Jettmar: „Wir suchen nicht Fehler um des Fehlers willen“

RUDOLF JETTMAR
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Eine positive Bilanz zieht Rudolf Jettmar, Leiter der Prüfstelle für Rechnungslegung, nach dem ersten Arbeitsjahr. Man werde „vom Markt sehr ernst genommen“. Nur mit der FMA kam man bisher auf keinen gemeinsamen Nenner.

Die Presse: Die Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) hat vor einem Jahr die Arbeit aufgenommen. Wie lautet Ihr Fazit?

Rudolf Jettmar: Das Enforcement hatte einen guten Start in Österreich. Laut Prüfplan hatte die OePR 32 Unternehmen zu prüfen. Bei einem Drittel von ihnen haben wir die Prüfung komplett abgeschlossen, die Ergebnisse liegen bereits der Finanzmarktaufsicht (FMA) vor. Es gab auch kein Unternehmen, das bei einer Prüfung durch die Prüfstelle nicht bereit war mitzuwirken oder das den Fehlern, die wir festgestellt haben, widersprochen hat.

Was wäre im Falle eines Widerspruchs passiert?

Wäre ein Unternehmen mit dem Ergebnis unserer Prüfung nicht einverstanden, dann müssen wir das der FMA melden. Sie wäre dann verpflichtet, das Verfahren an sich zu ziehen.

Woran liegt es, dass die Prüfstelle noch nicht mit allen Prüfungen für das Jahr 2014 fertig ist?

Verzögerungen ergeben sich, weil es oft um Fragen geht, die schwierig zu entscheiden sind. Da wollen wir keinen Schnellschuss machen. Wir stehen in einem intensiven Dialog mit den Unternehmen und holen Gutachten ein, damit wir richtigliegen. Manchmal dauert die Prüfung auch länger, weil es in den Unternehmen Engpässe gibt. Wir hatten den Eindruck, dass manche Unternehmen von der Intensität unserer Prüfungen überrascht gewesen sind und deshalb weniger Zeit und Kapazität eingeplant haben, als notwendig gewesen wäre. Aber auch die restlichen Prüfungen werden in den nächsten zwei bis drei Monaten abgeschlossen sein.

Hat es große Unterschiede in der Vorbereitung der einzelnen Unternehmen auf die Prüfung gegeben?

Ja. Man muss bedenken, dass wir alle Unternehmen zu prüfen haben, die mit Wertpapieren an der Wiener Börse gelistet sind. Dabei hat man immer die großen Aktiengesellschaften vor Augen. Aber es gibt ja auch sehr viele, die einmal einen Bond begeben und gar nicht mehr laufend Kontakt mit der Investorenseite haben. Tendenziell haben sich Unternehmen, die im Prime Market sind, besser vorbereitet.

Rechnen Sie mit einer ansteigenden Lernkurve bei den Unternehmen, die von einer Prüfung betroffen sein können?

Davon bin ich überzeugt. Sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch die Unternehmen haben sich sehr rasch darüber ausgetauscht, wie genau die Prüfstelle prüft. Wir wurden von Anfang an auf dem Markt sehr ernst genommen, denn wir sind ein wichtiger Faktor für das Berichtswesen. Das freut uns, denn damit ist ein Zweck des Enforcement auch schon erfüllt. Der Zweck ist nämlich, dass Unternehmen das Rechnungswesen nicht nur als eine technische Abteilung sehen, sondern erkennen, dass sie auch in diesem Bereich für genügend Kapazität und Qualität sorgen müssen, um den Informationsansprüchen des Investors Rechnung zu tragen.

Bei welchem Prozentsatz der geprüften Unternehmen wird es Fehlerfeststellungen geben?

