„Gewisse Zurückhaltung im Dienst zumutbar“

Auffällige Tattoos darf der Arbeitgeber verbieten
Auffällige Tattoos darf der Arbeitgeber verbieten(c) FABRY Clemens
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Die Persönlichkeitsrechte sind in Österreich im Zivilrecht verankert und damit besonders geschützt. Sie gelten auch am Arbeitsplatz. Trotzdem darf man im Dienst nicht alle seine Freiheiten ausleben.

Wien. Der Kopftuch-Streitfall aus Belgien ist nicht der einzige zu diesem Thema, der derzeit Gerichtshöfe beschäftigt. Ein weiterer Fall aus Frankreich ist ebenfalls beim EuGH anhängig. Und auch beim österreichischen Höchstgericht liegt ein Fall, in dem es um das Tragen islamischer Kleidung am Arbeitsplatz geht, konkret um den Gesichtsschleier einer Notariatsangestellten („Die Presse“ hat berichtet).

Jeder dieser Fälle ist etwas anders gelagert. Wie der EuGH den Fall aus Belgien entscheiden wird, lässt also nicht unbedingt Rückschlüsse auf die anderen Causen zu. „Ganz wesentlich scheint mir die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung“, sagt Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak, Partnerin in der Kanzlei KSW. Im belgischen Fall liegt keine unmittelbare Ungleichbehandlung vor (weil es um eine für alle Religionen und Weltanschauungen geltende Dienstvorschrift geht). In den Fällen aus Österreich und Frankreich sei das wohl anders, meint die Juristin. In diesen beiden Unternehmen gab es nämlich keine generelle Politik einer religiös und weltanschaulich neutralen Organisation. Beide Arbeitgeber akzeptierten zunächst das Kopftuch.

„Abwägung vorbildlich gelöst“

Freilich enden da die Gemeinsamkeiten schon wieder: Im österreichischen Fall hat der Notar das Dienstverhältnis erst aufgelöst, als die Mitarbeiterin zusätzlich auf einem Gesichtsschleier bestanden hat (wobei es dann im Rechtsstreit auch darum gegangen ist, dass ihr – nach negativen Äußerungen von Klienten – andere Tätigkeiten zugewiesen worden seien). Im Fall aus Frankreich feuerte der Arbeitgeber die Mitarbeiterin jedoch sofort, nachdem ein Kunde ihr Erscheinungsbild abgelehnt hatte. Dieser Fall ist wohl am kritischsten zu sehen. Das Vorgehen des Notars habe dagegen keine verbotene Diskriminierung bewirkt, meint Körber-Risak. Sondern er habe, ganz im Gegenteil, „die Abwägung zwischen unternehmerischer Gestaltung und schonendem Eingriff in die religiöse Freiheit eigentlich vorbildlich gelöst“.

Während man bestimmte Merkmale, etwa eine Behinderung, im Dienst nicht „ablegen“ kann, sei bei Religion – und auch bei der sexuellen Orientierung – „eine gewisse Zurückhaltung, dies am Arbeitsplatz auszuleben, möglich und im Spannungsfeld der Grundrechte – Erwerbsfreiheit und Persönlichkeitsrecht – wohl zumutbar“, meint die Anwältin. Bei beidem könne der Arbeitgeber verlangen, „dass es sich in der Freizeit abspielt“.

Notariatsmitarbeiter müssten zudem auch andere Vorgaben für ihr Äußeres akzeptieren. Man könnte ihnen ebenso verbieten, „rosa Haare oder ein auffälliges Tattoo zu tragen“, sagt die Anwältin. Für andere Branchen, in denen seriöses Auftreten erwartet wird – wie Anwaltskanzleien, Steuerberater, Wirtschaftprüfer, Banken –, gelte das genauso.

Zu beachten ist freilich auch, dass die österreichische Rechtslage die Persönlichkeitsrechte besonders betont. Das ist im ABGB verankert und gilt damit für jeden zivilrechtlichen Vertrag – unabhängig von der Frage, ob im konkreten Fall eine Diskriminierung vorliegt oder nicht. Deshalb braucht es, damit ein Arbeitgeber Mitarbeitern Bekleidungsvorschriften machen darf, laut OGH schon einen sehr guten Grund. Dass sich ein Unternehmen eine „Policy über Neutralität“ gibt, sei trotzdem möglich und eine Überlegung wert, meint Körber-Risak. „Diese muss nicht auf religiöse beziehungsweise weltanschauliche Aspekte eingeschränkt sein. Sie muss nur stringent durchgezogen werden und glaubhaft ein Bedürfnis des Arbeitgebers vermitteln.“ (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2016)

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