Urheberrecht: Beim Streaming ist Vorsicht geboten

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June 1 2015 New York NY USA June 1 2015 New York City Kanye West attending the 2015 CFDA Fa(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Verletzt der Betrachter von illegalen Streams das Urheberrecht? Mit dieser Frage wird sich der Europäische Gerichtshof in Kürze befassen. Seine Entscheidung ist für User weitreichend.

Wien. Der US-Rapper Kanye West hat kürzlich sein neues Album auf dem Streaming-Dienst Tidal vorgestellt – und liegt damit voll im Trend. Ob Fußballspiele, Opernaufführungen oder Pressekonferenzen, es wird immer mehr gestreamt. Und damit lässt sich gutes Geld verdienen. Spotify, der schwedische Musikdienst, kann sich seit Jahresende über 28 Millionen Abo-Kunden freuen. Im Sommer waren es noch 20 Mio. gewesen. Während Streaming-Angebote boomen, sinkt die Nachfrage nach CDs und Kauf-Downloads drastisch.

Der Haken dabei: Nicht jeder Stream findet sich mit der Zustimmung seines Urhebers im Netz. So kann es passieren, dass Internetnutzer – bewusst oder unbewusst – mit dem Gesetz in Konflikt geraten und sich im Ernstfall Unterlassungsklagen oder Schadenersatzansprüchen gegenübersehen.

Wie ist das möglich, werden sich viele fragen, die sich etwa auf Facebook oder YouTube arglos ein gepostetes Video ansehen. „Technisch betrachtet, ist Streaming eine temporäre Speicherung von allen möglichen Audio-, Video-, Musik-, Bild- oder Textdateien am lokalen User-PC, um eine Wiedergabe dieser Inhalte zu ermöglichen. Streaming ist also kein permanenter Download. Nach dem ,Konsum‘ der Inhalte werden diese automatisch wieder gelöscht. Der User behält keine dauerhafte Kopie“, erklärt Sebastian Schwaiger, Associate bei der Rechtsanwaltskanzlei Wolf Theiss. Was vielen dabei nicht bewusst sei: Streaming passiert eigentlich bei jedem Klick, wenn Daten im Internet abgerufen werden, weil eine lokale Speicherung für die Wiedergabe notwendig ist.

Zustimmung des Urhebers fehlt

Was aber macht einen Stream zu einem illegalen? „Ein illegaler Stream beinhaltet urheberrechtsverletzende Inhalte“, sagt Schwaiger. „Das heißt, Filme, Musik, Bilder oder auch Texte werden ohne die Zustimmung des Urhebers gestreamt und damit für einen kurzen Zeitraum, am User-PC gespeichert.“ Wer glaubt, diese paar Sekunden können für einen Gesetzesverstoß nicht ausreichen, irrt womöglich: „Prinzipiell verletzt auch die kurzfristige Vervielfältigung dieser Inhalte schon auf einer ersten Stufe das Urheberrecht“, so Schwaiger. „Das Urheberrecht kennt jedoch eine Ausnahmebestimmung. Zentral ist für das Streaming §41a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Diese Regelung lässt eine freie Werknutzung für vorübergehende Kopien unter gewissen Voraussetzungen zu.“ Demnach ist eine Vervielfältigung zulässig, wenn sie etwa „flüchtig oder begleitend“ oder „integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens ist“ und keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat.

Was heißt das im Ergebnis? „In Österreich wurde mit §41a UrhG die Info-Richtlinie 2001/29/EG umgesetzt. Für die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ist daher der Europäische Gerichtshof (EuGH) maßgeblich“, so der Urheberrechtsexperte.

Zurzeit herrschen über die Interpretation unterschiedliche Auffassungen. Klarheit kann nur eine Entscheidung des EuGH bringen. Und dazu sollte es bald kommen, denn ein niederländisches Gericht hat die Frage im Herbst 2015 an ihn herangetragen. Er hat nun im Zuge eines Vorabentscheidungsverfahrens folgende Rechtsfrage zu klären: Ist das Betrachten eines illegalen Streams und die damit einhergehende Vervielfältigung von der Ausnahmebestimmung erfasst und europarechtskonform?

Seine Entscheidung ist weitreichend: „Erklärt der EuGH die Ausnahmebestimmung für illegale Streams für anwendbar, so bedeutet das für die Internetnutzer, dass jeder Inhalt gestreamt werden darf, niemand läuft dabei Gefahr, eine Urheberrechtsverletzung zu begehen“, sagt Schwaiger. „Das käme einem Freibrief gleich. Der Nutzer hätte keinerlei Prüfpflichten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angeklickten Inhalte im Internet.“

Harte Zeiten für Streamer?

Entscheidet der EuGH aber, dass die Ausnahmebestimmung nicht für illegale Streams gilt, brechen künftig harte Zeiten für User an. Sie könnten sich dann nur noch auf §42 UrhG stützen, um das Betrachten des illegalen Streams zu rechtfertigen. Das ist eine Ausnahmebestimmung, die für Privatkopien gilt. „Sie setzt aber voraus, dass der Inhalt der Kopie nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Dem User käme somit vor jedem Klick eine immanente Prüfpflicht hinsichtlich der Streamingquelle zu“, sagt Schwaiger. „Im Web 2.0, das von nutzergenerierten Inhalten lebt, praktisch eine unmögliche Aufgabe und ein untragbarer Zustand.“ Die EuGH-Entscheidung wird deshalb nicht nur von ihm mit Spannung erwartet. In den nächsten Monaten ist mit ihr zu rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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