Woran scheitern Fusionen unter Gleichen?

Maurice Levy/ John Wren
Maurice Levy/ John Wren(c) Bloomberg (Balint Porneczi)
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Die Werbeagenturen Omnicom und Publicis planten ihren Zusammenschluss. Die beiden Chiphersteller AMS und Dialog Semiconductor auch. Aus beiden Projekten wurde nichts.

Wien. Zwei Werbeagenturen, die französische Publicis und die US-amerikanische Omnicom nämlich, planten ihren Zusammenschluss. Viele Monate lang saß man gemeinsam am Verhandlungstisch. Doch aus dem Vorhaben, einen Konzern zu schaffen, dessen Marktwert rund 35 Milliarden Euro betragen hätte, wurde nichts. Im Mai gaben die Vorstandsvorsitzenden der beiden Werberiesen bekannt, die Fusion unter Gleichen (Merger of Equals) sei abgeblasen. Zu große Unterschiede der Unternehmenskulturen führten die Vorstandsvorsitzenden als Grund für das Scheitern an.

Dass sich das Management schon bei der Frage, wer denn künftig den Finanzchef des neuen Imperiums stellen sollte, die Franzosen oder die Amerikaner, in die Haare geraten war, sagte freilich niemand offiziell. Doch auch ein anderer geplanter Merger of Equals, jener des deutsch-britischen Chipentwickler Dialog Semiconductor mit der österreichischen AMS, wurde Ende Juli auf Eis gelegt. Für Anleger mag das Ende der Gespräche enttäuschend gewesen sein, nachdem Analysten die geplante Fusion stets als sinnvoll bezeichnet hatten. An der Börse jedoch wirkte sich die Entscheidung gegen die Liaison nicht negativ aus. Im Gegenteil: Die Kurse beider Unternehmen schnellten nach der Verlautbarung deutlich in die Höhe.

Begeisterung und Unbehagen

Doch weshalb gelingen Fusionen unter Gleichen eigentlich so selten? „Zuerst muss man sich fragen, wann ein Merger of Equals überhaupt Sinn macht“, sagt der Transaktionsexperte Christian Herbst, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Schönherr Rechtsanwälte. „Nur dann, wenn beide Firmen zu dem Ergebnis kommen, dass eins und eins drei macht.“ Wenn sich die Geschäftsfelder der beiden Unternehmen ergänzen, Märkte nur gemeinsam, aber nicht allein, erobert werden können und durch den Merger eine neue kritische Unternehmensgröße mit Relevanz im internationalen Wettbewerb entsteht, wären das zweifellos Argumente, die für einen Merger sprechen können. „Dass der Zusammenschluss dazu führen soll, dass man Synergien nutzen und auf diese Weise Kosten in vielen Bereichen einsparen kann, ist ein weiterer Punkt, der Aktionäre und Stakeholder überzeugen kann“, sagt Rechtsanwalt Philipp Dubsky, der AMS bei den Fusions-Verhandlungen vertrat.

Denn genau das sei die Schwierigkeit bei einem Merger of Equals: „Man muss viel mehr Menschen überzeugen, als das bei einem Unternehmenskauf sonst der Fall ist. Aufsichtsräte, Vorstände, Verwaltungsräte, Gesellschafter und Stakeholder beider Unternehmen müssen für die Sache begeistert werden. Das muss erst einmal gelingen.“ Denn während Aktionäre sich darüber freuen mögen, dass der Zusammenschluss zu Kosteneinsparungen und mehr Effizienz führen wird, erregen diese Worte bei der Belegschaft höchstes Unbehagen. „Ein Merger of Equals soll ja gerade nicht dazu führen, dass Doppelgleisigkeiten geschaffen werden“, sagt Dubsky. Und wenn es darum geht, „ich oder er“, hört sich die Begeisterung für den vielversprechenden Merger auch auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene schnell auf.

