Höchstgericht: Auch die Fürsorgepflicht hat Grenzen

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Eine Pflegehelferin wurde gekündigt, weil sie wegen einer Behinderung ihren Job nicht mehr ausüben kann. Laut OGH ist die Kündigung rechtens.

Am Mittwoch, befasste sich der Nationalrat mit Änderungen des Bundesbehindertengesetzes und der Sozialversicherungsgesetze. Beschlossen wurde unter anderem, dass Waisenpension und erhöhte Familienbeihilfe wieder aufleben, wenn behinderte Menschen nach einem „Versuch“ auf dem Arbeitsmarkt an einen Arbeitsplatz in einer Werkstätte zurückkehren. Bisher verlor man durch einen Wechsel auf den Arbeitsmarkt diese Ansprüche endgültig.

Um Diskriminierungs- und Kündigungsschutz geht es in diesen Rechtsvorschriften nicht – das ist im Behinderteneinstellungsgesetz geregelt. Auch dazu gab es kürzlich eine Klarstellung, und zwar durch eine aktuelle OGH-Entscheidung (9Oba 165/13z). Es ging um die Kündigung einer Pflegehelferin, deren Dienstverhältnis der Vertragsbedienstetenordnung (VBO) unterlag. Gekündigt wurde sie wegen häufiger Krankenstände: In den letzten sechs Jahren war sie im Schnitt jeweils 113 Tage krank, ab 20. Juni 2010 bis zu ihrer Kündigung per Ende September 2011 sogar durchgehend. Zumindest beim letzten Krankenstand gab es einen Zusammenhang mit ihrer 30-prozentigen Behinderung. Ihre Tätigkeit als Pflegehelferin konnte sie nicht mehr ausüben, sondern nur noch einen kleinen Teil davon im Bereich der Patientenanimation. Dafür allein hatte ihr Arbeitgeber aber keine Vollzeitarbeitsplätze anzubieten.

Keine Diskriminierung

Nun enthält auch die VBO ein Diskriminierungsverbot. Darauf berief sich die Arbeitnehmerin und klagte auf Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses – sie sei ausschließlich wegen ihrer Behinderung und damit zusammenhängenden Krankenständen gekündigt worden. Der OGH entschied jedoch, die Kündigung sei rechtens – die Pflegehelferin könne nämlich weder ihre vertraglich vereinbarte Tätigkeit noch eine verwertbare Teiltätigkeit ausüben. „Eine Pflicht, sie außerhalb der vereinbarten Tätigkeit weiterzubeschäftigen, besteht nicht“, so Rechtsanwalt Helmut Engelbrecht. Zwar muss der Arbeitgeber, um den Diskriminierungsvorwurf auszuschließen, angemessene und ihm zumutbare Maßnahmen ergreifen – aber nicht jemanden weiterbeschäftigen, der die wesentlichen Funktionen seines Arbeitsplatzes nicht mehr erfüllen kann. Selbst die Fürsorgepflicht für begünstigte Behinderte nach Behinderteneinstellungsgesetz (das hier nicht anzuwenden war, Anm.) gehe laut OGH-Judikatur nicht so weit, dass man andere Mitarbeiter kündigen und „Verweisungsarbeitsplätze“ schaffen müsse, sagt Engelbrecht.

Aber: Das Höchstgericht stellt in der aktuellen Entscheidung auch klar, dass es durchaus mittelbare Diskriminierung sein kann, wenn Fehlzeiten wegen einer Behinderung undifferenziert mit anderen Krankenständen gleichgesetzt werden. Selbst wenn der Arbeitgeber bis dahin von der Behinderung des Mitarbeiters gar nichts wusste, schließt das die Möglichkeit einer Diskriminierung nicht aus. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2014)


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