Gewässerschutz: EuGH urteilt streng

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Unionsrecht. Ein Streitfall über den Ausbau einer Wasserstraße in Deutschland führte zu einer EuGH-Entscheidung, die Projektwerbern das Leben nicht leichter macht.

Wien. Und wieder hat der EuGH eine Entscheidung getroffen, die Umweltschützer freut, Projektwerbern jedoch Kopfzerbrechen bereitet. Es geht um einen Fall aus Deutschland; die Auswirkungen könnten aber auch hierzulande beträchtlich sein. In ihrer Position gestärkt fühlen sich jetzt zum Beispiel die Gegner des umstrittenen Straßenprojekts Umfahrung Schützen am Gebirge: Die burgenländische Umfahrungsstraße ist zwar längst eröffnet, aber immer noch Anlass für Rechtsstreitigkeiten.

Aber worum ging es in jenem anderen Verfahren vor dem EuGH? Nicht um Straßenbau, sondern um Gewässerschutz – konkret um die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Anlassfall waren drei Vorhaben für den Ausbau der Weser, die Fahrrinne dieser Wasserstraße sollte vertieft werden. Das hätte, wie festgestellt wurde, einige Auswirkungen auf den Fluss: höhere Strömungsgeschwindigkeit, Veränderung der Hoch- und Niedrigwasserstände, mehr Salzgehalt, stärkere Verschlickung des Flussbetts.

Was heißt Verschlechterung?

Das rief Umweltschützer auf den Plan, die auf die erwähnte EU-Richtlinie verweisen. Denn diese enthält ein „Verschlechterungsverbot“ bzw. „Verbesserungsgebot“ für den Zustand und das ökologische Potenzial von Gewässern. Für die Bewertung des Gewässerzustands gibt es mehrere Qualitätskomponenten und jeweils fünf Zustandsklassen von „sehr gut“ bis „schlecht“. Aus den Werten für die einzelnen Komponenten wird die Gesamtbewertung errechnet.

Im konkreten Fall fand die zuständige Behörde alles halb so schlimm und genehmigte das Vorhaben: Es habe zwar potenziell negative Auswirkungen, diese seien aber nicht so gravierend, dass der Gesamtzustand um mindestens eine Klasse schlechter würde. Also verstoße das Projekt nicht gegen das unionsrechtliche Verschlechterungsverbot. Der Bund für Umwelt und Naturschutz focht diese Entscheidung an, was letztlich dazu führte, dass die Frage der Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie beim EuGH landete.

Dieser erteilte nun der eher projektwerberfreundlichen Interpretation durch die deutsche Behörde eine Absage: Wenn ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Gewässerzustands gefährdet, dürfen die Mitgliedstaaten – von der (unter bestimmten Voraussetzungen möglichen) Gewährung einer Ausnahme abgesehen – dieses Vorhaben nicht genehmigen, heißt es in seiner Entscheidung (C461-13). Dafür reiche es schon, wenn auch nur eine Qualitätskomponente um mindestens eine Klasse abrutscht – selbst wenn die Gesamteinstufung unberührt bleibt.

Geht es um eine Qualitätskomponente, die bereits in der schlechtesten Klasse eingestuft ist, kennt der EuGH schon gar kein Pardon: Dann bedeutet aus seiner Sicht jede weitere Verschlechterung, die diesen Bereich betrifft, dass das Vorhaben (abgesehen von Ausnahmefällen) nicht genehmigt werden darf.

Der Spielraum ist jetzt kleiner

Aber was hat das alles mit einem Straßenprojekt wie der Umfahrung Schützen zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, bei näherem Hinsehen aber möglicherweise mehr als gedacht. Denn im Fall Schützen sind mehrere Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Unter anderem wurde auch der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid bekämpft – und dabei das unionsrechtliche Verschlechterungsverbot ins Spiel gebracht. Mit dem Argument, Oberflächenwasser von der Straße gelange teilweise ungereinigt über diverse Gräben in die ökologisch belastete Wulka, die wiederum in den Neusiedler See mündet.

Wie all das letztendlich beurteilt werden wird, ist zwar weiterhin völlig offen. Klar ist jetzt aber, dass der EuGH das Verschlechterungsverbot recht streng auslegt – strenger als in so manchem EU-Land bisher üblich. Bei Projekten, die tatsächlich negative Auswirkungen auf Gewässer haben können, ist der Spielraum für eine Bewilligung dadurch eindeutig geschrumpft.

AUF EINEN BLICK

Gewässerschutz. Laut Wasserrahmenrichtlinie müssen die EU-Länder dafür sorgen, dass der Zustand ihrer Gewässer nicht verschlechtert wird (Verschlechterungsverbot), und darüber hinaus Maßnahmen für Verbesserungen und Sanierungen der Gewässer setzen (Verbesserungsgebot). Das bedeutet, dass Projekte, die die Wasserqualität verschlechtern, nicht bewilligt werden dürfen (abgesehen von Ausnahmefällen). Was als Verschlechterung gilt, legt der EuGH nun eher streng aus: Es genügt, wenn auch nur eine Qualitätskomponente um eine Klasse schlechter wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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