Bankgeheimnis: Rechtsschutz mit Tendenz nach unten

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Eine Änderung des Strafprozessrechts soll die Möglichkeit der Versiegelung von Unterlagen vor einem Zugriff der Behörden abschaffen - zur Angleichung an das Finanzstrafrecht.

Wien. Wie „Die Presse“ bereits berichtet hat, hat der Oberste Gerichtshof jüngst in Sachen Immofinanz ausgeführt, dass „das notorische – und somit einer empirischen Untersuchung nicht bedürftige – gehäufte Auftreten von Untreuedelinquenz im Führungsbereich von Banken eine ernst zu nehmende Rechtsprechung geradezu [zwinge], bei der Bekämpfung dieser Form von Kriminalität [. . .] für potenzielle Täter abschreckende, für Rechtstreue aber bestärkende Aspekte einfließen zu lassen“ (11 Os 52/15d). Das hier artikulierte Misstrauen gegenüber dem Bankensektor dürfte auch beim Gesetzgeber Einzug gehalten haben, wie der vorliegende Entwurf zum Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2015 zeigt.

Demnach sollen mit 1. August 2016 die „Sicherstellung, Auskunft aus dem Kontenregister und Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte“ neu geregelt werden. Der Entwurf will das Bankgeheimnis auf der Ebene des Strafprozessrechts weiter zurückdrängen.

Begonnen hatte alles im Jahr 2012 mit der Novellierung des § 112 StPO. Dieser regelt jene Voraussetzungen, unter denen etwa im Zuge einer Hausdurchsuchung Unterlagen gegen Sicherstellung und Beschlagnahme geschützt werden können. Damals wurde der Schutz auf Unterlagen jener Personen eingeschränkt, die sich auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf, berufen können. Das Bankgeheimnis (§ 38 BWG) ist in der Strafprozessordnung nicht erwähnt, insbesondere ist dessen Umgehung nicht mit Nichtigkeit bewehrt. Daher ist es seit 2012 nicht mehr möglich, Unterlagen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, versiegeln zu lassen und damit vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden (vorerst) zu schützen.

Der Gesetzgeber geht nun konsequent weiter. Vom Entwurf betroffen ist nicht mehr „nur“ die Sicherstellung, sondern auch die „Auskunft aus dem Kontenregister“ sowie die „Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte“. Demgemäß sollen die Kredit- und Finanzinstitute ab 1. August 2016 verpflichtet sein, über die im Kontenregister gespeicherten sogenannten äußeren Kontendaten, wie den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum des Kontoinhabers, die Konto- bzw. Depotnummer, den Tag der Eröffnung und der Auflösung des Kontos bzw. Depots, aufgrund einer bloßen staatsanwaltschaftlichen Anordnung Auskunft zu gewähren. Eine gerichtliche Bewilligung soll nicht erforderlich sein.

Aufschiebende Wirkung fehlt

Nach den Gesetzesmaterialien beeinträchtige dies nicht den Rechtsschutz, da dem betroffenen Kredit- oder Finanzinstitut ohnedies das Rechtsmittel des Einspruchs und in weiterer Folge der Beschwerde offenstehe. Dabei wird jedoch übersehen, dass ein Einspruch keine aufschiebende Wirkung hat, sodass die Auskunft den Strafverfolgungsbehörden jedenfalls zu erteilen ist. Diese verfügen also (zunächst) uneingeschränkt über die Daten und können sie auch verwerten. Dass die bei den Strafverfolgungsbehörden vorhandenen Daten (nachträglich) zu löschen sind, wenn einem Rechtsmittel Erfolg beschieden ist, ist ein schwacher Trost und vermag an der grundsätzlichen Problematik einer fehlenden aufschiebenden Wirkung nichts zu ändern.

Besonders sensible Daten

Auch bei der besonders sensiblen „Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte“, wie etwa der Auskunft über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorfälle („innere Kontendaten“), soll der (noch) bestehende Rechtsschutz ab August 2016 massiv beschnitten werden. Zwar soll die Staatsanwaltschaft eine solche Auskunft auch künftig nur mit gerichtlicher Bewilligung anordnen können; eine Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung soll weiterhin aufschiebende Wirkung haben. Derzeit besteht jedoch für den Fall, dass die Bank erklärt, bestimmte Auskünfte nicht zu erteilen oder Unterlagen nicht herauszugeben, die Möglichkeit, die Unterlagen versiegeln zu lassen und damit – zumindest vorerst – vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu schützen. Die Entscheidung über eine allfällige Entsiegelung liegt beim Gericht.

Versiegelung entfällt

In Zukunft soll sich das grundlegend ändern: Der Passus, der die Möglichkeit zur Versiegelung einräumt, soll ersatzlos gestrichen werden. Begründet wird dies unter anderem damit, dass es eine „adäquate Anpassung des Rechtsschutzes an den Bereich des Abgaben- und verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens“ darstelle, in denen diese Möglichkeit nicht bestehe. Darüber hinaus hätten die bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass „die Bestimmung vor allem in jenen Verfahren von den Kredit- und Finanzinstituten in Anspruch genommen [werde], in denen gegen diese selbst oder ihre Organe ermittelt“ werde.

Diese Argumentation übersieht, dass allein schon wegen der unterschiedlichen Schwere der Delikte und der damit verbundenen deutlich höheren Strafdrohungen im Kriminalstrafrecht sich der Rechtsschutz nicht „nach unten“ an jenen des abgaben- und verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens nivellieren lässt. Die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, wonach mit ein Grund für die geplante Abschaffung der Möglichkeit einer Versiegelung der Umstand sein soll, dass dieses Rechtsinstitut über Gebühr von beschuldigten Kredit- und Finanzinstituten und deren beschuldigten Organen in Anspruch genommen werde, erscheinen doch befremdlich und lassen das vom OGH angesprochene Misstrauen in einem neuen, noch grelleren Licht erscheinen.


Priv.-Doz. Dr. Oliver Plöckinger, LL.M. ist Partner bei Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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