Hainz: „Was ist mit Hartmanns Vernunftbegabung?“

Bernhard Hainz
Bernhard Hainz(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bernhard Hainz, der Anwalt des Burgtheaters und der Holding, nimmt Stellung zu den aktuellen Vorwürfen, am Theater seien schon vor der Hartmann-Ära Bilanzen geschönt und der Ex-Burgchef daher belogen worden.

Die Presse: Die Anwälte von Matthias Hartmann behaupten in ihrem Schriftsatz vom 22.8.2014, dass bereits in den letzten Jahren der Intendanz von Klaus Bachler damit begonnen worden sei, die Bilanzen des Burgtheaters mit unlauteren Mitteln zu schönen. Eine „Bilanzschönung“ sei auch beim angeblich ausgeglichenen Budget 2008/09 im Gange gewesen. Nach einer Prognose vom Juni 2008, die im Aufsichtsrat (AR) diskutiert wurde, habe der Verlust 4,4 Mio. Euro betragen. In den Wochen danach habe man jene Buchhaltungstricks eingeführt, die schon in der nächsten AR-Sitzung im Oktober 2008 zu einem „ausgeglichenen Budget“ geführt hätten. Erklärbar sei diese Verbesserung nur durch die vorgenommene Änderung der Abschreibungsdauer. Hartmann sei also belogen worden, als ihm die Holding ein schuldenfreies Haus vertraglich zugesichert habe. Ein schwerer Vorwurf.

Bernhard Hainz: Ich kann die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen. Bei diesen 4,4 Mio. Euro handelt es sich um den im Vorhinein budgetierten Jahresverlust, der dem AR als Vorschau präsentiert wurde. Die Burg, aber auch die anderen Häuser, haben in ihren Prognosen natürlich immer sehr vorsichtig geplant und die Basisabgeltung knapper angesetzt und so zunächst einen größeren Verlust veranschlagt. Aber eine Budgetvorschau und ein Bilanzergebnis sind etwas völlig anderes. Wenn das jemand verwechselt, ist das peinlich.

Im Oktober legte Silvia Stantejsky, die ehemalige kaufmännische Geschäftsführerin, bereits ein annähernd ausgeglichenes Planbudget vor. Wie ging das?

Sie hat – in Abstimmung mit Hartmann – höhere Einnahmen aus dem Kartenverkauf und aus Sponsorerträgen angesetzt. Das steht übrigens alles im AR-Protokoll. Sie hat teilweise eine Kapitalrücklage in der Höhe von einer Million aufgelöst und es hatte sich in der Zwischenzeit auch herausgestellt, dass die Basisabgeltung um 2,2 Mio. Euro erhöht wird.

Hartmanns Anwälte sagen, die Auflösung der unbaren Rücklagen sei kein korrekter Vorgang gewesen, da diese als Relikt der Ausgliederung lediglich eine Bilanzgröße ohne finanziellen Wert dargestellt hätten.

Wieso soll ich eine Rücklage aus der Vergangenheit nicht auflösen können? Das ist ein bilanztechnischer Vorgang, den die Wirtschaftsprüfer als legitim akzeptiert haben. Deswegen habe ich zwar nicht mehr Geld in der Kassa, auf die Liquidität wirkt sich das nicht aus, aber buchhalterisch ist es erlaubt.

Den Vorwurf von Hartmann, er habe in Wahrheit Verluste aus der Ära Bachler übernommen, halten Sie für falsch?

Absolut falsch! Hartmann wurde im Vorfeld zugesagt, dass er ohne Verlustvorträge das Haus übernimmt und dass die Basisabgeltung zumindest in der gleichen Höhe wie bisher erfolgt. Im Punkt drei dieser Vereinbarung – und das ist wichtig – wurde Hartmann übrigens ein Austrittsrecht zuerkannt, sollten diese Voraussetzungen einmal nicht gegeben sein. Er hätte also, wenn seine jetzige Behauptung zuträfe, sagen können: „Freunde, die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, ich mache von meinem Austrittsrecht Gebrauch.“ In diesem Fall wäre ihm als Abschlagszahlung noch ein Jahresentgelt zugestanden.

Zum Zeitpunkt seines Amtsantritts wäre das wohl kaum möglich gewesen. Hartmann betont, dass erst viel später, im Zuge der Aufarbeitung der Vergangenheit durch ihn und den Berater Peter Raddatz einerseits, die Wirtschaftsprüfer andererseits und vor allem erst nach der Entlassung der ehemaligen kaufmännischen Geschäftsführerin Licht ins Dunkel gekommen sei.

Ah so? Er hat von nichts gewusst? Da gibt es aber die Bilanz 2008/09. Sie betrifft zwar noch das letzte Jahr der Ära Bachler, da war Hartmann aber bereits Prokurist und für seine Vorbereitungszeit kostenverantwortlich. Diese Bilanz wurde von ihm selbst im Dezember 2009 unterschrieben, weil er damals schon Direktor war. Im Lagebericht dieser Bilanz findet sich all das im Detail beschrieben, von dem er behauptet, dass er es nicht gewusst hat. Es ist genau erklärt, dass erstens die Produktionen zwischen ein und fünf Jahren abgeschrieben werden. Erklärt ist zweitens auch, dass durch die Auflösung der Kapitalreserven ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt wurde. Auch die Gründe für die massiv gestiegenen Aufwände sind detailliert beschrieben, man muss nur lesen.

