Stiftern droht die "Selbstenteignung"

(c) BilderBox
  • Drucken

Privatstiftungen haben ein massives Kontrolldefizit und sind als Verwaltungseinheiten konzipiert. Ein Problem, denn in den Stiftungen stecken 3500 heimische Unternehmen.

Wien. Rund 3500 Unternehmen, die meisten davon klassische Familienbetriebe, haben Privatstiftungen als Eigentümer. Und nicht wenige davon könnten dem Besitz der Stifterfamilien teilweise oder gänzlich entzogen werden, wenn die Stifter nicht noch rechtzeitig, also zu Lebzeiten, ihre Stiftungsurkunden adaptieren.

Auf diese drohende „Selbstenteignung“ per falsch konstruierter Privatstiftung macht der Geschäftsführer der Cosultinggesellschaft Contrast, Martin Unger – ein ausgewiesener Stiftungsexperte –, im Gespräch mit der „Presse“ aufmerksam. Das Ganze hat, so Unger, eine gewaltige volkswirtschaftliche Dimension: Nirgendwo auf der Welt ist der Einfluss von Stiftungen auf Familienunternehmen so groß wie in Österreich. Und diese Unternehmen könnten sich in der nächsten Generation verselbstständigen – und dem unternehmerischen Einfluss der Eigentümerfamilien vollständig entzogen werden. Was nicht geringe Auswirkungen hätte. Denn die Stiftungsvorstände sind überwiegend mit Anwälten und Notaren besetzt, die eher die Verwaltung des Stiftungsvermögens im Auge haben. Und nicht mit Unternehmern, die strategische Unternehmensziele verfolgen.

Am meisten gefährdet sind die zahlreichen Stiftungen, die auf einen Beirat verzichten und nur von (sich selbst erneuernden) Vorständen geführt werden. In der Stiftergeneration ist das kein Problem: Der Stifter besetzt den Vorstand mit Leuten seines Vertrauens und dirigiert die Stiftung weiter auf Zuruf. In der zweiten Generation, wenn diese freundschaftlichen Bande nicht mehr bestehen, kann der Einfluss der Begünstigten (im Regelfall die Familie des Stifters) aber im Extremfall auf null sinken. „Die Begünstigten werden dann leicht zu Bittstellern“, meint Unger.

Stifter als Bittsteller

Aber auch in den Fällen, in denen sich der Stifter per Beirat Einfluss in „seiner“ Stiftung sichert, liegt vieles im Argen. Meist seien die Vorgaben für den Vorstand viel zu eng gefasst, meint Unger. Das mag damit zusammenhängen, dass eine sehr starke Motivation für die Einrichtung einer Stiftung der kurzfristige Steuervorteil dieser Konstruktion war. Seit dem Wegfall der Steuerprivilegien wird ja kaum noch gestiftet. Nur wenige Stifter hätten sich ausreichend vor Augen geführt, dass sie damit den Einfluss über ihr Vermögen für 100 Jahre (das ist die normale Laufzeit einer Privatstiftung) aus der Hand geben.

Ist der Vorstand zu sehr eingeschränkt, dann kann das für die in der Stiftung enthaltenen Unternehmen existenzbedrohend werden. In vielen Stiftungsurkunden sei beispielsweise festgeschrieben, dass die eingebrachten Unternehmen nicht veräußert werden dürfen. Das macht etwa Fusionen und Börsengänge auf 100 Jahre unmöglich – und schränkt die Kapitalerweiterungsbasis deutlich ein.

Das eigentliche Problem: Nach dem Tod des Stifters ist das nicht mehr korrigierbar, weil die Stiftungsdokumente dann nicht mehr geändert werden können.

Da zwei Drittel der Stiftungen vor dem Jahr 2000 eingerichtet wurden, die Stifter also langsam in die Jahre kommen, sieht Unger hier dringenden Handlungsbedarf: Stiftungsurkunden sollten, solange das geht, so geändert werden, dass der Familieneinfluss auf die Stiftung nicht verloren geht. Zweckmäßig sei es auch, Kinder als „Mitstifter“ zu nominieren, um die Möglichkeit der Urkundenänderung noch auf die nächste Generation auszweiten.

Vor allem aber sollten jene Stiftungen, die noch über keinen Beirat verfügen, schnellstens mit einem solchen ausgestattet werden. Und der Beirat sollte mit umfangreichen Vorstandsnominierungs- und -abberufungsrechten ausgestattet werden, um eine nicht im Sinne des Stifters liegende Verselbstständigung zu verhindern. Denn Stiftungen hätten in ihrer derzeitigen Konstruktion ein „massives Kontrolldefizit“.

Familienstiftung als Holding

Vor allem aber, meint Unger, sollten Instrumente der Unternehmensführung (etwa Strategieplanung und ein funktionierendes Controllingsystem) auf die Stiftung übertragen werden, damit diese für die in ihr enthaltenen Familienunternehmen eine Art Holdingfunktion übernehmen kann. Unternehmerfamilien haben ja teilweise Milliardenunternehmen in Stiftungen eingebracht – und denen droht echte Gefahr, wenn sie nur verwaltet werden. Der Experte plädiert in diesem Zusammenhang auch dafür, die Bezahlung von Stiftungsvorständen zu verbessern. Derzeit handle es sich oft um „Freundschaftsdienste“ von befreundeten Notaren, Anwälten und Wirtschaftsprüfern, die sich „zwei, dreimal im Jahr“ zu Sitzungen treffen. Und das sei für effiziente Unternehmensführung zu wenig.

Vom Gesetzgeber wünscht sich Unger einen Wegfall der prohibitiven Besteuerung bei Stiftungsauflösung. Derzeit ist die Auflösung viel zu teuer. War die Stiftung eine Fehlentscheidung, dann war es eine für 100 Jahre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.