Wie reuig dürfen Bilanzfälscher sein?

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Strafrecht. Das Delikt der Bilanzfälschung wird neu geregelt. Noch steht die Endfassung der Strafbestimmung nicht fest. Die SPÖ ist mit der aktuellen Formulierung nämlich noch nicht zufrieden.

Wien. Am Mittwoch hat die Strafrechtsreform den Ministerrat passiert. Die Neufassung des Delikts der Bilanzfälschung ist ein Teil des Pakets. Die SPÖ ist mit dem vorliegenden Entwurf noch nicht zufrieden Sie stört, dass Bilanzfälscher nur bestraft werden sollen, wenn sie einen schwerwiegenden Schaden verursachen. Am 24. Juni findet deshalb noch ein Expertenhearing im Parlament statt.

Wie auch immer: Eine Änderung des Tatbestands der Bilanzfälschung ist hoch an der Zeit. Im Justizministerium arbeiten die Beamten schon seit 2010 an einer grundlegenden Reform. Derzeit ist der Straftatbestand in zahlreichen Einzelgesetzen des Gesellschaftsrechts verstreut, nun soll er endlich in den Paragrafen 163a bis 163d des Strafgesetzbuches (StGB) einheitlich geregelt werden.

Dringend erforderlich wurde eine Änderung schließlich mit dem Inkrafttreten des Rechnungslegungs-Kontrollgesetzes (RL-KG). Seit 1. Jänner kontrolliert die Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR), auch Bilanzpolizei genannt, die Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen. Findet die Prüfstelle wesentliche Fehler, muss das Unternehmen diese veröffentlichen.

Aber was hat ein Finanzvorstand zu fürchten, wenn die Prüfstelle einen wesentlichen Fehler im Abschluss findet? Wirtschaftsprüfer schlugen schon Alarm, bevor die Bilanzpolizei ihre Arbeit Anfang 2014 aufgenommen hatte. Es könne zu einer Kriminalisierung der Akteure kommen, wenn jede Fehlerfeststellung gleich eine Strafanzeige wegen Bilanzfälschung nach sich zöge, so die große Sorge.

Nicht jeder Fehler ist strafbar

Doch Ziel des Rechnungslegungs-Kontrollgesetzes war es nie, Vorstände wegen jedes Makels der Bilanz hinter Gitter zu bringen. Vielmehr soll mit den Bilanzprüfungen die Qualität der Rechnungslegung gehoben und damit das Vertrauen in den österreichischen Kapitalmarkt gestärkt werden.

Diesen Ansatz verfolgten auch die Legisten des neuen § 163a, der künftig „Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände“ heißen soll. Selbstverständlich will der Gesetzgeber jeden an die Kandare nehmen, der Bilanzen mit Vorsatz fälscht. Gleichzeitig sollen all jene vor einer strafrechtlichen Verfolgung verschont bleiben, die lediglich unbedeutende Fehler ohne gravierende Folgen verursacht haben. Denn, so steht es in den Erörterungen zu der Novelle sinngemäß: In Bilanzfragen gibt es ohnehin keine absolute Wahrheit. Das Strafrecht soll daher Ultima ratio, das äußerste Mittel, sein. Konkret heißt das:
• Nach dem derzeitigen Wortlaut soll es auf „unvertretbare“ Darstellung der Information in den Jahresabschlüssen ankommen. Unvertretbar kann eine Information sein, wenn sie formell oder inhaltlich falsch oder unvollständig ist.
• Doch eine falsche und unvollständige Darstellung allein reicht für die Strafbarkeit noch nicht aus. Zusätzlich muss sie „geeignet“sein, einen „schwerwiegenden Schaden“für die Gesellschaft, deren Gläubiger oder Mitglieder herbeizuführen.

Nicht vorgesehen ist derzeit, dass die Bilanzersteller nur für die wissentlich unrichtige Darstellung zu bestrafen sind. Dafür sprechen sich jedoch viele aus. Etwa Michael Schober, er ist Partner bei Deloitte und Präsident des Instituts Österreichischer Wirtschaftsprüfer.

Hingegen begrüßt er, dass der Entwurf klar zwischen jenen unterscheidet, die im Unternehmen die Bilanz erstellen, und jenen, die sie prüfen: „Sie würden sich wundern, wie viele sich nicht bewusst sind, dass es nicht der Wirtschaftsprüfer ist, der die Geschäfte des Unternehmens führt, und es auch nicht er ist, der die Bilanz aufstellt.“

Unzufrieden ist er allerdings darüber, wie die tätige Reue im neuen § 163d derzeit geregelt ist. (Bisher war sie bei der Bilanzfälschung überhaupt nicht möglich): Demnach ist ein Abschlussprüfer nur dann nicht strafbar, wenn er freiwillig die verschwiegenen oder falschen Angaben bis zum Ende der Haupt- bzw. Generalversammlung nachträgt. Danach soll tätige Reue nicht mehr möglich sein. „Wünschenswert wäre es gewesen, wenn man die Information so lange richtigstellen kann, bis die erste behördliche Verfolgungshandlung gesetzt wird“, sagt Schober. Auch der Strafrechtsexperte und Anwalt Gerald Ruhri findet das Zeitfenster, das zur tätigen Reue bleibt, „viel zu klein. Das hat zur Folge, dass es sich jeder Bilanzprüfer dreimal überlegen wird, ob er gegebenenfalls einen zu Unrecht erteilten Bestätigungsvermerk zurücknimmt. Wenn die Regelung so bleibt, riskiert er damit, ein Fall fürs Kriminal zu werden“. Dabei hätten alle Betroffenen doch viel mehr davon, wenn er an die Öffentlichkeit geht und den Fehler zugibt, so Ruhri.

Tätige Reue kaum möglich

Auch die Experten im Justizministerium haben sich mit der Kritik auseinandergesetzt. Dass eine erweiterte tätige Reue Anreiz bieten könnte, fehlerhafte Darstellungen richtig zu stellen, gestehen sie in den Erläuterungen durchaus ein. In der Veröffentlichung der Fehlerfeststellung, so wie sie im RL-GK vorgesehen ist, sehen sie jedoch kein probates Instrument für tätige Reue: „Zwar erleichtert eine Richtigstellung theoretisch die Verfolgung der Ansprüche, allerdings setzt sie voraus, dass ein Geschädigter davon auch Kenntnis erlangt, dass die ursprüngliche Darstellung falsch war und sie nun richtig gestellt worden ist.“

Das ist der wunde Punkt an der Sache: „Im Rechnungslegungsrecht gibt es kein Verfahren, das die entsprechende Publizität sichert.“ Eine Notiz in der „Wiener Zeitung“ ist noch kein Garant, dass wirklich alle Betroffenen von der falschen Information erfahren.

Doch die Verfasser des Entwurfs führen noch ein anderes Argument ins Treffen: Tätige Reue sieht § 167 StGB ausschließlich für Vermögensdelikte, und auch nur dann vor, wenn der Schaden vollständig gutgemacht werden kann. Bilanzdelikte zielen aber darauf ab, jene zu schützen, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der Informationen ihre Entscheidungen getroffen, also vielleicht Aktien ge- oder verkauft haben. Den Schaden wieder vollständig gutzumachen, sei daher gar nicht denkbar, so die Experten. Tätige Reue sei daher nur sehr eingeschränkt möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2015)

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