Lobbying-Affäre: Auch die Schweiz hat ihren Kasachen-Krimi

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Eine Schweizer Abgeordnete soll einer Lobbyistin im Sold Kasachstans aufgesessen sein. In Österreich mehrt sich indes die Kritik am Rechtsrahmen für Lobbying.

Wien. Welchen Sinn hat ein Gesetz, das Lobbying transparent machen soll, wenn es in vollem Umfang nur für eine rare Spezies gilt? Nämlich für jene Lobbyisten, die sich zu diesem Berufsbild offen bekennen? Diese Frage steht im Raum, seit es in Österreich das sogenannte Lobbyisten-Gesetz gibt.

Neue Nahrung bekommt diese Kritik bei jeder neuen Lobbying-Affäre. Heißt: Immer dann, wenn wieder einmal verdeckt lobbyiert wurde, und das später auffliegt und die Öffentlichkeit empört. Aktuelles Beispiel: Die Vorgänge rund um die Causa Alijew. Abseits des laufenden Mordprozesses sehen sich hier, wie mehrfach berichtet, einige Personen gar mit dem Vorwurf geheimer nachrichtendienstlicher Tätigkeiten zum Nachteil Österreichs – und zum Vorteil Kasachstans – konfrontiert. Unter ihnen Staranwalt Gabriel Lansky in seiner Rolle als Vertreter des umstrittenen Opfervereins Tagdyr.

Das Lobbyisten-Gesetz – oder Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz, wie es korrekt heißt, verlangt von Lobbying-Unternehmen, dass sie sich, ihre Mitarbeiter und jeden Auftrag registrieren lassen. Wenn andere Firmen Lobbyisten beschäftigen, muss das ebenso gemeldet werden.Dagegen werden etwa von Interessenverbänden nicht so detaillierte Angaben verlangt – und manche andere Bereiche nimmt das Gesetz völlig aus. Rechtsberatende Berufe zum Beispiel. Konkret: „die Rechtsberatung und Vertretung durch Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder und andere dazu befugte Personen“.

Diese Ausnahme sorgte von Anfang an für Skepsis. Aus Sicht der Rechtsberater ist sie nötig, um das Berufsgeheimnis zu wahren. Die Gegenposition der Kritiker: Alle Bemühungen, Lobbying transparent zu machen, würden dadurch zur Farce, das Gesetz zur Augenauswischerei. Sie meinen, man solle es nachschärfen – oder, wenn das nicht machbar ist, lieber gleich abschaffen. Durch die Berichte über die Vorgänge rund um die Causa Alijew hat sich diese Kritik verstärkt – auch wenn vieles, was hier an Vorwürfen im Raum steht, noch ungeklärt ist.

Parallelfall in der Schweiz

Faktum ist zudem, dass auch anderswo eifrig – und nicht immer mit offenen Karten – für Kasachstan lobbyiert wurde. Im Nachbarland Schweiz zum Beispiel: Erst kürzlich kochte dort eine Lobbyisten-Affäre hoch, in deren Mittelpunkt die liberale Abgeordnete Christa Markwalder steht. Es geht dabei um eine Anfrage, die sie vor rund zwei Jahren an den Schweizer Bundesrat stellte.

Das Wort Bundesrat bezeichnet in der Schweiz die Regierung. Thema der Interpellation waren die Beziehungen des Landes zu Kasachstan. Inwieweit die Schweiz den Demokratisierungsprozess unterstützt und mit welchen Maßnahmen sie Kasachstan bei der Korruptionsbekämpfung hilft, wollte die Abgeordnete wissen. Sechste und letzte Frage: Wie denn der Stand im Verfahren gegen Viktor und Leila Khrapunov sei und inwiefern der Fall die Beziehungen der Schweiz zu Kasachstan belaste.

