen Verdacht abzuwehren – den Blick ins Privatfahrzeug gestattet.

Generell seien die Grenzen fließend, sagt Georg Fellner, Rechtsanwalt bei Brauneis Klauser Prändl. Stichproben seien meist eher vertretbar als flächendeckende Kontrollen. Es mache auch einen Unterschied, ob ohne konkreten Anlass kontrolliert wird oder ob im Unternehmen schon viel vorgefallen ist und andere Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen erfolglos waren. Auf Art und Wert der Waren kommt es ebenfalls an.

Und wie steht es um Taschenkontrollen? Die können wirksam vereinbart werden. Das Herumblättern im privaten Kalender oder das Kramen in persönlichen Dingen würde aber zu weit gehen, sagt Fellner. Der Arbeitgeber kann aber, so Angermair, schon verlangen, „dass die Tasche so hergezeigt wird, dass man auch etwas sieht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2014)

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