„Einer ist immer der Stärkere“

Ein noch so komplizierter Cross-border-Merger scheitert in der Regel nicht an der Lösung juristischer Probleme. „Die rechtlichen Herausforderungen, die entstehen, wenn man etwa ein Unternehmen aus dem angloamerikanischen Raum mit einem aus Kontinentaleuropa fusioniert, sind zwar komplex, aber lösbar“, sagt Herbst. „Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob es gelingen kann, ganz unterschiedliche Unternehmenskulturen zu einen.“

Doch soweit kommt es ja meistens gar nicht. Die Verhandlungen zwischen den vermeintlich Gleichstarken scheitern häufig bereits vor der Eheschließung. Zum Beispiel an der Frage, wo die neu entstandene Gesellschaft künftig ihren Sitz haben und gelistet sein soll. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind keineswegs nur politische, rechtliche und steuerliche Aspekte. Oft zeigt sich gerade bei diesen Themen, welcher Verhandlungspartner tatsächlich Oberwasser hat. Ähnlich verhält es sich, wenn es darum geht, Einigung in Sachen Mitbestimmung zu erzielen. Wer stellt den Vorstandsvorsitzenden, wer den des Aufsichtsrats? Wie setzt sich das Management zusammen? „Das Etikett Merger of Equals wird doch oft als Feigenblatt benutzt. Tatsächlich ist immer ein Teil stärker als der andere“, sagt Clemens Hasenauer, Partner bei CHSH.

Das Feilschen um Schlüsselpositionen hat schon manchen Deal in der Zielgerade zum Scheitern gebracht. Eine salomonische Lösung, beispielsweise eine Doppelspitze, sei dabei keineswegs immer das Allheilmittel, so Hasenauer. „Soll so ein Merger auch wirklich gelingen, müssen nach der Fusion viele Entscheidungen gefällt und die geplanten Schritte möglichst rasch umgesetzt werden. Machtkämpfe bringen nichts als Reibungsverluste.“ Es sei ein Fehler bei den Fusions-Verhandlungen, nicht auch unangenehme Szenarien rechtlich genau zu regeln. „Man muss auch den worst case klären, nämlich was passiert, wenn sich die Verheirateten wieder entschließen auseinander zu gehen“, sagt Hasenauer.

Denn nur eines ist noch unangenehmer als das Platzen des geplanten Mergers: eine Elefanten-Hochzeit, die sich schon bald nach dem Ja-Wort als kapitaler Fehler erweist. Daimler und Chrysler sind dafür das Lehrbuchbeispiel. 1998 hatte der Daimler-Benz-Chef Jürgen Schrempp die Großfusion der beiden Automobilkonzerne noch euphorisch als „Hochzeit, die im Himmel geschlossen wird“ bezeichnet. Die Traumehe erwies sich jedoch sehr zügig als konfliktreich und vor allem als wirtschaftlicher Flop. Das Ende ist bekannt: 2007 – Schrempp war damals schon Geschichte – wurde der Verkauf der Chrysler Group an den Finanzinvestor Cerberus besiegelt. Insgesamt hat Daimler die „himmlische“ Fusion rund 40 Milliarden Euro gekostet.

MERGER OF EQUALS

Bei einem Merger of Equals (Fusion unter Gleichen) schließen sich zwei Unternehmen einvernehmlich zusammen, die wertmäßig ungefähr gleich groß sind. Im Unterschied zu einer echten Übernahme fließt kein Kaufpreis, sondern es kommt zu einem Aktientausch. Der potentielle Vorteil einer solchen Fusion ist, dass sich auf diese Weise großvolumige Transaktionen auf den Weg bringen lassen, die als Unternehmensübernahme nicht zu finanzieren wären. Ziel ist es, das „Beste aus beiden Welten“ herauszuholen, um sich gemeinsam noch erfolgreicher am Markt zu behaupten. So die Theorie. Die Praxis lehrt, dass es einen Merger of Equals gar nicht gibt. Denn es gibt de facto immer einen Part, der letztlich stärker ist als der andere. Noch schwieriger als solche Mergers juristisch auf den Weg zu bringen, ist es, die beiden Unternehmen und deren Kulturen zu einen, was jedoch maßgeblich für den Erfolg der Fusion unter Gleichen ist. Beispiele für sogenannte Merger of Equals: Daimler und Chrysler, Partygaming und bwin, die Zementkonzerne Lafarge und Holcim.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

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