Schwarmfinanzierung: Die Crowd ist erbarmungslos

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Seit 1.September gibt es für Schwarmfinanzierung einen gesetzlichen Rahmen. Was sie bringt, wem sie nützt – und was alles schiefgehen kann.

Wien. „Als Banker bin ich da die Spaßbremse.“ Christian Ohswald, Leiter des Wealth Managements der Deutschen Bank, ließ in der Diskussionsrunde vergangenen Montagabend falsche Erwartungen über seine Sicht der Dinge gar nicht erst aufkommen. Es ging um Crowdinvesting, Veranstalter war die Wirtschaftskanzlei PHH. Mit Ohswald auf dem Podium saßen überwiegend Diskutanten, die beträchtliche Hoffnungen in diese neue Form der Unternehmensfinanzierung setzen. Hoffnungen, die Ohswald zumindest teilweise für überzogen hält: Da sei „viel Hype“ drinnen. „Das Thema steht ganz am Beginn. Da wird es auch Ernüchterung geben.“

Einen rechtlichen Rahmen hat die „Schwarmfinanzierung“ seit 1.September: das Alternativfinanzierungsgesetz. Es senkt für Kleinemissionen die regulatorischen Hürden: Statt wie bisher ab 250.000Euro muss jetzt erst ab fünf Millionen Euro ein voller Kapitalmarktprospekt erstellt werden. Das soll Crowdinvesting auch für Start-ups und KMU zugänglich machen, die sich den Aufwand für einen Prospekt nicht leisten könnten. Unterhalb der Schwelle gelten reduzierte Offenlegungspflichten: Zwischen 100.000 und eineinhalb Millionen Euro ist ein Informationsblatt nötig, darüber, bis zur Fünf-Millionen-Grenze, ein Prospekt light.

Zugleich wurden Mindeststandards für Crowdinvesting-Plattformen eingeführt. Private Investoren dürfen außerdem nicht mehr als 5000 Euro pro Jahr in ein Projekt stecken, außer man weist nach, dass das Investment nicht mehr als das Doppelte des monatlichen Nettoeinkommens oder maximal zehn Prozent des Finanzanlagevermögens ausmacht. „Wir sind da etwas liberaler als Deutschland“, sagte PHH-Partner Wolfram Huber. Im Nachbarland seien 10.000Euro die absolute Grenze.

„Gefahr der Bauernfängerei“

Aber braucht es überhaupt solche strikten Vorgaben? Das ist umstritten. Ein Gesetz „zum Schutz ahnungsloser Anleger“ sei gut, sagte René Berger, Investor (etwa in die Formel-1-Teams von Mercedes und Williams) und Business Angel of the Year 2015. Die Gefahr, „dass Bauernfänger herumrennen“, sei real, „und ich wage zu bezweifeln, ob die Plattformen das wirklich immer beurteilen können. Diese sortieren nur den größten Schrott aus.“

Berger meinte aber auch, das Konzept des qualifizierten Investors gehöre verstärkt: „Wer bewusst mehr Risiko nehmen will, der sollte es auch dürfen.“ Überhaupt werde oft mit zweierlei Maß gemessen: „Beim Lotto darf man so viele Scheine ausfüllen, wie man will, da gibt es keine Obergrenze. Aber daran verdient ja auch der Staat.“ Auch in der Bankenwelt sei die Position in Sachen Anlegerschutz früher, beim Thema Fremdwährungskredite, keineswegs so klar gewesen, wie sie sich heute darstellt. „Ich glaube den Banken den Wandel vom Saulus zum Paulus nicht ganz.“

Ohswald wiederum findet das Wort Anlegerschutz beim Crowdinvesting überhaupt fehl am Platz: „Sich an einem Unternehmen zu beteiligen, ist volles Unternehmerrisiko, das ist nichts, was als Anlageprodukt verkauft werden sollte. So etwas muss in der Selbstverantwortung des Einzelnen bleiben. Das ist auch kein Thema für Beratungsprotokolle und Beraterhaftung.“

Unternehmen, die eine Finanzierung brauchen, sind mit der 5000-Euro-Grenze nicht glücklich, weil sich dadurch zwangsläufig die erreichbaren Gesamtsummen in Grenzen halten. 100.000 Euro seien realistisch, waren sich die Teilnehmer einig – viel mehr sei nicht zu erwarten. Fraglich ist aber, ob das ohne die rechtlichen Schranken anders wäre: Laut Zahlen der europäischen Crowdinvesting-Plattform Conda steckt ein durchschnittlicher Kleininvestor etwa 900 Euro in ein Projekt. An mehreren Projekten beteiligt sich jeder Fünfte.

Wie weit muss aber ein Projekt gediehen sein, damit man Aussichten auf Geld aus der Crowd hat? Die Entwicklungsphase muss abgeschlossen sein, es muss einen Prototypen geben. Und: „Man braucht ein sehr gutes Projekt, das man gut präsentiert“, so Conda-Geschäftsführer Paul Pöltner. Die Crowd liefere dann auch Anhaltspunkte, wie ein neues Produkt auf dem Markt ankommt. Michael Kräftner, Gründer und CEO der Softwarefirma Celum, sieht das ähnlich: Crowdinvesting sei ein „interessantes Feedbackinstrument“. Und „fast unbezahlbare PR, wenn es funktioniert“.

Den Herdentrieb nützen

Die Schattenseite: „Es kann auch floppen, man kann Negativ-PR kriegen“, sagt Julian Breitenecker, Gründer zahlreicher Unternehmen, unter anderem von Locca lost & found. Die Crowd sei da „erbarmungsloser als jeder Investor“. Geld aus der Crowd sei demnach nicht billig: „Man muss viel an der Kampagne arbeiten, das ist aufwendig.“

Noch etwas: Man sollte „einen Bekanntenkreis haben, der das erste Drittel finanziert.“ Das, weil es eben doch so etwas wie Herdentrieb gibt: Hat man schon Investoren, machen weitere eher mit.

Und in wen würde Breitenecker investieren? „Nur in jemanden, der schon einen Konkurs hinter sich hat. Dieser weiß dann schon, was er tut.“ Kein sehr österreichischer Zugang.

AUF EINEN BLICK

Das Podium. Mit Moderator Rainer Kaspar (Partner bei PHH) diskutierten Julian Breitenecker (Locca lost & found), René Berger (Investor und Business Angel), Christian Ohswald (Deutsche Bank Asset & Wealth Management), Michael Kräftner (Celum), Paul Pöltner (Conda) und Wolfram Huber (PHH) zum Thema „Crowdinvestment neu:

Wirtschaftsimpuls oder Freikarte für Zocker?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2015)

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