Luftfahrt: „Freiflug“ für Businessjets

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Ein österreichisches Bedarfsflugunternehmen hat nach fünf Jahren Rechtsstreit ein für die gesamte europäische Branche richtungsweisendes EuGH-Urteil erwirkt.

Wien. Sie heißen Falcon, Challenger, Learjet, Gulfstream oder Citation und werden nicht nur von Oligarchen und Filmstars gern genützt: Businessjets sind auch für Unternehmen eine durchaus auch wirtschaftliche Alternative zum Linienflug, vor allem, weil sie sehr flexibel einsetzbar sind und auch kleinere und abgelegene Airports ansteuern können. Die rund 50 heimischen Bedarfsflugunternehmen, die zuletzt einige Bruchlandungen (die prominenteste war Jet Alliance) erleben mussten, profitieren nunmehr vor allem von der großen Nachfrage aus Russland und der Ukraine. Allein hierzulande werden jährlich rund 19.000 Flüge mit Businessjets durchgeführt.

Eine dieser Firmen, die International Jet Management (IJM) mit Sitz in Schwechat, hat nun durch viele Jahre und alle Instanzen ein Urteil beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwirkt, das für die gesamte europäische Bedarfsflugbranche bahnbrechend ist.

Es geht um die sogenannte Einfluggenehmigung: Diese verlangte das deutsche Luftfahrtbundesamt von allen europäischen Bedarfsflugunternehmen (außer den deutschen) für Flüge von einem EU-Drittstaat nach Deutschland. Also eben auch für Flüge von Russland oder aus den Emiraten. Allein diese Genehmigung widerspreche schon dem Gleichheitsgrundsatz, sagt IJM-Geschäftsführer Robert Schmölzer. Noch mehr hat ihn aber die Fristenlage aufgeregt.

Denn die Einfluggnehmigung musste spätestens drei (Werk)Tage vor Abflug vorliegen. Zusätzlich musste bewiesen werden, dass kein deutsches Unternehmen diesen Flug durchführen konnte. Bei fehlender Genehmigung wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet – mit einer Strafe von bis zu 2200 Euro pro Flug.

Höchste Flexibilität

„Unser Geschäftsmodell beruht ja darauf, dass wir binnen zwei Stunden startklar sein können und dem Kunden so ein Höchstmaß an Flexibilität bieten“, sagt Schmölzer. Aufträge kämen manchmal sehr kurzfristig. „Es kann daher nicht sein, dass ein Dienstleister, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Leistungen erbringt, in Deutschland unterbunden wird.“ Ganz abgesehen vom finanziellen Schaden. Denn viele Flugunternehmen hätten die Strafen in Kauf genommen, statt einen wichtigen Kunden zu vergrämen.

Für IJM-Flugbetriebsleiter Horst Nentwich wieherte der Amtsschimmel vor allem dann besonders laut, wenn etwa ein Flug zwar angemeldet, aber in letzter Minute abgesagt wurde – „was immer wieder passiert“ – und die deutschen Behörden dennoch „amtshandelten“.

Nach mehreren Gesprächen mit Mitbewerbern schritt die IJM 2009 aufgrund eines konkreten Anlasses (ein Flug von Moskau nach Frankfurt) zur Tat. „Uns ging es darum, diese unhaltbare Situation im Sinne der gesamten Branche zu hinterfragen“, betont Nentwich. Die IJM brachte beim Amtsgericht Braunschweig Rechtsmittel gegen die entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren ein, mit der Begründung, diese seien diskriminierend und verletzten EU-Recht. Die IJM verlor zwar, ging aber umgehend in die nächste Instanz, an das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig. Und dieses wandte sich an den EuGH zur Vorabentscheidung.

Weitreichende Folgen

Die europäischen Richter haben am 18.März entschieden, dass solche Strafzahlungen nicht rechtens sind, weil das Diskriminierungsverbot auch für Flüge von Drittstaaten gilt. Konkret darf also eine in der EU, aber außerhalb Deutschlands beheimatete Airline in diesem Zusammenhang nicht anders behandelt werden als ein deutsches Unternehmen.

„Ein Operator darf weder aufgrund seiner Staatszugehörigkeit noch aufgrund des Umstandes, dass er in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als in jenem, in dem er Dienstleistungen erbringt, diskriminiert werden“, erklärt der Rechtsanwalt und Vorstand des Instituts für Österreichisches und Internationales Luftfahrtrecht, Joachim Janezic. Der Experte ist überzeugt, dass das EuGH-Urteil nicht nur für Deutschland Auswirkungen haben wird. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Regelungen, die nun wohl aufgrund dieses Urteils geändert werden müssen. In dem Verfahren haben sieben Mitgliedstaaten Erklärungen abgegeben.

Deutschland werde die entsprechenden Gesetze nicht ändern, aber ruhend stellen, meint Schmölzer. Die beim OLG anhängigen Verfahren müssten eingestellt werden. Schützenhilfe für das fünf Jahre dauernde Rechtsverfahren habe man auch vom Infrastrukturministerium und dem Fachverband Luftfahrt in der Wirtschaftskammer erhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2014)

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