Das wissen wir noch nicht. Prinzipiell stellen wir nur dann Fehler fest, wenn sie nach den Bestimmungen des IFRS (Anm.: International Financial Reporting Standard) als wesentlich einzustufen sind, sich also der Investor in Kenntnis des Fehlers anders entschieden hätte. Der Begriff „Fehler“ hat diesen Beigeschmack des subjektiven Tatelements. Das hat der englische Begriff „error“ nicht. Es kann ja auch einmal etwas Falsches passieren. Uns geht es nicht um den Fehler um des Fehlers willen, sondern ausschließlich um die Information des Kapitalmarkts. Darauf achten wir. Und es kommt immer auf den Einzelfall an. In manchen Unternehmen machen Fehler keine Wesentlichkeit aus, sondern sind eine Bagatelle. In einer anderen Branche kann aber genau diese fehlende Anhangsangabe eine wesentliche Bedeutung haben.

Fehlerfeststellungen teilen Sie der FMA mit. Welche Prüfungsinhalte bekommt die Behörde darüber hinaus?

Wir teilen der FMA die Fehler mit und geben ihr eine detaillierte Begründung, wie wir dazu kommen. Die FMA hat nämlich die Aufgabe, den Unternehmen per Bescheid aufzutragen, die festgestellten Fehler mit der wesentlichen Begründung zu publizieren.

Darüber hinaus erhält die FMA also keine Informationen?

Nein, Details aus unserem Prüfungsakt werden nicht weitergegeben.

Hat die FMA schon Unternehmen aufgefordert, Fehler zu publizieren?

Dazu kann ich nichts sagen. Aber wir schauen auch in die Medien, in denen eine Fehlerfeststellung publiziert würde, und haben bisher noch keine gesehen.

Das Verhältnis zwischen FMA und Prüfstelle ist sehr angespannt. Es hat auch schon im Beisein des Finanzministeriums „Krisengespräche“ gegeben. Wie sind sie verlaufen?

Wenn Gespräche hinter verschlossenen Türen stattfinden, ist es nicht meine Art, darüber in der Öffentlichkeit zu berichten.

Aber worin liegen konkret die Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen FMA und OePR?

Es geht um eineGrundfrage, von deren Antwort alles abhängt: Ist die Prüfstelle aufgrund einer eigenen gesetzlichen Kompetenz eine unabhängige Einrichtung, deren Aufgabe es ist, in Österreich Enforcement zu machen? Oder ist die OePR lediglich ein Beauftragter im Rahmen eines behördlichen Verfahrens, das von der FMA geleitet wird?

Die OePR ist erster, die FMA zweiter Ansicht. Unterschiedlicher könnten die Rechtspositionen gar nicht sein.

Das stimmt. Im ersten Fall arbeitet die OePR in eigener Verantwortung. Sie muss ihr Tun nicht bei einer Kontrollbehörde rechtfertigen, weil das Gesetz das nämlich nicht vorsieht. Im zweiten Fall müssten wir uns als Beauftragter der FMA an deren Spielregeln halten.

Die FMA hat in den vergangenen Monaten parallel zur OePR auch selbst Prüfungen vorgenommen, was manche Unternehmen doch sehr erstaunt und verunsichert hat. Wie ist das Vorgehen der FMA zu interpretieren?

Grundsätzlich hat die FMA nach dem Gesetz die Möglichkeit, in Einzelfällen direkt Prüfungen vorzunehmen. Die Frage ist nur, wie diese Bestimmung gelebt wird.

Müssen Unternehmen also damit rechnen, dass sie nach einer Prüfung durch die OePR auch noch von der FMA kontrolliert werden?

Damit rechnen müssen sie nicht, aber ausschließen kann man es auch nicht.

AUF EINEN BLICK

Rudolf Jettmar ist seit September 2013 Leiter der Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR). Bis 2012 war er Finanzvorstand der Österreichischen Post AG. Die Prüfstelle ist im Rahmen des Enforcement-Verfahrens für die Prüfung der Unternehmensabschlüsse und -berichte von kapitalmarktorientierten Unternehmen zuständig. Welche Rolle der OepR und welche der FMA im Enforcement-Verfahren zukommt, darüber gibt es zwischen den beiden große Auffassungsunterschiede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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