Insolvenzrecht: Wird saniert – oder nur gefeilscht?

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Wie gut klappen Sanierungsverfahren? Aus einem Unternehmen, das ein solches Verfahren gerade überstanden hat, kommt harsche Kritik. Gläubigerschützer sehen es positiver.

Wien. „Der Sanierungsplan ist rechtskräftig bestätigt. Das Sanierungsverfahren ist aufgehoben.“ Dieser Vermerk in der Insolvenzdatei lässt im betroffenen Unternehmen normalerweise alle aufatmen, bedeutet er doch, dass eine Pleite vorerst abgewendet ist.

Auch beim Telekom-Dienstleister Televis, der vor Kurzem ein „Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung“ erfolgreich hinter sich brachte, war das nicht anders. Trotz aller Erleichterung hält Televis-Geschäftsführer Lothar Schulmeister aber auch mit Kritik nicht hinter dem Berg: Das Sanierungsverfahren sei zwar vom Prinzip her eine gute Sache, es hapere aber mit der Umsetzung, beklagt er. So habe etwa der Businessplan des Unternehmens „niemanden wirklich interessiert“. Vielmehr habe sofort die Feilscherei begonnen.

„Alle schauen jetzt auf uns“

Problematisch sei auch der Umgang mit Übernahmeangeboten der Konkurrenz. Dass das Gesetz keine Bewertung solcher Angebote vorsehe, sei ein rechtliches Manko. Diese hätten häufig nur den Zweck, eine Sanierung scheitern zu lassen, um einen Mitbewerber loszuwerden und dessen Kunden zu übernehmen. Der Bieter müsse den gebotenen Kaufpreis am Ende oft gar nicht zahlen, dafür würden diverse Bedingungen und Preisanpassungsklauseln im Angebot sorgen.

„Weil es bei uns anders ausgegangen ist, schauen jetzt alle auf unser Verfahren“, sagt Sanierungsprofi Schulmeister. „Alle wundern sich, wieso saniert wird, obwohl man doch auch hätte verkaufen können.“ In der Theorie sollte die Sanierung „das Regelverfahren“ sein, meint er, faktisch werde sie „als Mistkübel-Option gesehen, die zum Tragen kommt, wenn niemand mehr etwas bieten will“. Dass es bei Televis nicht so gekommen sei, liege nur daran, „dass Freunde unser Unternehmen mit Privatmitteln gerettet haben. Unter normalen Umständen wäre es jetzt tot.“

Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte beim Kreditschutzverband von 1870 (KSV), sieht das naturgemäß anders. Er wartet mit Zahlen auf, wonach Sanierungen recht oft klappen: „Über 30 Prozent der Insolvenzen enden mit einem Sanierungsplan.“ Dass Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung – rechtlich eine Weiterentwicklung des alten Ausgleichsverfahrens – selten sind, bestätigt auch er (siehe Grafik). Aber von diesen schaffen es laut einer Analyse Kantners aus dem Jahr 2011 immerhin rund 60Prozent, dass der Sanierungsplan angenommen wird. 20 Prozent wechseln in ein Verfahren ohne Eigenverwaltung, bei ebenso vielen kommt es zum Konkurs.

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„Verwertung kann retten“

Schulmeister sieht auch die Rolle der Kreditschutzverbände kritisch: Ihnen gehe es um die Quote und nicht ums Sanieren, „selbst wenn das am Ende zum Scheitern führt“. Im konkreten Fall mussten die angebotenen 30 Prozent auf 31 nachgebessert werden, zusätzlich habe man rund das Doppelte, als im Sanierungsplan vorgesehen, sofort erlegen müssen. Nötig wurde das laut Schulmeister nur wegen des vorliegenden Kaufangebots, dessen Verbindlichkeit der Sanierer stark anzweifelt. Hätte man das Geld für die Sanierung nicht aufgebracht, „hätten die Gläubiger wahrscheinlich null bekommen“, sagt er.

„Wenn ein Externer ein Angebot legt, kann man das nicht ignorieren“, hält Kantner dem entgegen. In Österreich werde – auch aufgrund der gesetzlich vorgesehenen, 90-tägigen Verwertungssperre– bei Weitem nicht so rasch verkauft wie etwa in Deutschland, „dort geht das oft blitzschnell“. Ein „professioneller Verwertungsprozess“ könne außerdem auch zum Rettungsanker für ein Unternehmen werden – siehe Niemetz.

Dass in Sanierungsverfahren hart verhandelt wird, bestätigt Kantner, auch dass es üblich ist, höhere Quoten und kürzere Zahlungsfristen zu fordern. Und ebenso, dass es aus Gläubigersicht keinen grundsätzlichen Vorrang für die Sanierung gibt: „Das Unternehmen, wenn möglich, fortzuführen, ist Aufgabe des Sanierungsverwalters. Unsere Rolle ist es, die Quote zu optimieren.“ Ob einem Sanierungsplan zugestimmt wird, sei die freie Entscheidung der Gläubiger – „und bei einem Sanierungsplan erwarten sie sich mehr als bei einer Liquidation“. Es sei auch üblich, dass man das, was die Liquidation voraussichtlich erbringen würde, sofort auf den Tisch legen muss.

Dass Sanierungen daran scheitern können, bestreitet Kantner nicht. Das sei Teil einer Wirtschaftsordnung, die auf Wettbewerb setzt: „Da gibt es Sieger und Verlierer.“ Wobei es auch seine Richtigkeit habe, „dass Gläubiger grundsätzlich bereit sein sollten, dem Eigentümer einen Platz am Tisch zu lassen“. Das klappe in Österreich in vielen Fällen, meint er. „Ich kenne kein Land der Welt, in dem prozentuell so viel saniert wird wie bei uns.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2014)

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