Crowdinvesting: Wer viele Jobs schafft, zahlt drauf

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Der neue Rechtsrahmen für Schwarmfinanzierungen hat die Branche belebt. Kritisiert wird aber die starre Bindung an die EU-Definition für kleine und mittlere Unternehmen.

Wien. In den vergangenen Wochen häuften sich die Jubelmeldungen zum Crowdinvesting. So sprach der Fachverband der Finanzdienstleister von einem Rekordergebnis: Crowdinvesting-Plattformen sammelten demnach im Vorjahr 8,1 Millionen Euro ein und finanzierten 44 Projekte. Das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), das am 1. September 2015 in Kraft getreten ist, habe der Branche zusätzlichen Schub gebracht, heißt es in der Aussendung: Mehr als die Hälfte des Vorjahresumsatzes stamme aus dem letzten Quartal.

Von einem Rekord berichtete Anfang Februar auch die Crowdinvesting-Plattform Finnest (www.finnest.at): Der Salzburger Nahrungsergänzungsmittel- und Mikronährstoffhersteller Biogena habe in drei Wochen 1,3 Millionen Euro von 180 Geldgebern eingesammelt, die Crowd dürfe sich nun über sechs Prozent Zinsen freuen.

Zu wenig für den Mittelstand?

Er habe Finnest gegründet, um „erfolgreichen Mittelständlern eine Alternative zum Bankkredit bieten zu können“, sagt Günther Lindenlaub, Ex-Banker und Geschäftsführer der Plattform. Ist dieses Konzept nun aufgegangen, und wie kommen Unternehmen und Investoren mit der neuen Rechtslage zurecht, fragte ihn „Die Presse“. Die Antwort fällt differenziert aus: Erfreulich sei, dass sich in den Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes das Thema sehr stark herumgesprochen habe. Der Markt habe seither große Eigendynamik entwickelt. Crowdinvesting sei ein „sehr gutes Tool“ – das aber, wie er meint, mehr Unternehmen zur Verfügung stehen sollte, als das derzeit der Fall sei. Konkret sei das Gesetz sehr stark auf Start-ups, aber zu wenig auf Mittelstandsförderung ausgerichtet.

Für problematisch hält Lindenlaub vor allem die Einschränkung auf Firmen, die unter die EU-Definition für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen. Unter anderem bedeutet das: Sie müssen weniger als 250 Mitarbeiter haben. Wächst ein Unternehmen stark, stellt neue Leute ein und überschreitet dabei diese Grenze, fällt es aus dem Geltungsbereich hinaus, „dabei wäre es wichtig, gerade die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern“.

Solchen Unternehmen bleibt dann als Alternative zum Bankkredit nur noch der Kapitalmarkt mit allen seinen regulatorischen Vorschriften. Zwar gilt auch dort für Emissionen unter fünf Millionen Euro eine vereinfachte Prospektpflicht, das sei aber für solche Unternehmen oft keine realistische Option, sagt Lindenlaub: „Auch für den Prospekt light ist der Aufwand groß, mit etwa 35.000 Euro Kosten muss man rechnen.“ Sein Fazit: Die derzeitige Regelung schließe viele Unternehmen aus, für die diese Finanzierungsform ursprünglich gedacht gewesen wäre. „Das Gesetz ist ein guter erster Schritt, aber jetzt sollte ein zweiter Schritt für den Mittelstand gesetzt werden.“

Bedenken hatten Unternehmen und Plattformen im Vorfeld auch wegen der Betragsgrenze für Einzelinvestments: Als Privatanleger darf man innerhalb von zwölf Monaten nicht mehr als 5000 Euro in ein Projekt investieren. Das entmündige die Anleger und schränke die Möglichkeiten, sich auch für größere Projekte Geld aus der Crowd zu holen, stark ein, lautete die Kritik.

„Informationsgefälle“

Laut Lindenlaubs Erfahrungen hält sich dieses Problem jedoch in Grenzen: Denn man kann die 5000-Euro-Grenze auch überschreiten, wenn man erklärt, dass man höchstens das Doppelte seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens oder maximal zehn Prozent seines Finanzanlagevermögens investiert. „Und die Leute tun das auch.“ So habe bei Biogena das Durchschnittsinvestment bei der ersten Tranche 15.000 und bei der zweiten 8000 Euro betragen.

Die Erklärung, die man dafür abgeben muss, sei ein zusätzlicher Hinweis für den Anleger, dass er sich ein solches Investment auch leisten können muss, sagt Lindenlaub. Andere sehen das kritischer: So meint der Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Herbert Houf, das Informationsgefälle im Vergleich zum Kapitalmarkt sei zu groß. „Auf der einen Seite Überregulierung und überbordende Aufklärungs- und Prüfpflichten, auf der anderen Seite unterschreibt man bloß irgendeine Erklärung, und diese wird dann gar nicht geprüft.“

AUF EINEN BLICK

KMU-Definition. KMU sind laut Definition der EU-Kommission Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erwirtschaften oder deren Bilanzsumme maximal 43 Millionen Euro beträgt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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