Wodurch kam es denn zu der Erhöhung der Verluste?

Das lag nicht an irgendwelchen Verschwörungen und auch nicht an der Veränderung der Abschreibungsdauer. Die gestiegenen Aufwände, die schon 2008/09 begonnen haben und in seiner Ära weitergegangen sind, waren durch die von Hartmann betriebene, massive Vermehrung der Produktionen bedingt. Deshalb sind auch schon in der Vorbereitungsphase 08/09 Mehrkosten in der Höhe von 3,7 Mio. Euro angefallen und in seinem ersten Geschäftsjahr 2009/10 zusätzlich noch einmal 3,4 Mio. Euro mehr. Das heißt, die Produktionskosten sind durch ihn um sieben Millionen gestiegen. Das ist kein Vorwurf, denn es handelte sich nicht um unnötige Produktionen, aber ein Faktum, das finanziert werden musste.

Das erste Jahr nach einem Intendantenwechsel bringt immer mehr Kosten mit sich, nicht nur bei Hartmann.

Stimmt, dennoch waren die sieben Millionen ein zusätzlicher Aufwand, den das Theater binnen zehn Jahren abzubauen hatte. Darüber herrschte Konsens. Tatsächlich hat Stantejsky – mit oder ohne Wissen von Hartmann – mit Bilanztricks verschleiert, dass dem nicht so war. Das hat man aber erst bei ihrem Ausscheiden bemerkt. Festzuhalten ist aber: Die angesprochene Kostenausweitung in den Geschäftsjahren 08/09 und 09/10 ist auf die rund 50-prozentige Vermehrung der Produktionen durch Hartmann zurückzuführen und nicht auf irgendwelche Verschwörungstheorien. Wenn er also immer sagt, er habe billiger produziert als die anderen, dann muss ich an seine Vernunftbegabung appellieren. Im Schnitt mag die einzelne Produktion günstiger gewesen sein, aber absolut gesehen sind die Gesamtkosten und damit die Liquiditätsbelastung massiv gestiegen.

All das hat mit seiner Entlassung wohl nichts zu tun. Was ist eigentlich der entscheidende Entlassungsgrund?

Hartmann hat die Umtriebe von Stantejsky nicht abgestellt. Damit meine ich ihre Buchhaltungs- und Bilanzmanipulationen, den Schwarzgeldfonds und die Weigerung, ein effizientes internes Kontrollsystem einzuführen. Von all diesen Mängeln muss Hartmann aufgrund seiner eigenen Beteiligung am Schwarzgeldsystem gewusst haben. Dass er dieses System nicht abgestellt hat, ist an sich schon eine gravierende Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten. Anstatt zu hinterfragen: „Bitte, was machen Sie da eigentlich? Machen Sie das bei den anderen auch? Wo ist eigentlich dieser Safe mit dem Bargeld?“ hat er sich vier Jahre lang an ihrem System erfreut, weil er so selbst Steuern hinterziehen konnte. Erst im Februar 2014 hat er Selbstanzeige beim Finanzamt erstattet.

Seine Beteiligung an dem System begründen Sie damit, dass er Stantejsky noch vor Amtsantritt seine Vorbereitungsgage zur Verwahrung gegeben hat?

Und sie dort über Jahre liegen hat lassen, ohne sie zu versteuern. Ab September 2009 hatte er ein Gehaltskonto. Wer lässt bitte 200.000 Euro oder 260.000 Euro einfach bei jemandem liegen? Allerdings: Die Steuerhinterziehung ist nicht der Entlassungsgrund, wie Hartmanns Anwälte immer behaupten. Sie beweist nur, dass er von Stantejskys Umtrieben gewusst und sie all die Jahre nicht abgestellt hat. Das erklärt auch, warum er sie um jeden Preis halten wollte.

Zu Georg Springer: Der Anwalt des Kulturministeriums Thomas Angermair relativiert zwar den vernichtenden Bericht des Rechnungshofes (RH) zur Bundestheater-Holding, meint aber, dass Springer möglicherweise seine Kontrollpflichten schuldhaft verletzt hat.

Das sehe ich absolut nicht so. Der RH beschäftigt sich ausschließlich mit der Holding. Er setzt sich nicht damit auseinander, ob Springer seine Pflichten als Aufsichtsratsvorsitzender der Burg verletzt hat. Ich finde auch nicht, dass der Endbericht vernichtend ist. Wir sind sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorwürfe nicht einmal so gravierend sind, dass sie der Manager-Haftpflichtversicherung zu melden sind.

Wie sieht die Auflösungsvereinbarung mit Springer aus? Hat er auf die Verjährung und Boni für die letzten zwei Jahre verzichtet?

Sie beinhaltet weder eine Entlastung oder Generalklausel, noch einen Verjährungsverzicht. Er erhält auch keine Abfertigung, da ihm eine solche nach dem Beamtendienstrecht nicht zusteht. Über die Zuerkennung eines Bonus muss der Kulturminister entscheiden.

ZUR PERSON

Der Arbeitsrechtsexperte Bernhard Hainz ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz. Er vertritt die Bundestheater-Holding und das Burgtheater in allen arbeitsrechtlichen Belangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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