Was bisher bei der Steuerreform unerwähnt blieb

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Mehr als ein Umschichten von den einen auf die anderen Steuerzahler ist Illusion. Etliche fragwürdige Begünstigungen scheinen tabu - eine Kritik.

Wien. Vorweg: Trotz massiver Kritik und Aufforderungen selbst des Rechnungshofs zu Einsparungen, insbesondere auch im politiknahen Bereich, sind die Politiker nicht einmal mehr zu Lippenbekenntnissen bereit: Verwaltungsreform, Föderalismusreform sind für sie keine Themen. Der Steuerzahler soll ihre Pfründe weiter finanzieren. Deshalb wird die Steuerquote nicht sinken. Um diese Probleme zu lösen, werden wir nicht um die Frage herumkommen, ob Österreich von den Landeshauptleuten oder doch – wie es die Bundesverfassung vorsieht – von der Bundesregierung regiert werden soll. Zunehmend anmaßend treten die Landeshauptleute mit einem provokant zur Schau gestellten Machtanspruch auf, wofür wohl in erster Linie die ÖVP mit ihrer bündisch-föderalistischen Parteistruktur verantwortlich ist. Die SPÖ-Landeshauptleute folgen dem Vorbild bereitwillig.

Besonders skrupellos präsentiert sich Wiens Landeshauptmann: Trotz einer enormen Verschuldung leistet sich Wien das teuerste Pensionssystem für die Landesbediensteten, mehrheitlich SPÖ-Klientel.

Nicht mehr als ein Umschichten

Also werden wir, die Steuerzahler, die Steuerreform uns selbst finanzieren müssen. Mehr als ein Umschichten von den einen auf die anderen Steuerzahler ist Illusion.

Dabei finden sich im Bericht der Steuerreformkommission durchaus Reserven, auch wenn man das Thema Vermögensteuer und Erbschaftssteuer ausklammert.
•Gruppenbesteuerung. Wenn man endlich zugegeben hat, dass die Firmenwertabschreibung im Rahmen der Gruppenbesteuerung ein Fehler war und sie deshalb abgeschafft hat, wäre es konsequent gewesen, die Restlaufzeit der noch offenen Abschreibungen auf einen längeren Zeitraum zu erstrecken. Das hat man versäumt. Im Rahmen der Steuerreform wäre dazu wieder eine Gelegenheit, doch versäumt man sie neuerlich. Allein damit könnte man das Budget der nächsten Jahre beträchtlich entlasten.
•Rückstellungen. Mit der jüngst eingeführten Abzinsung in Höhe von 3,5% jährlich ist niemand glücklich. Man sollte daher zur früheren pauschalen Abzinsung zurückkehren und die Rückstellungen gleich auf 70% reduzieren. Ein eigenes Thema sind Pensionsrückstellungen: Hier werden – über den Steuerstundungseffekt – vor allem Managerpensionen subventioniert; sie gehören künftig abgeschafft oder auf solche Unternehmen eingeschränkt, in denen alle Dienstnehmer, also auch der Portier und die Sekretärin, eine Firmenpension erhalten. Derzeit haben wir ein „Hü-hott-System“: Auf der einen Seite werden Managerbezüge durch eine beschränkte Abzugsfähigkeit benachteiligt (vom VfGH für unbedenklich erklärt), auf der anderen Seite finanziert man sie mit Steuervorteilen.

