Lohnverzicht: Oft für alle die bessere Lösung

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Als Ultima ratio kann ein vorübergehender Verzicht der Mitarbeiter auf Teile ihres Entgelts helfen, noch gravierendere Maßnahmen wie einen größeren Stellenabbau, Kurzarbeit oder eine Betriebsschließung zu vermeiden.

Wien. Dem Vorstoß des Elk-Managements waren nur ein paar Tage beschieden: Nach einem heftigen Wirbel in den Medien und wütenden Protesten der Gewerkschaft hat das Management des Fertighausbauers den angedachten Lohnverzicht der Mitarbeiter wieder ad acta gelegt. Dabei hat nur wenige Monate zuvor eine ähnliche Initiative eines niederösterreichischen Unternehmens die überwältigende Zustimmung der Mitarbeiter gefunden.

Unternehmen machen es sich meist nicht leicht, wenn sie auf ihre Mitarbeiter mit dem unpopulären Vorschlag eines Lohnverzichts zugehen. Dieser ist in der unternehmerischen Praxis regelmäßig die Ultima ratio, bevor zu noch gravierenderen Maßnahmen wie einem großflächigen Personalabbau, Kurzarbeit oder einer Betriebsschließung gegriffen wird.

Viele Aufträge, leere Kassa

Ein Lohnverzicht ist ein Vertrag mit einem Mitarbeiter, in dem dieser auf Teile seines arbeitsvertraglich zugesagten Entgelts verzichtet. Zu denken ist neben einer einvernehmlichen Senkung von Gehältern auch an die Reduktion von Zulagen, Prämien, Boni oder Provisionen. Beim klassischen Lohnverzicht wird die Arbeitszeit trotz geringeren Entgelts nicht verkürzt – ein wesentlicher Vorteil für den Arbeitgeber, wenn er derzeit zwar volle Auftrags-, aber leere Kassenbücher hat. Ein Verzicht auf Ansprüche ist rechtlich unproblematisch und unbeschränkt zulässig, solange die gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Mindeststandards nicht unterschritten werden.

Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf unabdingbare Ansprüche wie zum Beispiel den kollektivvertraglichen Mindestlohn, gesetzliche Abfertigungsansprüche oder Ansprüche auf Urlaubsersatzleistung ist nach ständiger OGH-Rechtsprechung hingegen grundsätzlich unwirksam. Grund dafür ist, dass während des Dienstverhältnisses angenommen werden muss, dass der Verzicht unter wirtschaftlichem Druck erfolgt. Es ist allerdings nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass auch während des aufrechten Dienstverhältnisses ein Verzicht gültig zustande kommen kann – die Vermutung muss aber im Einzelfall widerlegt werden können. Stellt das Unternehmen den Mitarbeitern für den Fall der Ablehnung des Lohnverzichts die Kündigung seines Dienstverhältnisses in Aussicht, handelt es sich nicht von vornherein um die rechtswidrige Ausübung von Druck.

Ein freiwilliger Lohnverzicht wird vor allem dann akzeptiert werden, wenn der Arbeitgeber glaubhaft vermitteln kann, nur damit einen Personalabbau nachhaltig vermeiden zu können. Er wird zudem dann leichter fallen, wenn er zeitlich beschränkt ist.

Stimmt ein Arbeitnehmer einer vorgeschlagenen Entgeltkürzung nicht zu, greifen Arbeitgeber oft notgedrungen zum Instrument der Änderungskündigung. Sie gleicht einer normalen Kündigung, birgt aber für Arbeitgeber das Risiko, dass der Arbeitnehmer – den man ja eigentlich dauerhaft halten will – das Änderungsangebot nicht annimmt und die Kündigung gegen sich wirken lässt. Umgekehrt gilt bei Änderungskündigungen aber auch der gesetzliche Kündigungsschutz. Wird die Kündigung wider Erwarten wirksam, kann sie also grundsätzlich wegen eines „verpönten Motivs“ oder wegen Sozialwidrigkeit bei Gericht angefochten werden. Allerdings haben Arbeitgeber bei Änderungskündigungen meist keine schlechten Karten: Nach der Judikatur des OGH liegt bei einer Änderungskündigung nämlich eine sozial ungerechtfertigte Kündigung bereits dann nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer die Annahme des Angebots des Arbeitgebers zumutbar ist.

Betriebsvereinbarung geht vor

Bestimmte Entgeltformen können auf Betriebsvereinbarungen beruhen. Derartige Entgeltansprüche können aufgrund des sogenannten Günstigkeitsprinzips nicht durch Einzelvereinbarungen mit Mitarbeitern gekürzt werden; dafür ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erforderlich. Sollte der Betriebsrat dazu nicht bereit sein, kann der Arbeitgeber mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung vorgehen.

Unternehmen sollten eine einvernehmliche Senkung von Entgelt vor allem dann einem Personalabbau vorziehen, wenn sich ihre wirtschaftliche Position nur vorübergehend verschlechtert hat. In diesem Fall könnte die Auflösung von Dienstverhältnissen nämlich zu einem unwiederbringlichen Abfluss wertvoller Personalressourcen führen, der einen Aufschwung des Unternehmens verzögern oder sogar verhindern kann.


Dr. Philipp Maier, LL.M. ist Arbeitsrechtsexperte und Partner bei Baker & McKenzie – Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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