Negativzinsen auch bei Eurokrediten möglich

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Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien untersagt der Bank Austria, nachträglich einseitig eine Zinsuntergrenze einzuziehen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Wien. Seit einiger Zeit ist ein allgemeiner Rückgang der Zinsen zu beobachten. Diese Entwicklung machte auch vor bereits vergebenen Krediten nicht halt. Denn Banken orientieren ihre Kreditzinsen gewöhnlich an einem Referenzzinssatz. Bei Fremdwährungskrediten ist dieser Referenzzinssatz der Libor, bei Eurokrediten der Euribor. Für die Berechnung der Kreditzinsen wird zum jeweiligen Referenzzinssatz ein fixer Aufschlag hinzugerechnet. Rutscht nun der Referenzzinssatz so stark ins Minus (der Drei-Monats-Euribor ist derzeit negativ), dass die Summe aus Referenzzinssatz und Aufschlag negativ wird, ergibt sich ein negativer Kreditzinssatz. Es wäre dann – bei rein mathematischer Auslegung der Berechnungsformel – die übliche Rollenverteilung vertauscht: Nicht der Kreditnehmer zahlt Zinsen, sondern die Bank.

Die Banken wehren sich aber gegen eine solche Auslegung der Berechnungsformel. Sie berufen sich vor allem auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, wonach für Sparbücher auf jeden Fall Zinsen zu zahlen sind. Wenn dem so sei, so argumentieren sie, müsste umgekehrt für einen Kredit gelten, dass der Kreditnehmer auf jeden Fall Zinsen zu zahlen habe.

In zwei Musterprozessen ließ der Verein für Konsumenteninformation für Fremdwährungskredite klären, dass Negativzinsen möglich sind. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Nunmehr hat ein weiteres Gericht diese Frage beurteilt. Der Prozess wurde diesmal nicht vom VKI angestrengt, sondern von einem einzelnen Konsumenten. Es ging auch nicht um einen Fremdwährungskredit, sondern um einen normalen Eurokredit, der 2006 aufgenommen worden war. Anlass für den Prozess bot ein Schreiben, in dem die Bank Austria ihre Kunden informierte, der Zinssatz werde gegebenenfalls bei 0,00001 Prozent als Zinsuntergrenze eingefroren. Die Bank wollte damit einen negativen Kreditzinssatz verhindern.

Dazu fällte das Bezirksgericht für Handelssachen Wien ein Feststellungsurteil (7 C 362/15h), wonach bei einer entsprechenden weiteren Zinsentwicklung der vereinbarte Zins auch negativ werden könne. Das Gericht führte aus, dass die vereinbarte Zinsgleitklausel schon bei Abschluss des Kreditvertrags von der nicht vorhersehbaren Marktentwicklung geprägt war. Die Bank müsse daher eine negative Zinsentwicklung hinnehmen.

Keine Unter- ohne Obergrenze

Das Gericht folgte außerdem der Argumentation des Klägers, wonach das Konsumentenschutzgesetz bei allen variabel gestalteten Entgelt- und Zinsvereinbarungen eine strikte Symmetrie verlange: Wo es eine Untergrenze gibt, muss es auch eine Obergrenze geben. Der Bank wäre es schon bei Abschluss des Kreditvertrags freigestanden, sowohl eine Zinsober- als auch Zinsuntergrenze festzulegen. Von dieser Möglichkeit habe sie aber nicht Gebrauch gemacht. Die nachträgliche und einseitige Einführung einer Zinsuntergrenze wäre als asymmetrische Vertragsbestimmung unzulässig.

Im Grunde genommen hatte das Gericht die Frage zu entscheiden, wie die mathematisch glasklare Zinsanpassungsklausel bei einer unerwarteten Zinsentwicklung auszulegen wäre. Dass hier dem Konsumenten recht gegeben wurde, verwundert nicht. Schließlich ist es nicht Aufgabe der Rechtsordnung, als Korrektiv für unternehmerisches Risiko zu dienen. Ob diese Entscheidung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien Bestand haben wird, werden die Obergerichte zu entscheiden haben.

Dr. Kreuz ist Rechtsanwalt in Wien. Er führte das Verfahren als Vertreter des Konsumenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)

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