Die teuersten Fehler im Arbeitsrecht

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Unüberlegte Vertragsklauseln, ungeahnte Zusatzkosten: Eine Arbeitsrechtsexpertin beleuchtet rechtliche Stolpersteine aus Dienstgebersicht.

Wien. Erst kürzlich erhitzte ein Rechtsstreit um die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die eine Fehlgeburt erlitten hatte, die Gemüter: Ihr Arbeitgeber – eine Anwaltskanzlei – hatte angenommen, sie werde neuerlich schwanger werden wollen, und löste den Dienstvertrag. Das sei Diskriminierung, entschied der OGH und sprach der Frau eine Entschädigung zu. Die Entscheidung ist nicht unumstritten: Die einen loben die Stärkung des Diskriminierungsverbots, die anderen meinen, das gehe zu weit und führe zu einem „De-facto-Kündigungsschutz“ für Frauen im gebärfähigen Alter.

Abseits von dieser Grundsatzdiskussion zeigt der Fall aber vor allem eines: Mitarbeiter zu diskriminieren kann für Arbeitgeber teuer werden. Arbeitsrechtsexpertin Simone Liebmann-Slatin zählt Diskriminierung sogar zu den „sieben teuersten Fehlern im Arbeitsrecht“. Aufgelistet hat sie diese Fehler für ein Seminar – und sie räumt ein, dass es auch gut und gern zehn oder zwölf Punkte hätten werden können.

Bonus nur für Männer?

Das Diskriminierungsverbot hat viele Facetten. So können sogar Bonussysteme eine „mittelbare Diskriminierung“ darstellen. Liebmann-Slatin nennt als Beispiel einen umsatzabhängigen Bonus, den sich faktisch nur Verkaufsmitarbeiter und nicht auch jene im Backoffice verdienen können. An sich ist das nicht verboten. Problematisch wird es aber, wenn im Verkauf ausschließlich Männer und im Backoffice nur Frauen arbeiten – und sich diese Geschlechterverteilung nicht bloß zufällig ergibt. Diskriminierend sein könnte ein Bonussystem auch dann, wenn die Schwelle so angesetzt wird, dass alle Teilzeitmitarbeiterinnen ausgeschlossen werden.

Überhaupt sind Bonussysteme fehleranfällig und können dann viel teurer kommen als gedacht. So können unklare Formulierungen dazu führen, dass Mitarbeiter einen praktisch unwiderruflichen Anspruch auf einen Bonus erhalten. Wichtig sei es, in die Vereinbarung entweder einen Unverbindlichkeitsvorbehalt aufzunehmen, rät die Juristin – in diesem Fall entsteht gar kein Rechtsanspruch auf den Bonus –, oder aber sich den Widerruf vorzubehalten.

Was gleich zu einem weiteren Punkt auf der Liste der teuersten Arbeitgeberfehler führt: zu unüberlegten Vertragsklauseln. So kommt es oft vor, dass ein Dienstvertrag sowohl eine Befristung als auch eine Kündigungsklausel enthält. Damit wollen sich Arbeitgeber bei Dienstverhältnissen, die für mehrere Jahre abgeschlossen werden, die Möglichkeit für einen vorzeitigen Ausstieg sichern. Nun umfassen solche Verträge oft viele Seiten und setzen sich aus vorgefertigten Textbausteinen zusammen. Und nicht selten steht die Befristung gleich am Anfang und die Kündigungsklausel recht weit hinten, ohne dass beides zueinander in Beziehung gesetzt wird. Das könne dazu führen, dass die Kündigungsklausel unwirksam wird und nur die Befristung gilt, sagt Liebmann-Slatin. Man muss dann dem Mitarbeiter, von dem man sich vorzeitig trennen will, womöglich noch für Jahre sein Gehalt bezahlen. Vermeiden ließe sich das zum Beispiel durch einen simplen Zusatz bei der Kündigungsklausel, dass es hier um die Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Fristablauf geht.

