Nach Merkels Skiunfall: "Sport kann man nicht verbieten"

Kanzlerin Merkel kommt am Mittwoch wegen ihrer Beckenverletzung auf Krücken zur Sitzung des Bundeskabinetts.
Kanzlerin Merkel kommt am Mittwoch wegen ihrer Beckenverletzung auf Krücken zur Sitzung des Bundeskabinetts.APA/EPA/KAY NIETFELD
  • Drucken

Angela Merkel ist nicht allein: Viele Arbeitnehmer verletzen sich beim Wintersport. Arbeitsrechtlich müssen sie wenig befürchten. Es sei denn, sie waren alkoholisiert auf der Piste.

Wien. „No sports“. So simpel war das Rezept, das der britische Premier Winston Churchill Journalisten stets nannte, wenn sie ihn nach dem Grund für sein hohes Alter fragten. Ganz ehrlich war der Staatsmann freilich nicht. Er war ein begeisterter Fechter und Polospieler. Im noch jungen Jahr 2014 klingt das berühmte Churchill-Zitat für manche seiner heutigen Kollegen dennoch wie Hohn. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa zog sich beim Langlauf in Engadin einen Sprung im linken hinteren Beckenring zu. Die frühere Finanzministerin Maria Fekter brach sich beim Skifahren in Saalbach-Hinterglemm das Schlüsselbein. Das wirft die Frage auf: Dürfen die das? Oder vielmehr: Dürfen das auch einfache Angestellte? Können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Wintersport aus Sicherheitsgründen verbieten? Und was riskiert man, wenn man trotzdem auf die Piste geht?

"Skifahren ist sozial adäquat"

"Grundsätzlich ist der Mitarbeiter in seiner Freizeit frei, alles zu tun, was er will", sagt Arbeitsrechtsexperte Kurt Wratzfeld. Zumindest solange alles im Rahmen bleibt. Bei der deutschen Kanzlerin sei das in jedem Fall so gewesen. Glaubt man den Worten des deutschen Regierungssprechers Steffen Siebert, ist Angela Merkel bei "niedriger Geschwindigkeit" beim Langlauf hingefallen. Langlaufen oder Skifahren gelten hierzulande als "sozial adäquates" Verhalten und müssen daher prinzipiell erlaubt sein, sagt der Anwalt. Von grober Fahrlässigkeit könne hier auch keine Rede sein. Überhaupt könne man „Sport nicht grundsätzlich verbieten".

Mehr Einschränkungen kann es für Vorstände, die vor dem Gesetz nicht als Arbeitnehmer gelten, oder Profisportler geben: Ihnen können bestimmte Sportarten, aber etwa auch überlange Discobesuche oder das Rauchen vertraglich untersagt werden, weil sie stark mit dem Unternehmen identifiziert werden, erklärt Michael Leitner, Rechtsanwalt bei Gerlach Rechtsanwälte. Bei „normalen Angestellten“ seien derartige Klauseln in seinen Augen jedoch nichtig. Problematisch wird es für die Masse der Arbeitnehmer nur, wenn sie grob fahrlässig handeln. Dafür kann es aber schon ausreichen, etwas gefährlichere Sportarten als Hobby zu wählen. „Ein Sprung in unbekannte Gewässer genügt mitunter“, so Wratzfeld. Eine Zeit lang sei Paragliden aufgrund der hohen Verletzungswahrscheinlichkeit ein Streitthema in Österreich gewesen.

Alkohol auf der Piste wird teuer

Aber auch das „sozial adäquate“ Skifahren kann zum Problem werden. Nämlich dann, wenn Arbeitnehmer alkoholisiert auf der Piste unterwegs sind. Direkt um den Job zittern muss zwar auch bei grober Fahrlässigkeit niemand. Für Kündigungen brauchen Arbeitgeber in Österreich zwar ohnedies keinen Grund. Für eine fristlose Entlassung reicht aber ein Pistenunfall auch im berauschten Zustand kaum aus.

Man könnte jedoch seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankenstand verlieren. In den ersten sechs Wochen bezahlt der Arbeitgeber den Lohn zur Gänze weiter, weitere vier Wochen zur Hälfte. Das könne gestrichen werden, erklärt Kurt Wratzfeld. Sein Kollege Leitner hält das für „denkbar, aber unwahrscheinlich“. Höchst theoretisch ist es in jedem Fall: Typischerweise erfährt der Arbeitgeber gar nicht, warum sein Mitarbeiter in Krankenstand ist. Einen Anspruch auf diese Information hat er nicht.

Wer sich also nicht direkt neben seinen tratschsüchtigen Kollegen oder vor den Augen sensationslüsterner Lokalreporter erst betrinkt und dann spektakulär verletzt, hat wenig zu befürchten. Nur Statusmeldungen wie „mit 2,3 Promille auf der Streif“ sollten im Facebook-Profil dann nicht zu finden sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Minister, Sportler, Prinzen

Skiunfälle von Prominenten


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.