Asylunterkünfte: Auch da gilt das Vergaberecht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Auftragsvergaben. Bei der bloßen Anmietung von Gebäuden, um Quartiere für Asylwerber zu schaffen, ist das Vergaberecht kein Thema – wohl aber bei Baumaßnahmen und Betreuungsleistungen.

Wien. Um für die Schaffung von Asylunterkünften notfalls in Länder- und Gemeindekompetenzen eingreifen zu können, plant die Bundesregierung, wie berichtet, eine Verfassungsänderung. Es gehe da nicht um Einschränkungen von Privatrechten, wird betont. Sondern etwa um Durchgriffsrechte in Fragen der Raumordnung.

Womit eines deutlich wird: Die aktuelle Notsituation ist nicht „nur“ eine politische und humanitäre Herausforderung, sondern auch eine juristische. Kompetenzprobleme zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bilden die Spitze des Eisberges, sind aber nicht das einzige Problemfeld. Bernhard Müller, Rechtsanwalt und Dozent an der Uni Wien, weist auf einen weiteren potenziell konfliktträchtigen Rechtsbereich hin, der hier ins Spiel kommen kann: das Vergaberecht. In anderen Ländern, etwa in Deutschland, wird das schon seit Längerem thematisiert – in Österreich bislang kaum.

So viel vorweg: Geht es bloß um das Einrichten von Notunterkünften in öffentlichen Gebäuden oder auch um das Anmieten zusätzlicher Räumlichkeiten, sollte es keine vergaberechtlichen Probleme geben. „Die bloße Anmietung ist vom Vergaberecht ausgenommen“, sagt Müller. Sobald aber Umbauten nötig werden, wird die die Grenze fließend. Geringfügige Sanierungen von Mietobjekten können zwar noch unter den Titel „Anmietung“ fallen. Größere bauliche Adaptierungen sind aber auszuschreiben, sobald die jeweiligen Schwellenwerte überschritten werden.

Dringlichkeit als Argument?

Dasselbe gilt für Lieferaufträge und Dienstleistungen – zum Beispiel Betreuungsleistungen. Was die diversen Schwellenwerte betrifft, ist zudem zu beachten, dass mehrere gleichartige Aufträge desselben Auftraggebers unter bestimmten Voraussetzungen zusammengerechnet werden müssen.

Nun haben Ausschreibungen aber einen Nachteil: Sie kosten Zeit. Und in Notsituationen wie der jetzigen ist das ein Riesenproblem. Zwar gibt es Möglichkeiten für beschleunigte Verfahren, aber auch diese dauern zumindest ein paar Wochen. Kann da nicht Dringlichkeit ein Argument dafür sein, eben doch auch größere Aufträge direkt zu vergeben? In manchen Fällen ist das tatsächlich so: Laut Bundesvergabegesetz darf man auf das „Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung“ ausweichen, wenn „dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte“, es nicht zulassen, dass man die vorgeschriebenen Fristen einhält.

Aber, und das wird oft übersehen: Wenn man die Dringlichkeit selbst verschuldet hat – weil man für ein Problem, das sich schon seit Längerem abgezeichnet hat, keine Vorsorge getroffen hat –, kann man sich darauf nicht berufen. Der Europäische Gerichtshof kennt da kein Pardon: Das Vergaberecht – je nach Größenordnung des Auftrags bis hin zu EU-weiten Ausschreibungen – ist in solchen Fällen trotzdem einzuhalten. Laut Müller wurde das selbst bei Naturkatastrophen schon so beurteilt, wenn es sich um immer wiederkehrende und deshalb vorhersehbare Ereignisse handelte.

Aber wie kann man vorsorgen? Beim Thema Asyl vor allem durch rechtzeitigen Abschluss von Rahmenvereinbarungen – etwa mit Betreuungseinrichtungen, aber ebenso auch für die Instandsetzung von Gebäuden, sagt Müller. Ein weiterer Ausweg sind öffentliche Kooperationen mit Blaulichtorganisationen: Diese sind vom Vergabercht ausgenommen, genauso übrigens auch Kooperationen des Bundes mit Ländern und Gemeinden.

Bei der einen oder anderen Maßnahme, die der Bund künftig aufgrund der geplanten Verfassungsänderung setzt, könnte, wie Müller meint, die Dringlichkeit außerdem eventuell sogar anerkannt werden: Denn springt er für eine säumig gewordene andere Gebietskörperschaft ein, hat er diese Dringlichkeit ja nicht selbst verursacht. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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