Rechtsschutz: Versicherung zahlt bei Entführung

(c) APA
  • Drucken

Die Globalisierung bringt vielen Unternehmen neue Märkte – den dort tätigen Mitarbeitern aber auch mehr Risken. Spezielle Versicherungen sind daher unabdingbar.

Wien. Es ist ein Geschäft. Freilich kein alltägliches. Entsprechend rar sind genaue Daten, so gut wie nie werden Summen genannt. 40.000 Entführungsfälle soll es pro Jahr geben, schätzen die Krisenexperten von Terra Firma Risk Management. Die Dunkelziffer soll allerdings bei 90 Prozent liegen, womit es tatsächlich fast 400.000 Fälle wären. Nicht erst, seit die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) Horrorvideos von entführten und hingerichteten Opfern ins Netz stellt, ist das Interesse von Unternehmen an speziellen Versicherungen für ihre Mitarbeiter, die in Krisenregionen tätig sind, rapid gestiegen.

Wobei es heutzutage – abgesehen von den „echten“ Kriegsgebieten Ukraine, Syrien und Irak – überall brenzlig werden kann. Bei Entführungen führen Mexiko und Nigeria die Liste der Länder mit der höchsten Gefährdung an.

„Es ist heutzutage unabdingbar, Expats, also im Ausland tätige Mitarbeiter, abzusichern – egal, wo sie arbeiten“, sagt Daniela Karollus-Bruner, Partnerin bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, zur „Presse“. Eine Entführung sei ein ganz besonders heikler Fall – dafür gebe es auch ganz spezielle Versicherungen. Solche Entführungs- und Lösegeld-Polizzen (Kidnap and Ransom) umfassen nicht nur die Kosten für das Lösegeld, medizinische Versorgung und Rückholung, sondern auch einen Krisenberater, der im Fall der Fälle unabdingbar ist.

Kosten gehen rasch nach oben

Der Krisenberater muss die notwendigen Schritte einleiten. Dazu gehören die Analyse der Lage und die Beratung vor Ort, das Erarbeiten strategischer Optionen, die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und der Umgang mit Medien. „Die Krisenberater sind bei Entführungen das Um und Auf und wichtiger als Anwälte“, sagt Karollus-Bruner.

Die Prämie richte sich vor allem nach der Sicherheitslage in der Region – die könne wiederum ein Krisenberater am besten einschätzen, weshalb Versicherer mit solchen Fachleuten zusammenarbeiteten. Und natürlich spiele auch die Höhe des Lösegeldes, für die man sich absichern möchte, eine Rolle. Wobei auch die Position bzw. Bedeutung der Person zu berücksichtigen ist – auch wenn das zynisch klingt. Der Topmanager eines Großkonzerns dürfte Entführern mehr wert sein als der Chauffeur. Die Deckungssummen reichen von drei bis 50 Mio. Euro, berichtete dazu die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Nichts unterliege mehr der Geheimhaltung als solche K&R-Versicherungen. „Ein Unternehmen, dessen Absicherung bekannt ist, bietet sich ja als Zielscheibe förmlich an“, nennt Karollus-Bruner den Grund. Deshalb dürfen Versicherer dafür auch nicht werben – und auch in den Unternehmen dürfen nur wenige Personen eingeweiht sein. Bis 1998 waren Lösegeldversicherungen überhaupt verboten, weil sie als sittenwidrig und unmoralisch galten. Hierzulande gehe die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf solche Versicherungen überhaupt nicht ein, die deutsche Bafin habe dazu ein Rundschreiben herausgegeben.

Ein weiterer Grund dafür, dass das Thema so sensibel ist: „Man zahlt das Lösegeld ja an einen Straftäter.“ Viele Staaten, darunter auch Österreich, haben etwa versichert, kein Geld an al-Qaida gezahlt zu haben. Das US-Finanzministerium schätzt indes, dass seit 2008 rund 150 Mio. Euro beinahe ausschließlich von europäischen Regierungen an al-Qaida geflossen sind, wie der irische Spezialversicherer XL Catlin berichtet.

Verträge genau prüfen

Es muss aber nicht gleich ein Kidnapping sein. Mit der zunehmenden Globalisierung haben sich auch kleinere und mittlere Unternehmen in Weltgegenden vorgewagt, die inzwischen hohe Risken bergen. „Jedes Unternehmen, das Mitarbeiter ins Ausland entsendet, sollte sie gut versichern beziehungsweise die bestehenden Verträge überprüfen“, rät Karollus-Bruner. Zumal heutzutage Terrorakte überall passieren – auch in Europa. Dabei zahle sich ein Blick auf das Kleingedruckte – wie immer – aus.

Vor allem die sogenannten Ausschlusstatbestände sollten beachtet werden. „Bei guten Versicherungen sind Unfälle infolge von Unruhen, Bürgerkrieg, Krieg und Terror nicht von vorneherein ausgeschlossen, allerdings nur dann, wenn man nicht ,aktiv‘ teilnimmt“, erklärt die Anwältin. Die Begriffe sind jedoch oft unterschiedlich definiert und daher Auslegungssache. Da helfe es, schon bei Abschluss einer Versicherung juristische Expertise einzuholen.

Gute Deckungskonzepte versichern nicht nur die medizinische Betreuung, Krankengeld, Medikamente und den (Rück-)Transport, sondern auch im Todesfall Kapitalleistungen an Hinterbliebene. Manche Versicherungen verlangen auch, dass die Betroffenen vor ihrem Auslandseinsatz entsprechend trainiert werden – das umfasst nicht nur Erste Hilfe, sondern auch Verhaltensregeln, um im Krisenfall richtig zu reagieren bzw. den Schaden minimieren zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.