Hypo-Prozess: Das Publikum muss draußen bleiben

K�RNTNER HYPO - OGH BER�T �BER BESCHWERDE DER GENERALPROKURATUR WEGEN KULTERER-VERFAHRENS: MICHEL-KWAPINSKI / SCHWAB / ZEHETNER / LENDL / OSHIDARI
K�RNTNER HYPO - OGH BER�T �BER BESCHWERDE DER GENERALPROKURATUR WEGEN KULTERER-VERFAHRENS: MICHEL-KWAPINSKI / SCHWAB / ZEHETNER / LENDL / OSHIDARI(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Wenn Dinge erörtert werden, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darf die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, entschied der OGH. Das hat Folgen für viele Verfahren.

Wien.50 Millionen Euro Sonderdividende zahlte die Hypo Alpe Adria im Jahr 2008 an ihre vier ehemaligen Eigentümer: das Land Kärnten, die Grazer-Wechselseitige-Gruppe, die Hypo-Mitarbeiterstiftung und die Berlin & Co Capital (heute: B & Co BeteiligungsgmbH). Dieses Geld verlangt die Hypo jetzt bekanntlich zurück. Mit der Mitarbeiterstiftung und der Grazer Wechselseitigen einigte sie sich inzwischen auf einen Vergleich („Die Presse“ berichtete). Mit den beiden anderen – und auch mit früheren Vorständen und Aufsichtsräten der Bank – ist der Rechtsstreit noch anhängig.

Im Zuge dieses Prozesses fiel nun ein OGH-Urteil, das auch für andere Verfahren im Bankenbereich gravierende Folgen haben dürfte (6Ob157/14b). Es ging um den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen, wenn Dinge zur Sprache kommen, die dem Bankgeheimnis unterliegen. Hier entschied nun das Höchstgericht: Die Öffentlichkeit darf für die Dauer eines solchen Vorbringens ausgeschlossen werden.

Mit dieser Entscheidung sei Neuland betreten worden, sagt Rechtsanwalt Alexander Klauser, der in dem Verfahren die Hypo vertritt. Es stehe nun fest, dass in Fällen, in denen ansonsten die Rechtsverfolgung vereitelt würde, „die Justizgewährung Vorrang vor dem Öffentlichkeitsgrundsatz hat“. Dass Verhandlungen in Zivilverfahren öffentlich sein müssen, sei „ein sehr wichtiges rechtsstaatliches Prinzip“, sagt Klauser. Nur dürfe es nicht dazu führen, dass eine Verfahrenspartei an Vorbringen und Beweisführung gehindert wird, weil sie sonst Sachverhalte öffentlich machen müsste, die der Geheimhaltung unterliegen.

Heikle Infos über Kunden

Im Streitfall wegen der Sonderdividende steht die Hypo auf dem Standpunkt, die damalige Auszahlung habe auf einer falschen Bilanz beruht und die Altaktionäre hätten den darin ausgewiesenen Gewinn wider besseres Wissen für bare Münze genommen. Um aber zu untermauern, dass zum Beispiel Kreditforderungen als Aktivposten bilanziert wurden, obwohl sie ganz oder teilweise abzuschreiben gewesen wären, muss jeder einzelne Kredit im Verfahren besprochen werden. In einer öffentlichen Verhandlung ginge das kaum ohne Eingriff ins Bankgeheimnis – schon gar nicht, wenn Zeugen einvernommen werden müssen.

Das Erstgericht lehnte den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit noch ab: Es gebe dafür keine Rechtsgrundlage. Das Rekursgericht sah das anders und entschied, ein Ausschluss der Öffentlichkeit sei legitim – aber nur dann, wenn die Klägerin bescheinigen könne, dass sie sich zuvor darum bemüht hat, dass die betroffenen Kunden sie vom Bankgeheimnis entbinden. Und dass sie deren Zustimmung entweder gar nicht oder „nur unter erschwerten Bedingungen“ habe erlangen können.

Den Ausschluss der Öffentlichkeit an eine solche Bedingung zu knüpfen, ging dem Höchstgericht zu weit. Denn welcher Bankkunde würde schon wollen, dass öffentlich über seine Schulden und seine Bonität diskutiert wird? Umso mehr dann, wenn er mit seinen Zahlungsverpflichtungen im Rückstand ist oder sonstige Probleme hat? Mit einer Zustimmung der Betroffenen sei kaum jemals zu rechnen, fand der OGH. Schon dass ein Kreditinstitut seine Kunden darum bitten solle, sei diesen nicht zumutbar.

„Mehr Vorsicht geboten“

Ein großes Thema ist das nicht nur im Hypo-Prozess. Dass solche Dinge zur Sprache kommen, sei in Trennungsszenarien zwischen Banken und ihren Vorstandsmitgliedern gängig, sagt Katharina Körber-Risak, Spezialistin für Arbeitsrecht und Managerverträge. Sehr oft gehe es da auch um Schadenersatzforderungen – und die Frage, ob bei Kreditentscheidungen sorgfältig vorgegangen wurde. Körber-Risak meint, durch die OGH-Entscheidung eröffne sich ein Ausweg „für Fälle, in denen man sich nicht anders behelfen kann“. In denen man also – etwa, weil Zeugen befragt werden müssen – mit bloßen Anonymisierungen nicht auskommt. Aber noch etwas sei jetzt klar: „Prozessparteien müssen das Bankgeheimnis ernst nehmen.“ Sie dürfen keinesfalls vor Publikum mit sensiblen Informationen herausrücken. Sondern müssen den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit auch wirklich stellen, wenn Derartiges zur Sprache kommen soll, und das nötigenfalls bis zur letzten Instanz durchfechten – wie in diesem Fall geschehen.

Ein Restrisiko bleibe aber selbst bei Ausschluss der Öffentlichkeit bestehen, merkt Körber-Risak an. Denn nicht alle Verfahrensbeteiligten unterliegen zwangsläufig einer Verschwiegenheitspflicht. Etwa bei Zeugen müsse das nicht der Fall sein. Und auch die können beim Prozess etwas mitbekommen, was sie nichts angeht.

AUF EINEN BLICK

Öffentlichkeitsgrundsatz. „Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, einschließlich der Verkündung der richterlichen Entscheidung, erfolgt öffentlich. Als Zuhörer haben unbewaffnete Personen Zutritt“, heißt es in der Zivilprozessordnung. Auszuschließen ist die Öffentlichkeit unter anderem bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit, aber auch, wenn die Öffentlichkeit der Verhandlung „zur Erschwerung der Sachverhaltfeststellung missbraucht“ werden könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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