Verschwiegenheitspflicht: Wo endet das Anwaltsgeheimnis?

Gabriel Lansky
Gabriel Lansky(c) APA (Gindl Barbara)
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Wann Anwälte – und ihre Hilfskräfte – als Zeugen einvernommen werden dürfen, darüber tobt zwischen Zweien von ihnen ein heftiger Streit.

Wien.Während alles auf den Prozess gegen Rachat Alijew wegen mutmaßlichen Doppelmordes wartet (es gilt die Unschuldsvermutung), gehen auf einem Nebenschauplatz die Wogen hoch. Und zwar auf jenem, der in der Öffentlichkeit als Streit von in die Causa involvierten Anwälten wahrgenommen wird: Alijews Verteidiger Manfred Ainedter und Stefan Prochaska gegen Gabriel Lansky, der über den Verein Tagdyr die Hinterbliebenen der Opfer vertritt.

Sie selbst wollen das nicht als Streit unter Anwälten sehen. Fakt ist aber, dass in der Wiener Anwaltschaft Ende April Kammerwahlen bevorstehen. Und: Prochaska, derzeit Vizepräsident, kandidiert für die Präsidentschaft. Das macht einen Vorwurf besonders brisant, den Lanskys Kanzleikollege Gerald Ganzger erhebt: Prochaska habe einer Aufweichung des Anwaltsgeheimnisses das Wort geredet. Konkret geht es um die sogenannten Spionage-Ermittlungen gegen Lansky (für den ebenfalls die Unschuldsvermutung gilt) und um die Zeugenaussage eines ehemaligen EDV-Mitarbeiters seiner Kanzlei.

Dieser war am 4.September 2014 von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Lansky erhob gegen die Einvernahme Beschwerde, mit der Begründung, auch eine Hilfskraft eines Anwalts dürfe nicht vernommen werden, sofern kein dringender Tatverdacht gegen den Anwalt vorliege. Dass ein solcher derzeit nicht bestehe, steht sinngemäß in einem Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom August 2014. Darin ging es um die Beschlagnahme eines Servers in Luxemburg mit Daten aus Lanskys Kanzlei.

Das Landesgericht gab deshalb Lansky recht, und die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel. Genau das kritisierte Prochaska in einem Gespräch mit der APA: Es sei eine „Absurdität“, das Anwaltsgeheimnis auch in Fällen anzuwenden, in denen ein Rechtsanwalt selbst Beschuldigter sei. Prochaska habe damit einen Rubikon überschritten, kontert Ganzger gegenüber der „Presse“: „Das Anwaltsgeheimnis ist ein Eckpfeiler, das muss für den Anwaltsstand in Stein gemeißelt sein. Und da fordert jetzt ein Vizepräsident der Kammer öffentlich die Aufweichung! Das schadet dem gesamten Anwaltsstand.“ Auch dass Prochaska besagten Ex-Mitarbeiter von Lanskys Kanzlei in Luxemburg getroffen hat, wirft Ganzger ihm vor: Er habe diesen dadurch beim Bruch der Verschwiegenheitspflicht unterstützt, das sei ein No-Go. „Als Standesvertreter darf man so etwas nicht zulassen.“

„Mit Zeugen reden darf man“

Prochaska bestreitet nicht, den Zeugen in Luxemburg getroffen zu haben: „Warum auch nicht? Wo steht, dass man nicht mit einem Zeugen sprechen darf? Man darf ihn nur nicht beeinflussen.“ Letztlich sei es nicht „sein Job“, sondern jener der Staatsanwaltschaft gewesen zu entscheiden, ob Lanskys Ex-Mitarbeiter einvernommen werden dürfe oder nicht. Und: Das Anwaltsgeheimnis schütze die Mandanten, nicht den Anwalt selbst, wenn er in der Rolle des Beschuldigten sei. „Wenn ich jemanden umbringe, darf die Staatsanwaltschaft natürlich meine Sekretärin vernehmen. Ein Anwalt, der Beschuldigter ist, kann doch nicht bessergestellt sein als andere Beschuldigte. Das wäre verfassungswidrig, das ist gesicherter Rechtsbestand.“

Ganzger aber meint, die formale Beschuldigtenrolle reiche nicht, um einen Bruch der Anwaltsverschwiegenheit zu rechtfertigen. „Beschuldigter ist man ja gleich, da genügt es, dass irgendwer eine Anzeige macht.“ Bei der Frage, wann ein Anwalt oder eine Hilfsperson einvernommen werden darf, gibt es tatsächlich viele, oft schwierige Grenzfälle. Besonders heikel kann die Abgrenzung etwa werden, wenn einem Anwalt Komplizenschaft mit seinem Klienten vorgeworfen wird. Belastet eine Hilfskraft mit ihrer Aussage ihren Chef, könnte sie damit auch seinem Klienten schaden. Denkbar wäre zudem, dass ein Anwalt eigens in die Rolle des Beschuldigten gedrängt wird, damit die Staatsanwaltschaft an Informationen kommt, die eigentlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Dass Missbrauch nicht ausgeschlossen werden könne, räumt auch Prochaska ein, „in solchen Fällen ist einzugreifen“. Dass eine Einvernahme nur bei dringendem Tatverdacht gegen den Anwalt zulässig sei, stimme so aber nicht. „Wäre das so, wären Anwälte besser gestellt als andere Beschuldigte.“ Dringender Tatverdacht sei nur für eine Hausdurchsuchung nötig.

„Mit Kritik zu weit gegangen“

Noch einen Vorwurf macht Ganzger seinem Berufskollegen: Er habe die Forderung „U-Haft für Lansky“ erhoben und damit „das standesrechtlich vertretbare Maß an Kritik an einem Berufskollegen überschritten“. Prochaska wiederum sagt, er habe nie öffentlich U-Haft „gefordert“. Sondern einen Schriftsatz eingebracht, dessen Inhalt an die Öffentlichkeit gelangt sei. Das Anwaltsgeheimnis stelle er ganz und gar nicht infrage, „es ist einer der Core Values unseres Berufsstandes“. Als Kandidat bei der Kammerwahl hat er übrigens Konkurrenz bekommen. Wie am Mittwoch bekannt wurde, stellt sich auch Michael Enzinger der Wahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

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