„Jemand versenkt fremdes Geld – und zwar mit Vorsatz!“

OGH BER�T �BER UNTREUE-URTEILE IN HYPO-VORZUGSAKTIENDEALS: KULTERER / LANKER
OGH BER�T �BER UNTREUE-URTEILE IN HYPO-VORZUGSAKTIENDEALS: KULTERER / LANKER(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Was ist eigentlich Untreue? Die Urteile des OGH zu Styrian Spirit oder Libro haben viele verunsichert. Die Frage ist: zu Recht?

Wien. Haben die Urteile zu Styrian Spirit oder Libro gezeigt, dass dem Obersten Gerichtshof (OGH) das Verständnis für Unternehmertum fehlt? Diese provokante These war der Ausgangspunkt einer Diskussionsveranstaltung, zu der die Capital Bank und Greco International vergangenen Donnerstag geladen hatten.

Zu Erinnerung: In der Causa Styrian Spirit hat der OGH im Herbst 2013 die Untreueurteile gegen die früheren Manager der notverstaatlichten Kärntner Hypo, Wolfgang Kulterer und Gert Xander, bestätigt. Die beiden hatten einen unbesicherten Kredit gewährt. Anfang 2014 überraschte der OGH mit dem Libro-Urteil. Konkret ging es um Vermögensverschiebungen im Vorfeld der Pleite des Unternehmens. Da diese aber von einer Tochter- zur Muttergesellschaft erfolgt waren, die noch dazu Alleinaktionärin war, sei kein Schaden entstanden, argumentierte die Generalprokuratur. Die Richter sahen das anders. Es sei zwar nicht der Alleinaktionärin, aber der Aktiengesellschaft selbst ein Schaden entstanden, so der zwölfte Senat des OGH.

Was bedeuten diese Urteile für den Begriff der Untreue? Hat ihn der OGH in den zitierten Fällen nicht allzu weit ausgelegt? Als Präsident des OGH könne er nicht zu einzelnen Urteilen kommentieren, wohl aber auf verschiedene Aspekte eingehen, stellt Eckart Ratz vorweg klar: „Wird ein Kredit an jemanden vergeben, der keine Sicherheiten gibt und dessen Zahlungsfähigkeit höchst dubios ist, dann ist das von vornherein etwas, was in die Untreue hineinspielen kann.“ Bis auf den Fall Libro habe sich jedoch in letzter Zeit die Untreue betreffend nichts Neues ergeben: „Es hat sich – bis auf die Stimmung – nichts verändert, und Stimmungen werden gemacht.“

Auch dem Universitätsprofessor und OGH-Richter Georg Kodek ist es wichtig, gleich eines klarzustellen – und zwar ganz unabhängig von konkreten Straftatbeständen: „Noch niemand ist verurteilt worden, der eigenes Geld verschwendet, verplempert oder in den Sand gesetzt hat! Wir reden nur über den Bereich, wo jemand fremdes Geld versenkt und das mit Vorsatz. Es geht hier also schon um eine Schwelle, über die man nicht einfach so drüberstolpert.“ Kodeks Fazit: Die Straftatbestände seien sehr gut formuliert, der Vorsatz sei ein sehr guter Filter. Letztlich bleibe nur ein sehr kleiner Bereich, den man unterschiedlich sehen könne.

„Nicht nur der Justiz fehlt Verständnis“

Den ehemaligen Wirtschaftsjournalisten und Direktor der Denkfabrik Agenda Austria, Franz Schellhorn, vermochten die Worte der Vorredner nicht gänzlich zu überzeugen. Nicht nur der Justiz, sondern generell fehle es in Österreich am Verständnis fürs Unternehmertum, konstatiert er. Er sei immer davon überzeugt gewesen, das Rechtssystem in Österreich sei eines der besten. Diese Meinung habe er jedoch heute nicht mehr, was vor allem mit den vielen langen Verfahren zu tun habe. „Wenn jemand zehn Jahre lang am Beschuldigtenteller durch Wien getragen wird, ist sein Ruf ruiniert. Selbst wenn er freigesprochen wird, ist er dennoch erledigt.“ Das Rechtssystem und die Rechtsprechung gehörten eben zu den allerwichtigsten Dienstleistungen, die ein Staat zu erbringen hat.

Große Verunsicherung bei ihren Kunden nimmt Brigitta Schwarzer, Juristin und Versicherungsmaklerin, in der letzten Zeit wahr: Managerhaftpflichtversicherungen verkauften sich wohl auch deshalb derzeit sehr gut. Dass Medien und Manager ein falsches Verständnis davon bekommen haben, was Untreue eigentlich ist, wundert sie gar nicht. Das Styrian-Spirit-Urteil sei – selbst für Juristen – schwer verständlich und „in einer Wurscht“ geschrieben, kritisiert sie: „Es wäre doch schön, wenn es eine Zusammenfassung gibt, die auch ein Nichtjurist versteht. Dann müssten jene, die sich an die Regeln halten, auch nicht die Befürchtung haben, Untreue zu begehen.“ (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)

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