Aktionäre könnten künftig mehr Rechte haben

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Aktionärsrechterichtlinie. Das Europäische Parlament hat den Vorschlag der EU-Kommission stark überarbeitet, nachdem vor allem Deutschland daran harsche Kritik geübt hat. Ein Kompromiss ist das Ergebnis.

Wien. Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Aktionärsrechterichtlinie stieß vor allem in Deutschland auf massiven Widerstand. Die geplanten Neuerungen stünden zum deutschen Konzernrecht in krassem Widerspruch, so der Tenor. Zu demselben Schluss kam auch das Österreichische Aktienforum. Der Entwurf sei „mit wesentlichen Grundprinzipien des österreichischen Aktienrechts nicht vereinbar“.

Der Unmut überrascht nicht. „Die Kommission orientierte sich am angloamerikanischen Gesellschaftsrecht, welches das dualistische System, wie es die österreichische und deutsche Rechtsordnung vorsieht, nicht kennt“, sagt der Aktienrechtsexperte Michal Dobrowolski von Freshfields. Während der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) das Unternehmen unter der Kontrolle des Aufsichtsrats leitet, gibt es nach dem angloamerikanischen One-Tier-System diese Trennung nicht (siehe Artikel unten). „Der Entwurf der Kommission sah nun eine starke Kompetenzverlagerung vor, und zwar weg vom Aufsichtsrat hin zur Hauptversammlung“, so Dobrowolski. „Während bei uns der Aufsichtsrat die Vergütung des Vorstands festlegt, sollte künftig die Hauptversammlung bindend dafür zuständig sein.“

Der laute Aufschrei aus Deutschland hat jedoch gewisse Wirkung gezeigt. Das EU-Parlament hat den Entwurf der Kommission überarbeitet. Seit 8. Juli liegt die Kompromissfassung auf dem Tisch. Wird sie so als Richtlinie beschlossen, muss sich der österreichische Gesetzgeber besonders mit zwei wesentlichen Neuerungen befassen: mit der Vergütung der Leitungsorgane von börsenotierten Unternehmen und mit den Transaktionen der Gesellschaft mit ihr nahestehenden Personen („related party transactions“).

Parlament hat entschärft

„Auch nach dem Entwurf des EU-Parlaments hat die Hauptversammlung weiterhin mehr Kompetenzen als bisher. In manchen Punkten gibt es jedoch Entschärfungen“, sagt der Anwalt: „Mitgliedstaaten können demnach bestimmen, dass der Beschluss der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik des börsenotierten Unternehmens nur beratenden, nicht bindenden Charakter haben soll.“ Aus Sicht des Juristen wäre das für Österreich sinnvoll. „Die Hauptversammlung könnte dann zwar keinen bindenden Beschluss fassen, die Vergütungspolitik würde dennoch – anders als bisher – im Detail vor den Aktionären behandelt werden. Damit würde für die Transparenz gesorgt, auf die es der Kommission ankommt.“

Einen Kompromiss erarbeitete das Parlament auch bei der Honorierung der Verwaltungs- und Leitungsorgane. Erstmals soll es auf europäischer Ebene ein gewisses Mitspracherecht der Aktionäre bei der Festsetzung des Salärs der Leitung geben. „Es gibt allerdings – anders als bei Kreditinstituten – keine verbindliche Deckelung der Vergütung“, so Dobrowolski.

Künftig müssen sich Österreichs Legisten auch überlegen, wie mit den „wesentlichen Transaktionen“ der AG mit ihr nahestehenden Unternehmen und Personen verfahren wird. Die sollen künftig vom Aufsichtsorgan oder der Hauptversammlung genehmigt werden. Was „wesentliche Transaktionen“ sind, muss jeder Staat selbst festlegen. Nach dem Entwurf kann ein Land auch bestimmen, dass die Aktionäre das Recht haben, selbst dann über wesentliche Transaktionen abzustimmen, wenn sie vom Aufsichtsorgan schon genehmigt worden sind. „Dass man in Österreich der Hauptversammlung derart weite Rechte für den Abschluss von Related Party Transactions zugesteht, wäre juristisches Neuland und systemfremd“, sagt Dobrowolski. „Die Hauptversammlung ist nicht dazu geeignet, über komplexe Einzeltransaktionen zu entscheiden. Wie sollte denn das ein Minderheitsaktionär vernünftigerweise tun?“ Dafür sei ein Organ besser prädestiniert, das höhere Sorgfaltspflichten als ein Aktionär zu erfüllen und für seine Entscheidungen auch zu haften habe. Dobrowolski: „Das ist der Aufsichtsrat. Die Hauptversammlung soll nach dem Aktiengesetz gerade nicht über die Fragen der Geschäftsführung entscheiden, sondern nur über strukturelle Veränderungen.“

Auf einen Blick

Über den Kompromissentwurf des EU-Parlaments zur Aktionärsrechte-Richtlinie werden nun die Kommission, der Rat und das Parlament beraten. Erwartet wird, dass die Richtlinie noch dieses Jahr beschlossen wird. Zur Umsetzung in nationales Recht stehen jedem Staat 18 Monate zur Verfügung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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