Viel falsch machen kann man auch bei Konkurrenzklauseln. Zum Beispiel ist ein Pönale zwar üblich, aber nicht immer sinnvoll. Will ein Arbeitgeber verhindern, dass ein Mitarbeiter zu einem bestimmten Konkurrenten wechselt, sollte er diesen in der Klausel ausdrücklich nennen – und von einer Vertragsstrafe lieber absehen, rät die Expertin. „Denn das Pönale verhindert, dass man das Konkurrenzverbot durchsetzen kann.“ Der ehemalige Mitarbeiter kann sie zahlen und sich damit quasi „freikaufen“. Wenn kein Pönale vereinbart ist, kann der Arbeitgeber dagegen auf Unterlassung klagen.

Weitere häufige und kostspielige Fehler sind arbeitsrechtliche Umgehungskonzepte, von Scheinselbstständigkeit bis zu Geschäftsmodellen, die auf Arbeitskräfteüberlassung hinauslaufen, ohne dass man die dafür nötige Gewerbeberechtigung hat, aber auch mangelnde Arbeitszeitplanung und rechtswidrige oder mangelhafte Mitarbeiterkontrolle. So nützen „kostensparende“ Gleitzeitregelungen gar nichts, wenn sie wegen Formalfehlern unwirksam sind. Und eine gültige Gleitzeitvereinbarung bedeutet immer eine Arbeitszeitflexibilisierung zugunsten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann dann nicht einseitig anordnen, wann man länger arbeiten muss. Bei All-in-Verträgen oder Überstundenpauschalen wiederum können sich falsche Einstufungen im Kollektivvertrag bitter rächen: Berechnet man das pauschale Entgelt auf Basis eines zu niedrigen Stundenlohns, können hohe Nachzahlungen anfallen.

„Computer ist nicht heilig“

Bei der Kontrolle der Mitarbeiter gehen Arbeitgeber zwar mitunter zu weit, andererseits hätten sie aber oft auch zu große Angst, den Datenschutz zu verletzen, meint Liebmann-Slatin. „Jeder glaubt, der Computer am Arbeitsplatz des Mitarbeiters ist heilig, den darf man nicht anrühren. Aber wenn es um einen Geschäftsfall geht, kann man da genauso hineinschauen wie in einen Ordner im Regal.“ Wobei man natürlich einen privaten Brief, den man dabei findet, da wie dort nicht lesen darf.

Und nun noch zum siebenten Punkt, der übrigens auf der „Originalliste“ der Arbeitsrechtsexpertin an erster Stelle steht: Fehler bei Kündigungen. Allein damit ließen sich Bände füllen – und es geht dabei nicht nur um Gängiges wie das Übersehen kollektivvertraglicher Kündigungsfristen. Zum Beispiel kann es passieren, dass ein Arbeitnehmer, obwohl er erst seit ein paar Jahren im Unternehmen ist, Anspruch auf eine hohe Abfertigung alt hat – einfach deshalb, weil man ihn im Zuge eines Betriebsübergangs mitübernommen hat und daher auch die Jahre aus seinem Altvertrag für die Abfertigung zählen. Oder man übersieht, dass die Trennung von einem Geschäftsführer sowohl gesellschafts- als auch arbeitsrechtlich korrekt abgewickelt werden muss. Und er behält, solange der Fehler nicht behoben ist, formal seine Funktion oder seine Anstellung – samt Anspruch auf üppige Bezüge.

ZUR PERSON

Simone Liebmann-Slatin ist seit 1999 Rechtsanwältin und trat 2003 in die Kanzlei Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche in Wien ein. Zu ihrem Tätigkeitsbereich gehören vor allem Arbeitsrecht, Vertragsverhandlungen, Gestaltung von betrieblichen Leistungen und Vergütungssystemen, grenzüberschreitende Transaktionen und Restrukturierungen. [ Baker&McKenzie]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2014)

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