Viktor und Leila Khrapunov: ein kasachisches Ehepaar, er einst Politiker, sie Geschäftsfrau. Beide gehörten früher zur kasachischen Elite, jetzt leben sie im Schweizer Exil. Kasachstan bezichtigt sie krimineller Machenschaften und fordert ihre Auslieferung (was die Schweizer Behörden bislang ablehnten). Sie selbst bezeichnen sich als Opfer der Verfolgung durch Regierung und Geheimdienst.

Die Parallelen zur Causa Alijew sind auffällig, auch wenn es im Schweizer Fall „nur“ um den Vorwurf von Korruption und Veruntreuung und nicht um Mordverdacht geht. Aber zurück zu Markwalders Interpellation: Kasachstan habe die Schweiz in diesem Fall um Rechtshilfe ersucht, hieß es in der Beantwortung der Anfrage. Parallel dazu hätten die Genfer Justizbehörden eine Untersuchung wegen Geldwäscheverdachts eröffnet. Und: „Der Fall belastet die Beziehungen der Schweiz zu Kasachstan bis anhin nicht.“

Alles unspektakulär, alles im Internet nachzulesen. Trotzdem sorgte die Interpellation in den vergangenen Wochen für einen Riesenwirbel. Und könnte Markwalder auch rechtliche Probleme bereiten.

Überraschend offene Worte

Durch Recherchen der NZZ stellte sich nämlich heraus, dass Markwalder die Fragen nicht aus eigenem Antrieb verfasst hatte, sondern auf Einflüstern einer Mitarbeiterin der PR-Agentur Burson-Marsteller. Die wiederum hatte ein Mandat von der kasachischen Partei Ak Zhol, die sich zwar als liberale Opposition geriert, aber eine auffällige Nähe zum dortigen Regime haben soll. Die Abgeordnete ging also sichtlich einer Lobbyistin auf den Leim. Wobei die Anfrage nicht alles war: Zusätzlich stellte sie Fragen an die Außenpolitische Kommission. Die Antworten teilte sie laut Medienberichten ebenfalls der Agenturmitarbeiterin mit, die sie an ihre kasachischen Auftraggeber weitergereicht haben soll.

Nichts davon sei vertraulich oder brisant gewesen, schrieb Markwalder in ihrer öffentlichen Stellungnahme zu dem Vorfall. Dennoch: Formal unterlagen die Antworten der Geheimhaltung. Markwalder droht deshalb eine Anzeige wegen Geheimnisverletzung. Sogar das Wort Spionage stand im Raum – noch eine Parallele zur Causa in Österreich.

Sie stehe zu ihren Fehlern, schreibt Markwalder. Sie verurteilt „die Art und Weise dieses undurchsichtigen Lobbyings“, übt aber auch Selbstkritik: „Diesen Vorwurf der Gutgläubigkeit muss ich mir gefallen lassen, darüber ärgere ich mich selbst am meisten.“

Auch Schweizer Abgeordnete anderer Couleurs sollen schon für kasachische Interessen instrumentalisiert worden sein. Und erst kürzlich gingen um den Schweizer Ex-Diplomaten und nunmehrigen Lobbyisten Thomas Borer wegen seiner Aktivitäten im Fall Khrapunov die Wogen hoch. Ebenfalls mit im Spiel: eine Schweizer Anwaltskanzlei und, von dieser beauftragt, ein privater Nachrichtendienst.

Alles im Rahmen des Legalen, ließen die Beteiligten verlauten. Auch aus der Rolle der Anwaltskanzlei machte man laut NZZ kein Hehl: Sie sei vor allem eingeschaltet worden, um die Ermittlungsergebnisse unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses zu stellen.

Das, und noch mehr Markwalders Stellungnahme, macht dann doch wieder Unterschiede deutlich: Derart offene Worte hört man hierzulande bislang nicht. Und letztlich hat auch die Schweizer Lobbyistin ihre Rolle nicht verschwiegen – sondern eher die ihrer Auftraggeber falsch dargestellt. Was noch etwas zeigt: Selbst wenn alle, die faktisch lobbyieren, in einem Register stünden, wäre das immer noch kein Garant für Transparenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2015)

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