Crowdinvesting: Beträge zu niedrig?

(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
  • Drucken

Gesetzesentwurf: Nicht nur Gründer, auch etablierte Unternehmen würden gern auf Crowdinvesting zurückgreifen. Fraglich ist aber, ob der Gesetzesentwurf auch für sie passt.

Wien. Noch bis 11. Mai läuft die Begutachtungsfrist für das neue Alternativfinanzierungsgesetz. Es soll eine Rechtsgrundlage für alternative Unternehmensfinanzierungen schaffen, bekannt auch unter dem Schlagwort Crowdfunding. Oder, korrekter, Crowdinvesting.

Alternativ heißt: abseits vom herkömmlichen Bankkredit – und abseits vom „großen“ Kapitalmarkt. Denn der ist für Start-ups, aber auch für etablierte mittelständische Unternehmen keine realistische Option: Die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen, vor allem die ab 250.000 Euro Emissionsvolumen geltende Prospektpflicht, überfordern Unternehmen dieser Größenordnung meist heillos.

Und der Bedarf für „Schwarmfinanzierung“ ist da, das weiß man nicht erst seit dem spektakulären Fall des Waldviertler „Schuhrebellen“ Heini Staudinger. Unternehmen brauchen Alternativen zum Bankdarlehen – und nicht wenige Anleger würden gern Geld in die regionale Wirtschaft investieren. Das neue Gesetz zählt eine Reihe „alternativer Finanzinstrumente“ auf, mit denen das relativ unbürokratisch möglich werden soll: Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Genussrechte, stille Beteiligungen, Nachrangdarlehen.

Vereinfachte Prospektpflicht

Unter 100.000 Euro Volumen soll es für die Emittenten künftig gar keine Informationspflichten geben. Zwischen 100.000 und 1,5 Millionen Euro müssen die Anleger Mindestinformationen bekommen, darüber beginnt die Prospektpflicht. Es reicht aber ein vereinfachter Prospekt, wenn das Emissionsvolumen innerhalb von zwölf Monaten unter fünf Millionen Euro bleibt. Erst darüber hinaus – und ebenso, wenn über einen Zeitraum von sieben Jahren die Fünf-Millionen-Grenze überschritten wird – gilt die volle Prospektpflicht.

Für einzelne Finanzinstrumente soll es Sonderregelungen geben: Bei Aktien und Anleihen etwa soll ab 250.000 Euro innerhalb eines Jahres die vereinfachte Prospektpflicht gelten.All das ist zweifellos ein Fortschritt – aber auch die neuen Schwellenwerte werden teils kritisiert. „Die Obergrenze von 1,5 Millionen erscheint zu gering“, sagt der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwalt Philipp Kinsky (Kanzlei Herbst Kinsky). Für noch problematischer hält er ein anderes Detail des Entwurfs: Pro Einzelanleger und Projekt soll ein Höchstbetrag von 5000 Euro gelten. Das könne für die Startfinanzierung bei Neugründungen passen. „Aber für mittelständische Unternehmen ist es lächerlich.“ Denn die brauchen meist mehr Geld, das sich so nur „mit einer Unzahl von Investoren“ aufbringen ließe.

Ähnlich sehen das die Geschäftsführer der auf etablierte Firmen spezialisierten Finanzierungsplattform Finnest.at, Günther Lindenlaub und Jörg Bartussek: Die neue Regelung passe für Start-ups, für bestehende, erfolgreiche KMU jedoch nicht. Dabei brauchen diese ebenfalls dringend alternative Finanzierungsmodelle – und könnten Anlegern mehr Sicherheit bieten als die meisten Gründer. Was sie sich dafür erhoffen, sind bessere Konditionen als bei der Bank – wenn Anleger sich darum reißen, bei guten Projekten mit an Bord zu sein. Martin Rösner, Chef von mountainbiker.at, einem seit 25Jahren bestehenden Unternehmen, sieht noch einen Vorteil: „Bei der Bank haften wir für alles persönlich.“ Beim Crowdinvesting ist das nicht der Fall. Noch einen Aspekt nennt Rösner: „Man kann auf diese Weise auch dem eigenen Unternehmen Geld geben.“

„Das ist Spielgeld“

Insgesamt sei das Gesetzesvorhaben gut, sagt auch Bartussek, „aber bitte, denkt es nun auch fertig!“ Ex-Banker Lindenlaub räumt ein, dass ein „Austarieren mit dem Anlegerschutz nötig ist“. Derzeit neige sich die Waage aber zu sehr in diese Richtung: „Solche Investitionen sind Spielgeld, das muss Anlegern bewusst gemacht werden. Dann sollten sie aber mehr Spielraum bekommen, selbst zu entscheiden.“

Eine Möglichkeit, höhere Beträge in ein Projekt zu stecken, sieht der Entwurf jedoch vor: Man muss dazu eine Erklärung abgeben, dass man höchstens zehn Prozent seines Finanzanlagevermögens oder das Doppelte des durchschnittlichen Monatsnettoeinkommens investiert. Das sei eine Hemmschwelle, meint Kinsky. Fraglich sei auch, wie es gehandhabt werden soll: „Übers Internet? Oder wird man unterschreiben müssen?“

Noch etwas gibt zu denken: Der Entwurf erfasst zwar auch qualifizierte Nachrangdarlehen – diese wurden bei entsprechender Ausgestaltung schon bisher von der Finanzmarktaufsicht (FMA) akzeptiert. Aber: Weiterhin ist unklar, ob qualifizierte Nachrangklauseln, wenn sie mit Konsumenten vereinbart werden, überhaupt vor Gericht standhalten würden. Kinsky bedauert, dass die Neuregelung das nicht klarstellt: „Eine generelle Zulassung wäre schön gewesen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hans Peter Haselsteiner
Österreich

Crowdfunding: "Es wird Skandale geben"

Hans Peter Haselsteiner hat mit anderen Investoren 250.000 Euro in das Getränke-Start-up Kaahée von Julian Juen investiert. Ein Gespräch über Geld und was Investor und Unternehmer voneinander lernen können.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.