Bilanzpolizei: „Anspruchsvoll und detailliert“

(c) Stanislav Jenis
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Die ersten Enforcement-Prüfungen gehen gerade ins Finale. Bald wird es Ergebnisse geben. Ein Resümee der bisherigen Erfahrungen mit der neuen Prüfstelle.

Wien. Mit den ersten Ergebnissen ist erst im Oktober zu rechnen, eine Zwischenbilanz ist aber jetzt schon möglich. Die ersten Unternehmen wissen nämlich schon, wie es ist, von der neu geschaffenen Enforcementstelle, auch Bilanzpolizei genannt, geprüft zu werden.

Zur Erinnerung: 2013 bekam Österreich endlich eine Enforcementstelle. Sie untersucht Jahresabschlüsse und Lageberichte kapitalmarktorientierter Unternehmen auf Fehler. Als Kontrollbehörde sieht das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (RL-KG) die Finanzmarktaufsicht (FMA) vor. Die eigentliche Prüfungstätigkeit liegt jedoch in den Händen der Österreichischen Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR). Viel gegrübelt wurde im Vorfeld darüber, wie streng sie vorgehen und welcher Aufwand auf betroffene Unternehmen zukommen würde.

Spekulationen braucht es dank aktueller Erfahrungen nun nicht mehr: „Wer gehofft hat, dass sich die OePR zu Beginn mit sehr allgemeinen und oberflächlichen Fragen und Antworten zufrieden geben würde, dürfte enttäuscht werden“, sagt Günther Hirschböck, Audit-Partner bei der Big-Four-Kanzlei KPMG. Peter Bartos, Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, teilt die Meinung seines Kollegen: „Die Mitarbeiter der OePR arbeiten auf höchstem Niveau. Sie sind sehr anspruchsvoll, aber wir hatten nie den Eindruck, dass sie unnötig quälen.“

Ohne Vorbereitung geht's nicht

Am Beginn jedes Enforcement-Verfahrens steht ein Schreiben, in dem das ausgewählte Unternehmen auch gefragt wird, ob es überhaupt bereit ist, an der Prüfung durch die OePR mitzuwirken. Wäre das nicht der Fall, hätte die FMA die Prüfung durchführen. Bisher hat sich noch kein einziges Unternehmen gegen die Zusammenarbeit mit der OePR gesträubt. Nach der Zustimmung hat das Unternehmen der Prüfstelle innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen alle angeforderten Unterlagen zu übermitteln. „Neben den öffentlich verfügbaren Dokumenten werden auch interne Unterlagen wie Prüfungsberichte, Aufstellungen nicht gebuchter Prüfungsdifferenzen, Vollständigkeitserklärungen gegenüber dem Abschlussprüfer, Präsentationen des Abschlussprüfers an den Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsprotokolle abgefragt“, sagt Hirschböck. Sobald das nächste Schreiben der OePR ins Haus flattert, geht die Arbeit richtig los, denn es beinhaltet einen höchst umfangreichen Fragenkatalog. Er sollte in nur zwei Wochen beantwortet werden. „Die Frist ist eher knapp bemessen“, sagt Hirschböck, „von den Unternehmen wird damit bereits im Vorfeld eine umfangreiche Vorbereitung erwartet.“ Manche Unternehmen haben schon um eine Verlängerung der Frist gebeten, und die OePR habe sich stets kooperativ verhalten, berichtet Bartos.

Bei den Fragen orientiert sich die OePR stark an den Prüfungsschwerpunkten, den die FMA für das Abschlussjahr 2013 bekannt gegeben hat. Das sind beispielsweise Wertminderung von nicht finanziellen Vermögenswerten, Leistungen nach Beendigungen eines Arbeitsverhältnisses oder Bewertungen und Offenlegung von Finanzinstrumenten. Mit einer Fragerunde ist es jedoch – zumindest bei manchen Themen – nicht getan. Beim zweiten Durchlauf konzentriert sich die OePR auf die – ihrer Ansicht nach – neuralgischen Punkte. „Die Prüfstelle fokussierte sich etwa auf einzelne Werthaltigkeitsprüfungen (Impairment-Tests) oder Berechnungsschritte und fordert dazu sehr umfangreiche Dokumente“, sagt Hirschböck. Um sie zu liefern, bleiben wiederum zwei Wochen Zeit.

Mit Fehlerfestellungen ist fix zu rechnen

Dann geht es ins Finale. Denn letztlich muss die OePR entscheiden, ob das Unternehmen in der Lage ist, noch bestehende Zweifel zu entkräften oder eben nicht. Letzterenfalls hat die FMA die gefundenen Fehler mit Bescheid festzustellen und gleichzeitig darüber zu entscheiden, ob sie das betroffene Unternehmen zu veröffentlichen hat. Keine angenehme Aufgabe, die auf manche der geprüften Unternehmen jedoch zukommen wird. Dass die Prüfstelle, die in ihrem ersten Arbeitsjahr zwischen 30 und 35 Unternehmen prüfen wird, bei einem guten Teil auf Fehler stoßen wird, davon ist auszugehen. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Unternehmen auch nicht darum herumkommen, sie publik machen zu müssen.

In Deutschland, dessen Regeln für das österreichische Enforcement-Modell Vorbild standen, hat die Kontrollbehörde insgesamt erst einmal auf eine Veröffentlichung verzichtet. Niemand in der Branche erwartet, dass die FMA nachsichtiger als ihre deutsche „Schwester“ sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2014)

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