In den USA gibt es grundsätzlich keine Rückstellungen im Steuerrecht, und das aus gutem Grund: Sie kosten den Fiskus viel und haben nicht den geringsten Lenkungseffekt. In den USA gibt es stattdessen – was man bei uns ja gänzlich abgeschafft hat – Investitionsbegünstigungen. Ein sehr viel intelligenteres Modell.
•Leasinggesellschaften. Nicht einmal ansatzweise aufgegriffen wurden von der Steuerreformkommission die Steuerbegünstigungen für Leasinggesellschaften; sie sind, z.B. beim Pkw-Leasing, gleich doppelt begünstigt: Bei uns werden Mietkonstruktionen anerkannt, auch wenn ein Kauf auf Raten vorliegt, und zusätzlich kann die Gesellschaft auch noch einen Schwindelposten (im Gesetz als „Ausgleichsposten“ bezeichnet) als gewinnmindernd ansetzen, weil der Mieter das Fahrzeug nach der Grundmietzeit zu einem besonders niedrigen Restwert kaufen kann. Eine „Glättung der Ertragslage“, wie man den Ausgleichsposten damals rechtfertigte, hätten andere Unternehmen auch gern.
•Die Luxustangente bei Firmen-Pkw (Anschaffungskosten über 40.000 €) unterliegt bei Kapitalgesellschaften mit 25% Körperschaftsteuer gegenüber Einzelunternehmen nur der halben Steuerbelastung; sie müsste aber auch der Kapitalertragsteuer unterworfen werden. Die bestehende Begünstigung von Kapitalgesellschaften ist nicht nachvollziehbar.
•Pkw-Nutzungsdauer. Im Gesetz ist die Nutzungsdauer von Pkw mit acht Jahren festgeschrieben. Das ergibt eine Abschreibung von 12,5% pro Jahr. Von seltenen Ausnahmen abgesehen wird aber kein Firmen-Pkw vor Ablauf von zwölf Jahren abgewrackt. Daher wäre eine Abschreibungsdauer – als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer – von zumindest zehn Jahren zwingend. Angesichts der großen Zahl von Firmen-Pkw wären auch hier die Einsparungen im Budget beachtlich.
•Dienstgeberbeitrag, Kommunalsteuer.Nicht angesprochen wurden die Befreiungen für Firmenpensionen vom Dienstgeberbeitrag und von der Kommunalsteuer. Wie bei den Pensionsrückstellungen sind damit in erster Linie Firmenpensionen von Managern begünstigt; Portiere und Sekretärinnen erhalten selten eine Firmenpension.
•Geringwertige Wirtschaftsgüter. Die Grenze soll von 400 auf 1000 Euro angehoben werden. Das Vorhaben ist löblich und soll vor allem Kleinstunternehmer auch vom Verwaltungsaufwand entlasten. Um allerdings den Steuerausfall niedriger zu halten, könnte man die Maßnahme auf Einzelunternehmungen beschränken, dafür aber bei ihnen die Grenze anheben: Gegenüber Kapitalgesellschaften ist der Einzelunternehmer sowieso benachteiligt.
•Die Basispauschalierung für Betriebsausgaben in Höhe von derzeit 12% des Umsatzes ist willkürlich festgesetzt und damit – auch nach Meinung der Reformkommission – verfassungswidrig. Die Basispauschalierung gehört daher – wenn schon nicht gestrichen – so zumindest erheblich reduziert. In der Praxis kommt die Basispauschalierung nicht bei Betrieben zur Anwendung, sondern bloß bei Nebeneinkünften von Nichtselbstständigen.

Wie der VwGH längst festgestellt hat, sind Pauschalierungen regelmäßig Steuerbegünstigungen, weil Steuerpflichtige sie nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie günstiger als die Regelbesteuerung sind.
•Umwidmungsgewinne von Landwirten. Wenig überraschend legt sich die ÖVP gegen eine angemessene Besteuerung der Landwirte quer. Unangetastet bleibt sogar die Besteuerung von Gewinnen aus der Umwidmung in Bauland mit einer Bagatellsteuer von bloß 15%. Schon in der Vergangenheit hat der Fiskus hier Milliarden verloren; sie gehören besser in die Bildung investiert. Das ist keine Landwirtepolitik, sondern rücksichtslose Klientelpolitik der ÖVP: Auf dem umgewidmeten Acker wächst kein Grashalm mehr.

All diese Punkte sind nur Beispiele, in denen die Steuerreformkommission Lücken gelassen hat. So wie es derzeit aussieht, denkt man nicht daran, sie zu schließen.


Der Autor war Vorstand des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2015)

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